Eine der bekanntesten Darstellungen der Heiligsten Dreifaltigkeit ist die Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rublev. Sie ist eine Einladung, hineinzutreten in den heiligen Kreis der Dreifaltigkeit. Das Vorbild der Ikone ist der Besuch der drei Engel bei Abraham an der Eiche von Mamre (Gen 18). Diese Stelle wird seit jeher als alttestamentliche Offenbarung der Dreifaltigkeit gedeutet. Dazu sagt Henri Nouwen:
Das Erscheinen der Engel ist das Vorbild der göttlichen Sendung, dass Gott uns seinen einzigen Sohn schickt, um ihn für unsere Sünden hinzugeben, und uns neues Leben durch den Geist verleiht. ... Das Kalb, das Abraham den Engeln vorsetzte, wird zum Opferlamm, von Gott erwählt vor der Erschaffung der Welt. ... Dieses Opferlamm ist die Mitte der Ikone.
Die drei göttlichen Engel der Ikone sind nach einer verbreiteten Interpretation in ein ewiges Gespräch vertieft, das nur eines zum Inhalt hat: die Erlösung des Menschen. Wir können den dreifaltigen Gott in seinem Gott-Sein nie vollkommen erkennen. Was wir von ihm sehen, ist sein Heilswirken an den Menschen, durch das er sich als ein Gott der Liebe offenbart. Die Liebe Gottes wird am deutlichsten sichtbar durch das Erlösungswerk Jesu Christi, sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung zu unserem Heil. Wie Jesus Christus es verheißen hat, wirkt der Heilige Geist sein Werk auf Erden fort.
So erkennen wir auch das Heilszeichen der Christen, das Kreuz, in dieser Ikone wieder. Lebensbaum, Gottes Sohn (mittlerer Engel), Schale mit Lamm und die rechteckige Vertiefung im Tisch, die Symbol für die Welt ist, stellen den Längsbalken dar, das Wirken Gottes hin zu uns Menschen. Die Köpfe von Vater und Heiligem Geist (linker und rechter Engel) bilden den Querbalken. Gott ruht in sich und doch geht sein Heilswirken aus dieser Ruhe hinaus auf uns Menschen zu. Zugleich werden wir durch Gottes Heilswirken hinein genommen in den Kreis der Ruhe, die die göttlichen Personen umgibt. Gott nimmt uns hinein in seine Liebe und schützt uns vor allen Ängsten der Welt und der Macht der Finsternis.
Im Haus Gottes leben ist jedoch nicht nur ein Schutz vor einer Welt voller Ängste, sondern auch die Offenbarung der verborgenen Schönheit Gottes. Rublevs Ikone lässt uns einen ersten ahnenden Blick auf diese unsagbare Schönheit tun. (Henri Nouwen)
Untersuchungen haben ergeben, dass der Ikone Rublevs in der Ikonostase der Kirche, in der jede Ikone ihren festen Platz hat, der Platz der Pfingstikone zugedacht war. Es ist der Heilige Geist, der uns hinein nimmt in das Wirken der Dreifaltigkeit und uns Gottes Liebe offenbart. Mit der Taufe erhalten wir Anteil an Gottes Erlösungswerk. Der Heilige Geist ist es, der uns an alles erinnert, was Jesus Christus getan und gelehrt hat.
So können wir die enge Verbindung herstellen zwischen dem Pfingstfest und dem Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit. Wenn wir so das Wesen des dreifaltigen Gottes bedenken, können wir auch erkennen, dass es sich dabei nicht um weltfremde theologische Spekulationen handelt, sondern dass die Lehre von einem dreifaltigen Gott zutiefst praktisch fundiert ist. Nur der drei-eine Gott ist der Gott, von dem wir vollkommene Liebe und ewiges Heil erhoffen dürfen.
Die selige Elisabeth von der Heiligsten Dreifaltigkeit bringt unsere Sehnsucht nach dem vollkommenen Eintreten in den Kreis des göttlichen Heils in einem Gebet zum Ausdruck:
O mein Gott, Dreifaltigkeit die ich anbete! Hilf mir, mich selbst ganz zu vergessen, um mich ganz in dir zu gründen, unwandelbar und friedvoll, so als wäre meine Seele bereits in der Ewigkeit. Nichts soll meinen Frieden stören können, nichts mich dazu bringen können, dich zu verlassen, o du mein unwandelbarer Gott. Vielmehr soll jede Minute mich weiter in die Tiefe deines Geheimnisses hineinführen! Schenke meiner Seele Frieden, mache sie zu deinem Himmel, zu deiner geliebten Wohnung und zum Ort deiner Ruhe. Möge ich dich dort nie verlassen, sondern voll und ganz dort sein, ganz wach in meinem Glauben, ganz anbetend und ganz mich hingebend an dein schöpferisches Handeln.
Noch kurze Zeit, dann seht ihr mich nicht mehr, und wieder eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich sehen. Da sagten einige von seinen Jüngern zueinander: Was meint er damit, wenn er zu uns sagt: Noch kurze Zeit, dann seht ihr mich nicht mehr, und wieder eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich sehen? Und was bedeutet: Ich gehe zum Vater? Sie sagten: Was heißt das: eine kurze Zeit? Wir wissen nicht, wovon er redet. Jesus erkannte, dass sie ihn fragen wollten, und sagte zu ihnen: Ihr macht euch Gedanken darüber, dass ich euch gesagt habe: Noch kurze Zeit, dann seht ihr mich nicht mehr, und wieder eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich sehen. Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet bekümmert sein, aber euer Kummer wird sich in Freude verwandeln. Wenn die Frau gebären soll, ist sie bekümmert, weil ihre Stunde da ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. So seid auch ihr jetzt bekümmert, aber ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen und niemand nimmt euch eure Freude. An jenem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen. Amen, amen, ich sage euch: Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben. Bis jetzt habt ihr noch nichts in meinem Namen erbeten. Bittet und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist.
Dies habe ich in verhüllter Rede zu euch gesagt; es kommt die Stunde, in der ich nicht mehr in verhüllter Rede zu euch spreche, sondern euch offen den Vater verkünden werde. An jenem Tag werdet ihr in meinem Namen bitten und ich sage nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde; denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt und weil ihr geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin. Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. Da sagten seine Jünger: Jetzt redest du offen und sprichst nicht mehr in Gleichnissen. Jetzt wissen wir, dass du alles weißt und von niemand gefragt zu werden brauchst. Darum glauben wir, dass du von Gott gekommen bist.
Jesus erwiderte ihnen: Glaubt ihr jetzt? Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der ihr versprengt werdet, jeder in sein Haus, und mich werdet ihr allein lassen. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt. (Joh 16,16-33)