Johannes 13,1-15

Die Fußwaschung

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Heilige Schrift
Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung. Es fand ein Mahl statt, und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn zu verraten und auszuliefern. Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. (Joh 13,1-5)

Jesus zeigt seine Liebe - und doch herrscht in seiner nächsten Umgebung Unfrieden. Da ist Judas Iskariot, der ihn verraten wird, da sind die Jünger, unter denen es während des Mahls zum Streit kommt, wer der Größte unter ihnen ist.
Ist nicht die Liebe zum Scheitern verurteilt? Wer es gut mit anderen meint und für sie da ist, der wird leicht ausgenutzt. Wer im Stillen treu seine Pflicht erfüllt, der wird leicht übergangen. Es zählt mehr der Schein als das Sein. Wer sich durchsetzten kann, bekommt was er will. Was zählt da noch Liebe, wenn die Macht über die Liebe triumphiert? Wer kann das heute leben, was Jesus gepredigt hat, wenn es damals nicht einmal die Apostel geschafft haben? Muss der Lohn für die Liebe bis zum Jüngsten Tag warten, während sie jetzt nur Nachteile bringt?
Wir könnten verzweifeln, wenn wir tagtäglich mitbekommen, wie ungerecht es in dieser Welt zugeht. Sind die Sanftmütigen nicht die letzten Dummen, die es endlich auch kapieren sollten, dass man so nicht weiterkommt? Wer herrschen will, muss stark sein und wer Schwäche zeigt, taugt nur zum Dienen. Das ist das Gesetz dieser Welt. Doch Christus kehrt dieses Gesetz um:

Die Allmacht neigt sich zu den schmutzigen Füßen, weil die Menschen die verbildeten Köpfe zu hoch tragen.
Reinhold Stecher

Unmittelbar bevor Jesus sich auf seinen Leidensweg begab, hat er seinen Jüngern die Füße gewaschen und ihnen seinen Leib und sein Blut als Speise und Trank gereicht.
Beide Akte gehören zusammen, beide bekunden sie Gottes Entschlossenheit, uns die ganze Fülle seiner Liebe zu zeigen.
Jesus will, dass auch unsere Liebe so total, so radikal und so vollendet ist wie die seine.
Henri Nouwen
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Heilige Schrift
Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Jesus antwortete ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Er wusste nämlich, wer ihn verraten würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein.
Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. (Joh 13,6-15)
Die Art und Weise, wie Christus Macht über Menschen ausübt, lässt uns einen Augenblick betroffen schweigen - und es kommt uns in den Sinn, wie anders wir das in unseren Lebensbereichen gewohnt sind." (Reinhold Stecher)

Jesus tut an seinen Jüngern das, was Aufgabe der Sklaven ist. Anderen die Füße waschen ist ein deutliches Zeichen der Erniedrigung. Jesus zeigt seinen Jüngern, was ihre Aufgabe in der Welt ist. Den Dienst, den Jesus an ihnen erwiesen hat, sollen auch sie einander erweisen.
Immer wieder sind wir mit der Versuchung konfrontiert, Macht über Menschen auszuüben. Manchmal merken wir es gar nicht, wie wir andere nach unseren Vorstellungen zu manipulieren versuchen. Wir merken es vielleicht dann, wenn wir gekränkt sind, wenn der andere doch nicht so funktioniert, wie wir es erwarten. Dann werden wir leicht ärgerlich und versuchen es dem anderen zu zeigen. Wer hat hier den Mut, sich vor dem anderen niederzubeugen, und ihm die Füße zu waschen? Wer hat den Mut, den gewohnten Kreislauf von Hass und Gewalt zu durchbrechen durch ein eindringliches Zeichen der Liebe?
Schön erzählt eine Geschichte aus den Apophthegmata Patrum, was hier gemeint ist:

Ein alter Mönch hatte einen Schüler, aber aus Geringschätzung trieb er ihn mit seinem Mönchsmantel hinaus. Der Bruder aber blieb draußen sitzen. Der Greis öffnete, fand ihn dasitzen, warf sich vor ihm nieder und sagte: "O Vater, die Demut deiner Hochherzigkeit hat meinen kleinen Geist besiegt. Komm herein, von nun an bist du der Greis und Vater, ich bin der Jüngere und der Schüler."