Matthäus 6,19-34

Neue Gottesnähe (2)

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Mt
Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. (Mt 6,19-21)

Schätze sammeln auf Erden ist eine der Lieblingsbeschäftigungen der Menschen. Aber Schätze sammeln, das bedeutet mehr, als Reichtümer anhäufen. Ein Schatz, ist auch etwas, das die Fantasie beflügelt. Um einen Schatz zu finden muss man sich anstrengen, schlau sein, vielleicht sogar eine Schatzkarte lesen können oder Abenteuer bestehen. Ein Schatz, darunter stellt man sich auch heute noch eine Kiste Gold vor, die man auf einer einsamen Insel in einer verborgenen Höhle entdeckt und die einen plötzlich reich macht.
Ein solcher Schatz hat auch etwas Zwiespältiges an sich. Er kann uns vereinnahmen und damit unser Leben zerstören. Dann bewirkt er genau das Gegenteil von dem, was wir erträumt haben. Viele kennen sicher das Beispiel von Gollum aus Herr der Ringe, den der Besitz des Ring-Schatzes zu einem Besessenen gemacht hat und auch Frodo muss immer wieder kämpfen, damit der der Versuchung, die von dem Ring ausgeht, nicht erliegt.
So schön es also sein mag, einen Schatz zu finden, so schwer ist es auch, wirklich Gerecht damit umzugehen. Wenn wir ihn nur für uns beanspruchen, wird er zum Fluch. Ein Segen aber ist es, seine Schätze mit anderen zu teilen. Die größten Schatz aber, den ein Mensch erlangen kann, liegen bei Gott. Es sind unsere gerechten Taten, die dort unvergänglich lagern und wertvoller sind als reines Gold.

Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Körper hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muss dann die Finsternis sein! (Mt 6,22-23)

Das Auge ist für viele Menschen das wichtigste Sinnesorgan. Mit den Augen nehmen wir die Bilder unserer Umwelt in uns auf, können die Schönheit der Schöpfung bewundern und die Menschen um uns herum sehen, können Kunstwerke betrachten oder lesen. Aber auch viel Leid sehen wir mit unseren Augen, Bilder von Katastrophen und verwundeten Menschen.
Wir glauben, dass auch Gott dies alles sieht. Das kann tröstlich sein, weil wir wissen, dass Gott kein Leid verborgen bleibt. Manchmal kann es uns aber auch Angst machen, wenn wir Gottes Blick auf uns ruhen sehen, besonders dann, wenn wir nicht glauben können, dass Gottes Blick der Blick der Liebe ist.
In den Evangelien lesen wir oft, dass Jesus die Menschen angeblickt hat. In Markus 10,21, als der reiche Jüngling mit Jesus spricht, heißt es: "Jesus sah ihn an und weil er ihn liebte, sagte er ...". Oder der Blick Jesu auf Petrus, nachdem dieser ihn dreimal verraten hat (Lk 22,61f): "Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an ... Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich." In einem alten Hymnus heißt es:

Herr, wenn wir fallen, sieh uns an
und heile uns durch deinen Blick.
Dein Blick löscht Fehl und Sünde aus,
in Tränen löst sich unsre Schuld.
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Mammon

Herr, lass mich deinen Blick immer als einen Blick der Liebe erfahren. Lass mich darauf achten, was ich mir ansehe, damit nicht schlechte Bilder meinen Sinn verwirren. Lass mich an dem Schönen freuen, das ich sehen darf, aber auch meine Augen nicht vor dem Leid verschließen. Lass mich in allem dich erkennen und dein verborgenes Wirken an den Menschen.

Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon. (Mt 6,24)

Niemand kann zwei Herren dienen. Das ist eine Tatsache, die wir im eigenen Leben erfahren können. Irgendwann kommt der Moment, wo die Wünsche der beiden Herren so unterschiedlich sind, das man nur noch als Heuchler leben kann, wenn man sich nicht zwischen einem der beiden entscheidet.
Die beiden Herren, die Jesus uns vor Augen stellt, sind Gott und der Mammon. Wer den Mammon zum Herrn des Lebens macht, der wird in seinem Leben von der Sorge um die materiellen Güter bestimmt. Ihm geht es darum, immer mehr anzuhäufen und seine Schätze beisammen zu halten. Er muss selbst um alles kämpfen und kann nichts schenken, weil er sich selbst nicht als Beschenkter erfährt.
Ganz anderes sieht es für den aus, der Gott zum Herrn seines Lebens macht. Er wird die Erfahrung machen, dass er sich zwar im Leben um vieles mühen muss, dass ihn aber auch Gott immer wieder beschenkt. Das rückt die eigenen Anstrengungen in ein ganz anderes Licht. Die Erfahrung des Beschenktseins befreit von einer übermäßigen Sorge, die einem die Haare ausfallen lässt.
Jesus will, dass wir mit dieser Zuversicht, Gottes geliebte Kinder zu sein und immer von ihm beschenkt zu werden, durch das Leben gehen. Diese Zuversicht macht unser Leben bunt und lässt die helle Sonne der Liebe Gottes durch unseren Alltag strahlen.
Dass ein solches Leben gelingen kann, setzt die Entscheidung voraus, wen ich zum Herrn meines Lebens mache.

Der Habsüchtige, der mit dem Namen Christ bezeichnet wird, soll also darauf hören, dass er nicht gleichzeitig dem Reichtum und Christus dienen kann. Christus sagte jedoch nicht: Wer Reichtum besitzt, sondern: Wer dem Reichtum dient. Denn wer Sklave des Reichtums ist, wacht über seinen Reichtum wie ein Sklave. Wer aber das Joch des Reichtums abgelegt hat, verteilt ihn wie ein Herr. (Hieronymus)
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Gottes Liebe
Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern?
Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen! (Mt 6,25-30)

Flower-Power und einfach so in den Tag hineinleben, das ist es sicher nicht, was Jesus meint, wenn er zu uns sagt: Sorgt euch nicht ... und uns die Schönheit der Natur, die ganz von alleine ihre ganze Pracht hervorbringt, vor Augen stellt. Schaut auf die Lilien...
Wenn Jesus uns zur Sorglosigkeit gegenüber den irdischen Dingen aufruft, so meint er damit nicht, dass wir in bitterer Armut leben sollen. Christliches Leben bedeutet nicht, dass wir uns überhaupt nicht mehr mit den Angelegenheiten dieser Welt beschäftigen sollen. Das Leben ist wichtig und auch der Leib ist wichtig. Der Mensch braucht zum Leben eine funktionierende Gesellschaft, in der auch für die täglichen Bedürfnisse der Menschen gesorgt ist. Es ist Aufgabe der Christen, sich in diese Gesellschaft einzubringen.
Christen sind keine weltfremden Menschen, die sich aus dem Leben zurückziehen. Jesus sagt ja nicht: "Lebt wie die Vögel, die weder säen, noch ernten, noch Vorräte in Scheunen sammeln." Jesus will uns vielmehr sagen: Schaut auf die Vögel, schaut auf die prächtigen Blumen. Die Vögel überleben, die Blumen wachsen immer wieder neu, obwohl sie selbst nichts dazu tun, das ist der Kreislauf der Natur, die von Gott so wunderbar geschaffen worden ist. Ihr Menschen aber habt Verstand und wisst euch die Natur nutzbar zu machen. Vergesst dabei aber nicht, dass ihr von dem lebt, was Gott geschaffen hat. Ihr könnt nur ernten, wenn Gott der Saat immer wieder das Wachstum gibt. Ihn, den Schöpfer von allem, sollt ihr vor allem ehren. Seht alles als Geschenk Gottes an und gebraucht es mit euren Fähigkeiten in Dankbarkeit. Dann wird Gott euch immer alles Nötige zukommen lassen.

Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht.
Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben. Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage. (Mt 6,31-34)

Es gibt etwas, das wichtiger ist als Leben und Leib, als alles, was wir auf Erden haben können. Es kommt darauf an, dass der Mensch zu Gott findet, sonst ist sein ganzes Leben sinnlos. Der Glaube an Gott gibt dem Menschen die Gewissheit, dass er nicht vergebens hier auf Erden ist und dass sein Leben zu einem guten Ziel führen wird. Wichtiger als alle Sorge um den Lebensunterhalt ist unser Vertrauen auf Gott, unsere dankbare Antwort auf seine Liebe. Jesus will, dass wir ganz auf Gott vertrauen, dass wir ihm unser Leben schenken, wie auch immer das aussehen mag.
Wir sind dazu aufgerufen, das Reich Gottes auf Erden sichtbar zu machen, indem wir den Willen Gottes tun und so leben, dass in unserem Leben und Tun Gott erkennbar wird. Wenn auf Erden der Wille Gottes geschieht, hat der Mensch einen Teil des verlorenen Paradieses zurück gewonnen. Adam und Eva konnten sorglos leben im Einklang mit Gott und der Natur. Dieses sorglose Leben hat der Mensch durch die Sünde zerstört. Fortan muss er sich mühsam seinen Lebensunterhalt verdienen. Der in Christus erlöste Mensch kann aber mit einer neuen Sorglosigkeit an diese Mühen des Alltags gehen. Er weiß sich ganz in Gottes Hand. Er weiß, dass Gott seinem Tun Gelingen schenken wird, über seine eigenen Fähigkeiten hinaus.
Vertrauen wir auf Gott, von dem alles kommt, was wir sind und haben, geben wir ihm die Ehre und übergeben wir ihm unser Leben. Vertrauen wir darauf, dass Gott uns in unserem Leben immer führt und uns das schenken wird, was wir brauchen.
Henri Nouwen sagt dazu:

Oft bekommt man zu hören: "Mach dir keine Sorgen. Das wird schon wieder." Aber wir machen uns trotzdem Sorgen und können nicht einfach deshalb damit aufhören, weil uns das jemand ausreden will.
Es gehört zu den schmerzlichen Erfahrungen unseres Lebens, dass wir uns ziemlich viele Sorgen machen: um unsere Kinder, unsere Bekannten, unseren Ehepartner, unseren Arbeitsplatz, unsere Zukunft, unsere Familie, unser Land, unsere Welt.
Wir machen uns viele Sorgen und leiden deshalb auch viel. Wir möchten gern dieses Sorgen abstellen, wissen aber nicht, wie das gehen soll. Können wir irgendetwas tun, um uns weniger Sorgen zu machen und mehr im Frieden zu sein? Wie können wir unser Herz und unseren Geist so einstellen, dass sie nicht nutzlose Zeit und Energie mit diesem ängstlichen Gegrübel verschwenden, mit dem wir uns innerlich im Kreis drehen?
Jesus sagt: "Euch muss es zuerst um das Reich Gottes gehen." Das gibt uns einen Hinweis, in welcher Richtung die Lösung liegen könnte.

Die Bergpredigt leben heißt, sich als geliebtes Kind des Vaters im Himmel zu erfahren, der seinen Kindern immer das gibt, was sie zum Leben brauchen.