Agostelgesch. 18,1-18

Korinth

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Aquila und Priska
Hierauf verließ Paulus Athen und ging nach Korinth. Dort traf er einen aus Pontus stammenden Juden namens Aquila, der vor Kurzem aus Italien gekommen war, und dessen Frau Priscilla. Claudius hatte nämlich angeordnet, dass alle Juden Rom verlassen müssten. Diesen beiden schloss er sich an, und da sie das gleiche Handwerk betrieben, blieb er bei ihnen und arbeitete dort. Sie waren Zeltmacher von Beruf. (Apg 18,1-3)

Auf seiner zweiten Missionsreise kommt Paulus nach seiner Mission in Athen nach Korinth. Diese blühende Stadt, mit Einwohnern aus allen bekannten Völkern mit ihren verschiedenen Religionen, bot ein breites Missionsfeld. Zunächst sucht Paulus, wie in anderen Städten auch, die jüdische Gemeinde auf. Dort begegnet er Aquila und dessen Frau Priszilla (oder Priska), die ihn bei seiner weiteren Missionstätigkeit unterstützen werden.
Aquila und Priska/Priszilla sind griechisch-römische Namen, Aquila bedeutet Adler, Priszilla ist die Verkleinerungsform von Priska, "die Ehrwürdige". In den Paulusbriefen finden wir den Namen Priska, während Lukas in der Apostelgeschichte den Namen Priszilla verwendet. Oft wird Priska vor ihrem Mann Aquila genannt, was möglicherweise darauf hinweist, dass Priska eine bedeutendere Stellung hatte als ihr Mann. Ein schickliches "ladies first" wie heutzutage kannte man in der patriarchalisch ausgerichteten Gesellschaft der Antike nicht. Auf jeden Fall wird die große Wertschätzung des Apostels für das Ehepaar deutlich und deren wichtige Bedeutung für das Missionswerk des Paulus.
Priska und Aquila waren Juden. Aquila kam ursprünglich aus Pontus an der Südküste des Schwarzen Meeres, während Priska wahrscheinlich aus Rom stammte. Die beiden lebten als Ehepaar zusammen in Rom und sind höchstwahrscheinlich bereits dort zu Christen geworden. Wann die christliche Gemeinde in Rom genau entstanden ist und wer dort als erstes missioniert hat, wissen wir nicht mit Sicherheit. Paulus schreibt seinen Römerbrief bereits an eine christliche Gemeinde in Rom, um dieser vor seinem Besuch seine Lehre darzulegen. Wahrscheinlich ist die Gemeinde auch noch vor der Ankunft des Petrus entstanden, der ja bekanntlich in Rom gewirkt hat und dort das Martyrium erlitten hat. Bei der vielfältigen Reisetätigkeit im Römischen Reich und bei der Bedeutung Roms als Mittelpunkt des Reiches ist es nicht verwunderlich, wenn bereits kurze Zeit nach Jesu Tod Menschen aus Judäa oder Syrien nach Rom gekommen sind, die Jesus und die Urkirche kannten und den Glauben in Rom verkündet haben.
In Rom war es dann auch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Judenchristen gekommen, die den Kaiser Claudius im Jahr 49 dazu veranlasst haben, die Unruhestifter aus der Stadt zu weisen. Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet in seiner Vita der römischen Kaiser, dass Claudius die Juden aus Rom verwiesen hat, weil "sie wegen eines gewissen Chrestus Unruhen anzettelten." (Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.)
So mussten auch Priska und Aquila Rom verlassen und kamen nach Korinth, wo sie Paulus begegnet sind. Zufälligerweise übten sie das gleiche Handwerk aus wie dieser. Sie waren Zelttuchmacher, ein wie die meisten Handwerksberufe im Römischen Reich nicht sehr angesehener, dafür aber sehr anstrengender Beruf. Zelttücher brauchte man nicht nur für Zelte, wie sie unter anderem das Militär benutzte, sondern auch als Sonnenschutz für Marktstände oder Theater und Arenen. Paulus arbeitete mit den beiden zusammen. Er wird später im Ersten Korintherbrief (1Kor 4,12 und 9,15) darauf hinweisen, dass er sich in Korinth seinen Lebensunterhalt eigenhändig verdient hat, und nicht wie es manch andere Missionare tun und wie es einem Missionar auch zustehen würde, auf Kosten der Gemeinde gelebt hat.
Doch bald nachdem seine Mitarbeiter Silas und Timotheus eingetroffen sind, widmet sich Paulus ganz der Mission und wohnt nun im Haus eines gottesfürchtigen - das bedeutet dem Judentum nahestehenden - Heiden. Wegen entstehender Unruhen unter den Juden grenzt Paulus sich nun mehr und mehr von der Synagoge ab und wendet sich an die Heiden, was aber zu erneutem Streit mit den Juden führt, vor allem weil sich auch weiterhin Juden zum Christentum bekehrten und sich taufen lassen.

An jedem Sabbat redete er in der Synagoge und suchte Juden und Griechen zu überzeugen. Als aber Silas und Timotheus aus Mazedonien eingetroffen waren, widmete sich Paulus ganz dem Wort und bezeugte den Juden, dass Jesus der Christus sei. Als sie sich dagegen auflehnten und Lästerungen ausstießen, schüttelte er seine Kleider aus und sagte zu ihnen: Euer Blut komme über euer Haupt! Ich bin daran unschuldig. Von jetzt an werde ich zu den Heiden gehen. Und er ging von da in das Haus eines gewissen Titius Justus hinüber, eines Gottesfürchtigen, dessen Haus an die Synagoge grenzte.
Krispus aber, der Synagogenvorsteher, kam mit seinem ganzen Haus zum Glauben an den Herrn; und viele Korinther, die davon hörten, wurden gläubig und ließen sich taufen. Der Herr aber sagte nachts in einer Vision zu Paulus: Fürchte dich nicht! Rede nur, schweige nicht! Denn ich bin mit dir, niemand wird dir etwas antun. Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt.
So blieb Paulus ein Jahr und sechs Monate und lehrte bei ihnen das Wort Gottes. Als aber Gallio Prokonsul von Achaia war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf, brachten ihn vor den Richterstuhl und sagten: Dieser verführt die Menschen zu einer Gottesverehrung, die gegen das Gesetz verstößt.
Als Paulus etwas erwidern wollte, sagte Gallio zu den Juden: Läge hier ein Vergehen oder Verbrechen vor, ihr Juden, so würde ich eure Klage ordnungsgemäß behandeln. Streitet ihr jedoch über Lehre und Namen und euer Gesetz, dann seht selber zu! Darüber will ich nicht Richter sein. Und er wies sie vom Richterstuhl weg. Da ergriffen alle den Synagogenvorsteher Sosthenes und verprügelten ihn vor dem Richterstuhl. Gallio aber kümmerte sich nicht darum. (Apg 18,4-17)

Der Streit zwischen Paulus und den Juden eskaliert, so dass die Juden Paulus beim Prokonsul Gallio anzeigen. Mit Gallio haben wir eine historisch greifbare Person vor uns. Der Bruder des berühmten Philosophen Seneca war höchstwahrscheinlich von Mitte des Jahres 51 bis Mitte des Jahres 52 Prokonsul von Achaia, wie aus der in Delphi entdecken Gallio-Inschrift hervorgeht.
Gallio aber kümmert sich wenig um das Gezänk um die jüdische Religion. Dennoch ist nun ein Punkt erreicht, der es Paulus ratsam erscheinen lässt, Korinth zu verlassen, damit sein Missionswerk nicht durch die ständigen Auseinandersetzungen mit den Juden in Gefahr gerät. Den beiden Briefen des Paulus an die Korinther entnehmen wir aber, dass Paulus sehr darum kämpfen musste, den Frieden in der Gemeinde zu wahren. Auch ein weiterer Besuch des Apostels hat dazu geführt, dass sich die Spreu vom Weizen trennte und die Gemeinde den Weg einschlug, den Paulus für den richtigen hielt.

Paulus blieb noch längere Zeit. Dann verabschiedete er sich von den Brüdern und segelte zusammen mit Priscilla und Aquila nach Syrien ab. In Kenchreä hatte er sich aufgrund eines Gelübdes den Kopf kahl scheren lassen. (Apg 18,18)