Auch einige Griechen waren anwesend - sie gehörten zu den Pilgern, die beim Fest Gott anbeten wollten. (Joh 12,20)
Es ist das letzte Paschafest Jesu in Jerusalem. Jesus weiß, dass seine Stunde, von der so oft im Johannesevangelium die Rede war, gekommen ist. Noch ist nicht allen klar, wie diese Stunde aussehen wird, aber Jesus weiß, dass sie seinen Tod bedeuten wird, einen Tod, der zu neuem Leben führt. Wie ein Samenkorn eingegraben wird, dann aber neues Leben treibt, so wird Christus begraben und auf wunderbare Weise wieder lebendig.
Jesus ist in Betanien im Haus des Lazarus, den er als Vorauszeichen der Auferstehung zum Leben erweckt hat, von Maria gesalbt worden. Jesus selbst deutet dies als Salbung für seinen Tod, aber man könnte auch an die in Israel bekannte Salbung zum König denken. Als ein König ist Jesus in Jerusalem eingezogen und bejubelt worden.
Der Einzug Jesu in Jerusalem hat Eindruck gemacht und das Interesse der Pilger geweckt, die bisher noch nichts von ihm gehört hatten. Einige Halbproselyten, Griechen, die dem Judentum nahe standen aber sich nicht haben beschneiden lassen, die zum Paschafest gekommen sind, wollen Jesus sehen. Sie wenden sich zunächst an Philippus und der wiederum geht zu Andreas und beide gehen zu Jesus. In seiner letzten öffentlichen Rede spricht Jesus von seiner Stunde, die nun gekommen ist.
Sie traten an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus. (Joh 12,21-22)
Der Weg zu Jesus beginnt mit der Sehnsucht, mit dem Wunsch, ihm zu begegnen.
Ich möchte Jesus sehen.
Auf der Suche nach Gott wollen wir entdecken, wie er ist. Wir suchen nicht die Weisheit und das Wissen dieser Welt, sondern wollen Jesus begegnen und mit ihm leben.
Es gibt einen Weg, auf dem die Menschen zu allen Zeiten Jesus begegnen können. Das ist der Weg der Nachfolge. Nachfolge bedeutet, sein Leben gering zu achten in dieser Welt. Wer bereit ist, sein Leben los zu lassen und es einem anderen zu übergeben, dem Vater, wie es Jesus getan hat, der kommt Jesus nahe und wird sein Leben bewahren bis ins ewige Leben.
Der "Test" für unser geistliches Leben besteht darin, in welchem Maß in uns der Wunsch wächst, Gott zu sehen, zu kennen und zu lieben. Dieser Wunsch kann in uns entbrennen, wenn wir sein Wort hören und das bedenken, was er uns in der Heiligen Schrift sagt. Es sind Worte, die in jeder Zeit aktuell sind. Darin begegnet er uns selbst, das Wort, das Person ist, Jesus Christus.
Natürlich können uns Zweifel befallen, natürlich wird es in einem ernsthaften Gebetsleben auch Phasen der Dunkelheit geben, natürlich wird es Zeiten geben, in denen wir zu kämpfen haben. Wir leben nicht dauernd im Licht einer tiefen geistigen Freundschaft oder in der Wärme einer tiefen Verbundenheit des Herzens. Solches zu erfahren, ist ein Geschenk. Doch wir sollen nicht müde werden, um dieses Geschenk zu bitten und offen dafür zu sein.
Basil Hume
Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. (Joh 20,23-24)
Jesus gibt scheinbar keine Antwort auf die Bitte der Griechen, die ihn sehen möchten. Er spricht von seiner Stunde, die nun gekommen ist. Es ist die Stunde des Kreuzes, in der er verherrlicht wird und in der auch der Vater verherrlicht wird, denn der Tod am Kreuz wird nicht das Ende sein, sondern der Anfang neuen Lebens.
Dann gibt Jesus einen Hinweis darauf, wie die Menschen zu ihm kommen können, er zeichnet das Bild wahrer Nachfolge und Jüngerschaft.
Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren. (Joh 12,25-26)
Die Menschen werden Jesus nicht mehr unter sich sehen, aber doch gibt es einen Weg, zu Jesus zu kommen. Es ist der Weg der Nachfolge, den die Jünger Jesu gehen. Nach dem Pfingstfest werden sie in die ganze Welt hinaus ziehen und Menschen in die Nachfolge Jesu rufen. Das Wort Jesu richtet sich an die Menschen in der nachösterlichen Zeit. Wer bereit ist, sein Leben los zu lassen und es einem anderen zu übergeben, dem Vater, wie es Jesus getan hat, der kommt Jesus nahe und wird sein Leben bewahren bis ins ewige Leben.
Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. (Joh 12,27)
Jesus selbst musste diesen Weg der Hingabe und des Gehorsams zum Willen des Vaters lernen. Davon schreibt Paulus im Brief an die Hebräer (Hebr 5,8f):
Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden.
Wir wissen nicht, was genau in Jesus vorgegangen ist, wie genau in ihm der menschliche Wille und der göttliche Wille zusammengewirkt haben. Jesus hat immer nach dem Willen des Vaters gehandelt, aber es war nicht immer leicht für ihn, den Willen des Vaters zu erkennen und zu erfüllen. Wusste Jesus bereits von Anfang an um seinen Tod am Kreuz oder hat sich auch für ihn dieses Ende erst nach und nach abgezeichnet?
Sicher wissen wir, dass der Weg ans Kreuz für Jesus nicht leicht war. Wir wissen von seiner Angst im Garten Getsemani, von seinem inständigen Gebet an den Vater mit der Bitte, dass der Kelch an ihn vorüber gehe. Jesus hat unsäglich unter den Schmerzen der Kreuzigung gelitten. Jesus ist vor dem Kreuz zurückgeschreckt, aber er hat es angenommen, weil er darin den Willen des Vaters erkannt hat, der so das Heil der Menschen wirken wollte.
Nachfolge bedeutet, dass Jesu Jünger auch dazu bereit sind, einen beschwerlichen, vielleicht lebensgefährlichen Weg zu gehen. Das wäre für einen Menschen allein unmöglich. Aber jeder, der mit Jesus diesen Weg geht, darf darauf vertrauen, dass Jesus bei ihm ist mit ihm geht und ihm Kraft gibt in den schwersten Stunden. Wie das Kreuz für Jesus nicht das Ende war, so darf auch der Jünger, der in der Nachfolge Jesu sein Leben hingibt, neues, ewiges Leben erwarten.
Romano Guardini schreibt dazu in seinem Kreuzweg:
Herr, das ist die Antwort auf die bittere Frage: Warum leiden? Warum leiden müssen, wenn alles nach Glück und Schaffen ruft? Warum sterben? Warum weg müssen, wenn das Leben noch nicht gelebt ist? Warum hergeben müssen, was so teuer ist?
Da wird alle Menschenweisheit zu Schanden. Nur im Kreuz ist die Antwort: "Das Samenkorn bleibt unfruchtbar, so lange es nicht in der Erde stirbt." All unser Leiden, unser Opfern und unser Sterben ist himmlische Saat. Wenn wir mit Gottes Willen eins sind, dann entsteht daraus Leben um Leben, für uns und für die anderen. So will ich glauben. Will vertrauen und mich an Gott halten, auf dass auch mein Leben und Leiden und Sterben ewige Frucht trage.