
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! (Joh 20,19)
Am Abend des ersten Tages der Woche ...
Diese Zeitangabe ist sehr wichtig. Johannes berichtet hier vom ersten christlichen Sonntag. Es ist der Tag der Auferstehung Jesu Christi, der fortan von den Christen feierlich begangen wird. Es ist viel passiert an diesem Tag. Die Frauen, allen voran Maria von Magdala, haben das leere Grab entdeckt. Sie haben die anderen informiert. Petrus und der Lieblingsjünger Jesu sind daraufhin zum Grab geeilt. Sie haben gesehen und geglaubt.
Dann ist Jesus Maria von Magdala erschienen, die voller Trauer am Grab gesessen ist und geweint hat. Ihr waren die Zeichen im leeren Grab nicht genug. Erst die persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen weckt in ihr die Freude über die Auferstehung. Maria von Magdala hat dann den Jüngern verkündet, was Jesus ihr gesagt hat.
... als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten ...
Irgendetwas ist passiert mit diesem Jesus, den sie vor zwei Tagen ins Grab gelegt haben, das ist klar. Aber noch wissen die Jünger nicht genau, was das alles zu bedeuten hat. Zudem haben sie Angst vor der jüdischen Obrigkeit, dass diese nicht nur Jesus, sondern auch seine Anhänger töten würden. Einige Jünger sind aus Jerusalem geflohen, daher lässt Johannes wahrscheinlich bewusst offen, welche Jünger genau hier beisammen sind. Waren Maria von Magdala und die anderen Jüngerinnen Jesu auch bei ihnen?
Lukas berichtet uns in der Apostelgeschichte von der betenden Gemeinde, die sich im Abendmahlssaal versammelt hat. Er zählt die Namen der Apostel auf und auch die der Jüngerinnen. Was nach der Apostelgeschichte in der Zeit von fünfzig Tagen nach Ostern geschieht, verdichtet sich hier bei Johannes auf diesen einen Abend. Bei Johannes fallen Ostern und Pfingsten auf einen Tag.
... kam Jesus, trat in ihre Mitte ...
Jesus tritt in die Mitte der Jünger. Plötzlich ist er da, mitten unter ihnen. Sie sehen den Auferstandenen in seinem verherrlichten Leib mit den Wundmalen. Die Jünger sehen ihn, dürfen ihn sogar berühren, bekommen so handfeste Beweise für seine Auferstehung. Es wird aber eine Zeit kommen - und das ist die Situation der Leserinnen und Leser des Johannesevangeliums - in der Jesus nicht mehr greifbar in die Mitte der Gläubigen tritt, sondern unsichtbar und doch wirklich gegenwärtig ist. Einige Verse weiter hören wir, wie Thomas, der hier nicht unter den Jüngern ist, am darauffolgenden Sonntag den Herrn sehen darf. Er hatte Zweifel, dass Jesus wirklich auferstanden ist. Am Ende steht dann das Wort: Selig, die nicht sehen und doch glauben.
Jesus bleibt in der Mitte der Gemeinde der Gläubigen, die sich jeden Sonntag zur Feier seiner Auferstehung versammelt. Die Apostel durften ihn noch einmal sehen und berühren. Fortan ist Jesus anders erfahrbar. Brot und Wein müssen als Zeichen seiner leiblichen Gegenwart genügen. Und doch sind sie das größte Geschenk Gottes an die Menschheit. Zu allen Zeiten wird jedem, der gläubig den Herrn sucht, die Begegnung mit dem Auferstandenen zuteil.
... und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Jesus wünscht den Jüngern den Frieden. Dieser Wunsch des Auferstandenen durchzieht von nun an die Menschheitsgeschichte. Jesus hat schon vorher den Jüngern diesen Frieden verheißen, besonders deutlich in den Abschiedsreden in Joh 14,27. Nun wird dieser Friede Wirklichkeit und Gott herrscht "über alles und in allem" (1 Kor 15,28). Auch wenn weiterhin Kräfte am Werk sind, die diesen Frieden stören, bleibt Gott doch Sieger. Eindrucksvoll wird dieses Drama in den Bildern der Offenbarung des Johannes geschildert. Auch wenn Menschen einander das Leben schwer, ja zur Hölle machen, können sie doch den Frieden Gottes nie mehr zerstören.
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. (Joh 20,20)
Jesus zeigt den Jüngern seine Wunden. Er bleibt gezeichnet von dem, was die Feinde des Friedens ihm zugefügt haben. Doch diese Wunden haben ihn nicht besiegt, sondern sie leuchten von nun an als Zeichen seines Sieges über alles Unheil und Leid der Welt durch die Zeiten hindurch.
Gregor der Große sagt:
Weil aber ihr Glaube noch schwankte beim Anblick seines Leibes, den sie sehen konnten, zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Nägel hatten seine Hände durchbohrt, die Lanze seine Seite geöffnet: Hier blieben die Spuren der Wunden erhalten, um die Herzen der Zweifelnden zu heilen.
Verwundet geht Jesus in den Himmel ein. Die Wunden, die ihm die Menschen zugefügt haben, bleiben an seinem verklärten Auferstehungsleib in Ewigkeit. Liebe macht verwundbar. Was könnte ein deutlicheres Zeichen dafür sein, dass Gott es ernst gemeint hat mit seiner Liebe zu uns Menschen, als die Wundmale Jesu? Aus Liebe verwundet kehrt Gottes Sohn zum Vater zurück. Diese Erfahrung der Macht der Liebe gab den Aposteln und Glaubenszeugen durch die Jahrhunderte hinweg die Kraft, den Glauben wider alle Anfeindungen zu verkünden.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. (Joh 20,21)
Noch einmal spricht Jesus den Jüngern den Frieden zu. Als Christen sind wir gesandt, Zeugen dieses Friedens zu sein. Diese Sendung wird uns am Ende jeder Heiligen Messe zugesprochen: Gehet hin in Frieden - Ite missa est - Ihr seid gesandt!
Boten des Friedens zu sein ist nicht leicht. Wir merken selbst oft, wie wir von Unfrieden bedroht sind, durch Unruhe in unserem Inneren, die uns mal hierhin, mal dorthin treibt. Aber auch nach außen verbreiten wir nicht immer Frieden. Wie kann ich mit allen Menschen in Frieden leben? Bedeutet das nicht, sich ausnutzen zu lassen? Wenn wir für Gerechtigkeit eintreten, müssen wir dann nicht auch gegen jene kämpfen, die diese bedrohen? Was heißt es da konkret, Friedensbote zu sein? Es ist schwer, auf diese Frage eine eindeutige Antwort zu geben. Aber es gibt einen, der uns lehrt, den Weg des Friedens zu gehen. Es ist der Heilige Geist, den Jesus den Jüngern schenkt.