Agostelgesch. 17,15-34

Paulus in Athen

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Apostelgeschichte 17
Die Begleiter des Paulus brachten ihn nach Athen. Mit dem Auftrag an Silas und Timotheus, Paulus möglichst rasch nachzukommen, kehrten sie zurück. Während Paulus in Athen auf sie wartete, wurde sein Geist von heftigem Zorn erfasst; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern. Er redete in der Synagoge mit den Juden und Gottesfürchtigen und auf dem Markt sprach er täglich mit denen, die er gerade antraf. (Apg 17,15-17)

Auf seinem Weg durch Griechenland stößt Paulus mit seinen Begleitern Silas und Timotheus immer wieder auf Widerstand. Wenn er in eine Stadt kommt, wendet er sich zunächst an die Juden und den ihnen nahestehenden Gottesfürchtigen. In nahezu allen größeren Städten gab es damals jüdische Gemeinden. Hier konnte Paulus bei seiner Verkündigung an die Heilige Schrift anknüpfen. Wenn aber die Rede darauf kam, dass sich die Schriften der Juden in Jesus Christus erfüllt haben, kam es leicht zu tumultartigen Szenen, Paulus wurde aus Gotteslästerer beschimpft und musste oft fluchtartig die Stadt verlassen. So kam er schließlich nach Athen, wo ihn seine Begleiter eine gewisse Zeit lang allein ließen. Auch hier wendet sich Paulus zunächst an die Juden, steht aber auch allen anderen Bewohnern als Gesprächspartner zur Verfügung und zieht bald die Aufmerksamkeit aller auf sich.
Die Stadt Athen hatte damals ihre politische Bedeutung verloren, die sie einst als mächtiger griechischer Stadtstaat gehabt hatte. Dennoch lebte ihr Ruhm als Stadt der Philosophen weiter und das Erbe der großen Philosophen wie Aristoteles, Platon und Epikur wurde hier weiter gepflegt. Doch trotz der differenzierten philosophischen Weltanschauung war auch der traditionelle Götterglaube in Athen fest verwurzelt und überall standen die Statuen dieser Götter. Griechische Bildhauerei war in der Antike berühmt, griechische Statuen besonders auch in Rom begehrt und noch heute können wir in vielen Museen solche antiken Statuen bewundern. Für Paulus aber waren sie keine wertvollen Kunstwerke, sondern erregten vor allem seinen Zorn. Wie viele Juden hatte er eine tiefe Verachtung gegenüber der heidnischen Vielgötterei.

Einige von den epikureischen und stoischen Philosophen diskutierten mit ihm und manche sagten: Was will denn dieser Schwätzer? Andere aber: Er scheint ein Verkünder fremder Gottheiten zu sein. Denn er verkündete das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung. (Apg 17,18)

Die Schule Epikurs und die Stoa waren die beiden bedeutendsten Philosophenschulen und werden daher hier auch explizit genannt. Es würde zu weit führen, hier die Lehre dieser Schulen und deren geschichtliche Entwicklung genauer zu beschreiben. Sie soll daher nur kurz skizziert werden. Die Epikureer suchten nach der wahren Lebensfreude, die in einem Genuss besteht, der den Menschen nicht verzehrt, sondern zur Seelenruhe führt. Die Götter werden nicht in Frage gestellt, sind aber letztlich irrelevant und das Leben des Menschen endet mit dem Tod. Die Stoa hingegen betont das Erfülltsein der Welt von göttlicher Vernunft und Vorsehung, nach der sich auch der Mensch auszurichten hat. Sie lehrt ein tugendhaftes Leben und glaubt an den Fortbestand der menschlichen Seele nach den Tod.
Die Athener alle sind stolz auf ihre Philosophen und können der Lehre des Paulus nichts abgewinnen. Sie halten Paulus für einen Schwätzer, wörtlich übersetzt einen "Samenkörneraufleser", der sich aus verschiedenen Lehren seinen Glauben zusammengebastelt hat. Möglicherweise halten sie die Lehre von Jesus und der Auferstehung, der Anastasis, für ein neuartiges Götterpaar, das Paulus einführen will. Paulus mag in seiner Ausbildung die Grundlagen griechischer Philosophie gelernt haben, aber das Argumentieren fällt ihm hier natürlich viel schwerer, weil er nicht wie bei den Juden an die Heilige Schrift anknüpfen kann, die er in und auswendig kennt. Aber er muss vor den Philosophen und anderen Interessierten seine Lehre öffentlich darlegen. Und zwar an keinem geringeren Ort als dem Areopag, auf dem die Athener seit alters her ihre Versammlungen abhalten.

Sie nahmen ihn mit, führten ihn zum Areopag und fragten: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du vorträgst? Du bringst uns recht befremdliche Dinge zu Gehör. Wir wüssten gern, worum es sich handelt. Alle Athener und die Fremden dort taten nichts lieber, als die letzten Neuigkeiten zu erzählen oder zu hören. (Apg 17,19-21)

Nach der Einladung der Bürger Athens beginnt Paulus mit seiner Rede. Sie gehört zu den drei großen Paulusreden, die uns die Apostelgeschichte überliefert. Sie ist natürlich keine Mitschrift der originalen Rede des Paulus, sondern wurde von Lukas zusammengestellt und soll den Kern dessen widergeben, was Paulus den Athenern zu sagen hatte.

Da stellte sich Paulus in die Mitte des Areopags und sagte: Männer von Athen, nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromm. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. (Apg 17,22-23)

Paulus beginnt seine Rede mit einer Captatio Benevolentiae, einer den Zuhörern schmeichelnden Einleitung, mit denen er ihre Aufmerksamkeit gewinnen will. Er bezeichnet sie als fromm. Damit gibt er zugleich an, worum es in seiner Rede geht. Er will vom Glauben sprechen und zwar von einem Glauben an einen den Athenern fremden Gott, den sie aber doch bereits ohne es zu wissen kennen. Sie verehren ihn bereits auf dem Altar für unbekannte Götter (Lukas macht daraus einen Singular, damit das Argument der Rede besser greifen kann). Es ist der Gott, der die Welt erschaffen hat und der die ganze Welt mit seinem Walten durchzieht. Möglicherweise mag das besonders die Anhänger der Stoa angesprochen haben, die ja an ein solches göttliches Wirken glaubten, das sich deutlich vom eher primitiven Wirken der traditionellen griechischen Götter unterschied.

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Hl. Schrift
Der Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. Er lässt sich auch nicht von Menschenhänden dienen, als ob er etwas brauche, er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt. Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir; wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seinem Geschlecht. (Apg 17,24-28)

Im Zentrum seiner Rede zitiert Paulus den griechischen Philosophen Aratos und will damit zeigen, dass die biblische Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen ihre Entsprechung bei den Philosophen findet. Nicht die menschengemachten Götterstatuen sind Bilder Gottes, sondern der Mensch ist das Bild Gottes. Darum ist Gott selbst Mensch geworden und hat uns so gezeigt, wie der Mensch leben soll, um dieser Würde gerecht zu sein. Ziel des menschlichen Lebens ist es, durch die Auferstehung ewig bei Gott zu sein.
Diese Thesen sind dann doch zu viel für die Ohren der Athener. Viele lehnen Paulus ab. Aber es entsteht kein Tumult, wie es bei ähnlichen Reden vor Juden oft der Fall ist. Paulus konnte mit seinen Argumenten einfach nicht überzeugen und daher bleiben viele lieber bei ihren Auffassungen, aber einige wenige konnte Paulus doch ansprechen.

Da wir also von Gottes Geschlecht sind, dürfen wir nicht meinen, das Göttliche sei wie ein goldenes oder silbernes oder steinernes Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung. Gott, der über die Zeiten der Unwissenheit hinweggesehen hat, gebietet jetzt den Menschen, dass überall alle umkehren sollen. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird, durch einen Mann, den er dazu bestimmt und vor allen Menschen dadurch ausgewiesen hat, dass er ihn von den Toten auferweckte. Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, spotteten die einen, andere aber sagten: Darüber wollen wir dich ein andermal hören. So ging Paulus aus ihrer Mitte weg. Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der Areopagit, außerdem eine Frau namens Damaris und noch andere mit ihnen. (Apg 17,29-34)

In Bezug auf den hier genannten Dionysius kam es zu einer folgenschweren, bis in unsere Zeit hinein nachwirkenden Verwechslung. Der Legende zufolge soll dieser Dionysius der erste Bischof von Athen gewesen sein und dort um das Jahr 95 das Martyrium erlitten haben. Nach einer anderen Überlieferung aber kam Dionysius nach Rom und wurde dort von Papst Clemens nach Gallien entsandt. Er predigte in der Gegend von Paris, wurde der erste Bischof dieser Stadt, und erlitt dort das Martyrium. Er ist einer der großen Stadtpatrone von Paris und es nimmt nicht wunder, dass diese Version besonders durch den Abt Hilduin von St. Denis im 9. Jahrhundert verbreitet wurde, als die Stadt Paris und das damals noch vor seinen Toren gelegene Kloster St. Denis eine große Blüte erlebten. Als der umstrittene Theologe Abaelard im 12. Jahrhundert diese Legende vor den Mönchen von St. Denis offen kritisiert, jagen ihn diese aus der Stadt. Die Verwirrung wird aber komplett, als schließlich auch noch der der um das Jahr 500 unter dem Pseudonym Dionysius Areopagita schreibende Kirchschriftsteller, der uns ansonsten in seiner Person unbekannt ist, mit dem Paulusschüler Dionysius und erstem Bischof von Paris gleichgesetzt wurde.
Rein historisch wissen wir so gut wie nichts über Dionysius und Damaris, die hier genannt werden, und auch die Entwicklung der Gemeinde von Athen bleibt im Dunkeln. Was die griechische Philosophie angeht, mit der Paulus hier erste Dispute führt, so wird bald ein intensiver Austausch einsetzen, der das Christentum einerseits von der heidnischen Philosophie abgrenzt, durch den aber auch philosophisches Gedankengut ins Christentum Eingang findet. Zwar wurde die letzte Philosophenschule von Athen in 6. Jahrhundert unter Kaiser Justinian I. geschlossen, doch werden die Lehren vieler antiker Philosophen bis heute unterrichtet und insbesondere Platon und Aristoteles gelangten auch im Christentum zu hoher Wertschätzung.