Matthäus 21,28-32

Die ungleichen Söhne

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Heilige Schrift
Was meint ihr? Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg! Er antwortete: Ja, Herr!, ging aber nicht. Da wandte er sich an den zweiten Sohn und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn und er ging doch. (Mt 21,28-30)

Heute ist es üblich geworden, alles zu bewerten. "Gefällt mir" - "Gefällt mir nicht", der entsprechende Button wartet unter Artikeln, Bildern und Videos darauf, einfach angeklickt zu werden. Personen sammeln "Likes", scheinbar um so einen Indikator dafür zu haben, wie toll sie sind. Alles soll heute bewertet werden, das Hotel, das Restaurant und selbst die öffentliche Toilette. Wir gewöhnen uns daran, und geben unsere Bewertung ab, oft vielleicht, ohne viel darüber nachzudenken.
So haben es wohl auch die beiden Söhne im Gleichnis getan. Der erste Sohn sagt sofort Ja. Der Vater erwartet von mir, dass ich ihm helfe, wenn ich Nein sage, gibt es wieder endlose Diskussionen. Er gibt dem Vater gegenüber also seine Wertung ab: Arbeit im Weinberg, "Gefällt mir", da geh ich hin. Aber diese Wertung war etwas voreilig. Der Vater ist zufrieden und geht schon mal voraus, Doch der Sohn überlegt es sich anders. Er bleibt zuhause, der Weinberg interessiert ihn nicht mehr.
Der zweite Sohn tut genau das Gegenteil. Er hat sofort gedacht: Arbeit im Weinberg, "Gefällt mir nicht", da geh ich nicht hin. Kein Bock, zu anstrengend, hab Besseres zu tun, da kann der Vater sagen, was er will. Er bleibt zuhause, dann aber kommt er ins Nachdenken. Es ist der Weinberg der Familie, der Vater braucht Hilfe... Auch wenn es auf den ersten Blick keinen Spaß macht, wäre die Arbeit im Weinberg wohl doch sinnvoll und nützlich. Seine vorschnelle Ablehnung reut ihn und er geht doch hin und hilft dem Vater.
Welches Verhalten ist nun nachhaltiger? Das Verhalten dessen, der viele "Likes" verteilt und dafür auch viele "Likes" bekommt, der sich aber nicht darum schert, was dahinter steckt und dem die anderen letztlich egal sind? Oder das Verhalten dessen, der sich nicht einschleimt, sondern erstmal offen sagt, dass ihn etwas nicht interessiert, dann aber zum Nachdenken kommt und schließlich aktiv wird, der sein Interesse nicht durch einen seelenlosen Klick zum Ausdruck bringt, sondern sich wirklich engagiert?
Wer viele "Likes" und "Freunde" hat, ist nicht deshalb schon ein Mensch mit Charakter. Er weiß sich erst einmal gut zu verkaufen. Was wirklich dahinter steckt, erkennt man erst, wenn für das angegebene Interesse und die Freundschaft eine Aktion erforderlich wird. Dann erkennt man, wem wirklich an den anderen etwas gelegen ist, wer wirklich die Anliegen der anderen teilt, und bereit ist, dafür etwas zu tun.
Nur auf einen Button zu klicken ist zu wenig, wir müssen unserem Interesse auch Taten folgen lassen, und dazu gehört auch, dass wir uns wirklich entscheiden können, was wir wollen. Immer wieder gibt es Situationen, in denen wir "Ja" oder "Nein" sagen müssen, in denen ein "Vielleicht" nicht zählt, weil es ein feiger Lückenbüßer wäre, der die Lücke füllt, bis die Entscheidung unausweichlich ansteht. Entscheidungen fällen, Entscheidungen durchtragen, beides ist wichtig, zu dem stehen, was ich gesagt habe und vor allem: verlässlich sein, andere nicht täuschen, nicht heuchlerisch sein und sich nicht bei anderen einschmeicheln.
Es gibt Menschen, die stellen sich gerne in den Vordergrund, die wollen allen klar machen, wie toll sie sind, was sie alles leisten, besonders auch, um so vor ihren Vorgesetzten gut dazustehen. Ja, mach ich, natürlich, ich bin doch immer für sie da ... Doch sie sind oft nur dann aktiv, wenn sie auch gesehen werden und ihnen die Anerkennung für eine Arbeit sicher ist. Die unscheinbare Arbeit überlassen sie gern anderen.
Dann gibt es Menschen, die stellen sich nicht in den Vordergrund. Aber gerade weil sie auch dort gute Arbeit leisten, wo es niemand sieht, halten sie den Betrieb am Laufen. Und doch gehen sie oft leer aus, wenn es um Dank und Anerkennung geht, weil die Menschen eben zu sehr auf das Äußere sehen und die Prahler mehr auffallen als die stillen Treuen.

Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie antworteten: Der zweite. Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr. Denn Johannes ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt. Ihr habt es gesehen und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt. (Mt 21,31-32)

Jesus erzählt dieses Gleichnis den Hohenpriestern und Ältesten und will ihnen damit sagen: Ihr seid wie der erste Sohn, ihr steht an erster Stelle, wenn es um die Religion geht, aber nur um selber gut dazustehen und nicht, weil es euch um Gott geht. Ihr tut oft nicht das, was Gott von euch will. Daher kommen Zöllner und Sünder eher in das Reich Gottes als ihr. Denn sie sagen zwar ganz unumwunden, dass sie mit der Religion nicht viel am Hut haben, aber innen drinnen können sie doch gute Menschen sein und das Gute tun, das Gott will.
Jesus meint mit diesem Gleichnis aber auch uns alle, die wir als Getaufte nicht Knechte, sondern Söhne und Kinder Gottes sind. Der uns gewährte vertraute Umgang mit Gott darf nicht dazu führen, dass wir träge werden in seinem Dienst, dass wir sagen, wir sind getauft und gehen in die Kirche, also sind wir doch schon gute Menschen. Wir müssen unserem Glauben Ausdruck geben in unserem Leben, in unserem Einsatz für andere und dadurch, dass wir Gott den ersten Platz in unserem Leben geben. Manchmal sind es gerade Leute, die Gott zunächst ablehnend gegenüberstehen, die nach einer bewussten Bekehrung mehr Eifer zeigen als mancher, der sein Leben lang Christ ist.
Gott kennt das Herz des Menschen. Er weiß genau, aus welchen Beweggründen einer etwas tut. Bei Gott kann sich niemand einschmeicheln. Er sieht, ob ein Mensch wirklich fromm ist, oder nur dann, wenn andere es sehen. Ja oder Nein. Was wollen wir wirklich? Gehe ich in Gottes Weinberg zur Arbeit, weil es mir um Jesus und um die Menschen geht? Oder ist mir mein eigenes Ansehen wichtiger als alles andere? Die Entscheidung liegt ganz bei mir.