Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler! (Mt 6,5a)
In der Bergpredigt stellt Jesus die Zehn Gebote auf den Kopf. Diese beginnen ja bekanntlich mit der Bekräftigung, dass Gott, der Retter Israels, der einzige Gott für Israel ist, und dass es die Pflicht des Volkes ist, diese Einzigartigkeit Gottes zu bewahren. Erst danach folgen die Weisungen für den Umgang der Menschen miteinander. Jesus aber beginnt beim Menschen. Er preist die Armen und Unterdrückten selig. Dann zeigt er auf, wie die Menschen miteinander leben sollen, nicht so, dass jeder auf sein Recht pocht, sondern in Gerechtigkeit und Liebe, einer Liebe, die auch im Inneren des Herzens keinen Hass und keine Verachtung anderer zulässt, nicht einmal des schlimmsten Feindes.
Erst dann zeigt Jesus, wie aus diesem Leben gemäß der Liebe auch eine ganz neue Gottesbeziehung erwächst. Erst wenn der Mensch in der alltäglichen Einübung der Liebe seinen Mitmenschen gegenüber Fortschritte macht, kann er etwas von Gott verstehen, der selbst die Liebe ist. So wird der Mensch immer mehr Gott ähnlich und kann so in eine ganz neue Beziehung mit ihm eintreten.
Eine besondere Ausdrucksform der Beziehung des Menschen zu Gott ist das Gebet. Wir können mit Gott kommunizieren, auch wenn wir ihn nicht sehen und seine Stimme nicht hören. Im Gebet findet der Mensch einen ganz besonderen Draht zu Gott, der sich von den alltäglichen Kommunikationsformen unterscheidet. Daher ist Gebet mehr als das Aufsagen von abgelesenen oder auswendig gelernten Formeln. Ein solches Gebet bleibt im Äußerlichen verhaftet. Formeln und Rituale können aber eine Hilfe sein, um zum Zentrum des Betens zu gelangen.
Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten. (Mt 6,5b-6)
Besonders "fromme" Menschen demonstrieren ihr Beten gerne in der Öffentlichkeit, um ihre Frömmigkeit zur Schau zu stellen. Nun will Jesus sicher nicht verbieten, dass wir unseren Glauben öffentlich machen, ganz im Gegenteil. Aber wir sollen den Glauben anders zeigen, als es die Frömmler tun. Die erste und wichtigste Ausdrucksform des Glaubens an Jesus Christus ist die tiefe Liebe zu allen Menschen. Kein verborgener Hass, kein schlechtes Reden über andere, kein Urteilen und Verurteilen. Wer die Worte Jesu in der Bergpredigt verstanden hat und nach ihnen lebt, der zeigt seinen Glauben.
Das Gebet und ebenso das Fasten sind etwas, das sich nur zwischen dem Einzelnen und Gott abspielt. Das Gebet ist das Gespräch des Menschen mit Gott. Es ist nichts, das öffentlich zur Schau getragen werden sollte. Die verschlossene Kammer, ein verborgener Ort, ist der rechte Platz für das Gebet. Das Gebet ist eine intime Begegnung zwischen Gott und Mensch und der Mensch muss diese Intimität zulassen. Er soll nicht nur feste Formeln aufsagen, sondern Raum schaffen dafür, dass Gott sprechen kann. Vor Gott sein, Gott ansehen, sich selbst von Gott ansehen lassen, einfach da sein, mit offenen Händen vor Gott.
Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.
So sollt ihr beten: Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, 10 dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde.
Gib uns heute das Brot, das wir brauchen! Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben! Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen!
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben. (Mt 6,7-15)
Sie finden eine Auslegung zum Vater Unser bei dem Text zur Parallelstelle im Lukasevangelium.