Joel 3,1-4,21

Kommendes Heil

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Joel
Danach aber wird Folgendes geschehen: Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer haben Visionen. Auch über Knechte und Mägde werde ich meinen Geist ausgießen in jenen Tagen. (Joel 3,1-2)

Das kurze 3. Kapitel des Buches Joel beschreibt die Ausgießung des Geistes Gottes über das Volk. Das Alte Testament kennt zwar das Wirken des Geistes Gottes, der als göttliche Kraft verstanden wird, sein Wirken im Menschen bleibt aber auf Propheten und Anführer beschränkt. Beim Auszug aus Ägypten gab es eine Situation, in der Gottes Geist über die Ältesten kommt. Damals hat Mose den Wunsch geäußert:

Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte! (Num 11,29)

Das Volk aber tat sich schwer damit, den Willen Gottes zu erfüllen und seinen Geist wirken zu lassen. Erst am Pfingsttag erfüllt sich die Weissagung in ihrer ganzen Fülle, wenn der Geist Gottes auf alle kommt, die an Jesus Christus glauben. Jesus Christus ist es auch, der nach seiner Rückkehr zum Vater den Heiligen Geist sendet, damit er seine Jünger im Glauben und in der Weisheit stärkt.

Ich werde wunderbare Zeichen wirken am Himmel und auf der Erde: Blut und Feuer und Rauchsäulen. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und schreckliche Tag. Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet. Denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem gibt es Rettung, wie der Herr gesagt hat, und wen der Herr ruft, der wird entrinnen. (Joel 3,3-5)

Relativ unvermittelt schwenkt der Blick des Propheten von der Geistausgießung auf den "großen und schrecklichen" Tag des Herrn. Gott ruft zu einem Kampf unter den Völkern, wie man ihn bisher noch nicht gesehen hat. Vielleicht denkt der Prophet hierbei an die Invasionsarmeen, die Israel und Juda erobert haben. Er ist davon überzeugt, dass es einmal einen Kampf geben wird, aus dem Israel und Juda als Sieger hervorgehen.

Denn seht, in jenen Tagen, in jener Zeit, wenn ich das Geschick Judas und Jerusalems wende, versammle ich alle Völker und führe sie hinab zum Tal Joschafat; dort streite ich im Gericht mit ihnen um Israel, mein Volk und meinen Erbbesitz. Denn sie haben es unter die Völker zerstreut und mein Land aufgeteilt. Sie haben über mein Volk das Los geworfen, einen Knaben haben sie der Dirne als Lohn gegeben und Mädchen für Wein verkauft, um zu zechen. Und auch ihr, Tyrus und Sidon, und alle ihr Gaue der Philister, was wollt ihr von mir? Wollt ihr mir vergelten, was ich euch angetan habe? Oder wollt ihr mir selbst etwas antun? Leicht und schnell lasse ich eure Taten auf euch selbst zurückfallen. Denn ihr habt mein Silber und Gold genommen und meine kostbaren Schätze in eure Paläste gebracht. Ihr habt die Kinder Judas und Jerusalems an die Jawaniter verkauft, um sie aus ihrer Heimat zu entfernen. Seht her, ich lasse sie aufbrechen von dem Ort, wohin ihr sie verkauft habt, und lasse eure Taten auf euch selbst zurückfallen. Und ich verkaufe eure Söhne und Töchter an die Kinder Judas und diese verkaufen sie weiter an die Sabäer, ein Volk in weiter Ferne. Ja, der Herr hat gesprochen. Ruft den Völkern zu: Ruft einen Krieg aus! Lasst eure Kämpfer aufbrechen! Alle Krieger sollen anrücken und heraufziehen.
Schmiedet Schwerter aus euren Pflugscharen und Lanzen aus euren Winzermessern! Der Schwache soll sagen: Ich bin ein Kämpfer. Eilt alle herbei, versammelt euch, ihr Völker ringsum! Dorthin führe, Herr, deine Kämpfer hinab! Die Völker sollen aufbrechen und heraufziehen zum Tal Joschafat. Denn dort will ich zu Gericht sitzen über alle Völker ringsum. Schwingt die Sichel; denn die Ernte ist reif. Kommt, tretet die Kelter; denn sie ist voll, die Tröge fließen über. Denn ihre Bosheit ist groß. Getöse und Getümmel herrscht im Tal der Entscheidung; denn der Tag des Herrn ist nahe im Tal der Entscheidung. Sonne und Mond verfinstern sich, die Sterne halten ihr Licht zurück. Der Herr brüllt vom Zion her, aus Jerusalem lässt er seine Stimme erschallen, sodass Himmel und Erde erbeben. Doch für sein Volk ist der Herr eine Zuflucht, er ist eine Burg für Israels Söhne. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr, euer Gott, bin und dass ich auf dem Zion wohne, meinem heiligen Berg. Jerusalem wird heilig sein, Fremde werden nie mehr hindurchziehen. (Joel 4,1-17)

Joel kehrt das Friedenswort "Pflugscharen aus Schwertern" um, indem nun wieder die Kriegswaffen die Oberhand gewinnen. Das Land muss mit allen verfügbaren Mitteln verteidigt werden. Solche Worte stoßen in heutiger Zeit nach den Erfahrungen zweier Weltkriege und vieler anderer grausamer und verlustreicher Kriege im 20. Jahrhundert zu Recht auf Kritik. Die Erinnerung ist noch lebendig, als Kirchenglocken und andere friedliche Gegenstände eingeschmolzen wurden, um aus ihnen Kriegsmaterial zu produzieren und als man zu schwachen Kindern sagte: ihr seid Kämpfer! und die an die Front schickte.
Wir bemühen uns heute wahrscheinlich mehr als je zuvor um den Frieden, aber noch nie besaß die Menschheit so grausame Waffen wie heute und trotz aller Bemühungen gibt es täglich Kriege irgendwo auf der Erde. Als Außenstehende fällt es uns schwer, die Machenschaften der Kriegstreiber zu durchschauen und wir erkennen, dass selbst Regierungen, die in ihrer Heimat für den Frieden eintreten, an fernen Orten irgendwie an Kriegen beteiligt sind.
Werden die Kriege je ein Ende haben? Auch wenn wir uns hier um Frieden bemühen, stehen andernorts neue Aggressoren auf. Frieden ist immer wieder bedroht. Die Wahrung des Friedens muss unser erstes Ziel sein, aber wir dürfen nicht in einer gewissen Naivität erwarten, dass wir den Frieden allein mit Worten verteidigen können. Frieden braucht auch Stärke, um sich zu verteidigen, vor allem auch geistige und moralische Stärke, die sich nicht auf das niedrige Niveau der Kriegstreiber begibt.
In der Heiligen Schrift begegnet uns vor allem in apokalyptischen Texten immer wieder das Motiv von einem endzeitlichen Krieg Gottes und seiner Getreuen gegen die feindlichen Völker. Ezechiel hat die Vision vom Kampf Gottes gegen Gog und Magog (Ez 38-39), die sich ähnlich auch in der Offenbarung des Johannes (Offb 20) findet. Der in Offb 16,16 genannte Ortsname Harmagedon mit seinem unheilvollen Klang wurde zum Synonym für diese Endschlacht, die auch die Phantasie vieler Schriftsteller beflügelt hat.

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Joel

Die Heilige Schrift selbst ist vom Krieg durchzogen. In früheren Gesellschaften war der Krieg eine immer wiederkehrende Realität. Oft waren es regional begrenzte Fehden unter Stammesführern, später traten dann die Großmächte auf, Assyrer, Babylonier, Perser, später Griechen und Römer, und die Kriege bekamen immer größere Dimensionen. Immer wieder treffen Plünderung, Verwüstung, Misshandlung oder Verschleppung auch die unbeteiligten Zivilpersonen.
So bestimmt die Sehnsucht nach Frieden die ganze Heilige Schrift und diese Botschaft vom Frieden ist wirkmächtiger als die Worte vom Krieg, die sich in der Heiligen Schrift finden. Krieg ist immer eine Realität und daher taucht er auch in der Heiligen Schrift auf. Wer kann es Israel verdenken, dass es sich gegen die feindlichen Völker zur Wehr gesetzt hat und von einem Triumph über die feindlichen Völker geträumt hat, die es immer wieder unterdrückt haben.
Die wirklich starken Worte aber, die uns bis heute wichtig sind, sind die Friedensworte der Heiligen Schrift. Sie haben sich erfüllt in der Geburt Jesu Christi, die ein Zeichen des Friedens ist. Und so kommt es sicher auch nicht von Ungefähr, dass das Buch Joel nach seinen kriegerischen Worten mit einer Vision des Friedens endet:

Und es wird geschehen an jenem Tag: Da triefen die Berge von Wein, die Hügel fließen über von Milch und in allen Bächen Judas strömt Wasser. Eine Quelle entspringt im Haus des Herrn und tränkt das Schittim-Tal. Ägypten wird zur Wüste, Edom wird zur verödeten Steppe, wegen der Gewalttat an den Kindern Judas, in deren Land sie unschuldiges Blut vergossen. Juda aber wird für immer bewohnt sein und Jerusalem von Geschlecht zu Geschlecht, ich erkläre ihr Blut für unschuldig, das ich vorher nicht für unschuldig erklärte, und der Herr wohnt auf dem Zion. (Joel 4,18-21)

Es wird der Tag kommen, an dem Gott unter seinem Volk wohnt, wie er es seit Anbeginn der Schöpfung geplant hat. Er wird es von seinen Sünden befreien, die als Hindernis zwischen Gott und Mensch stehen. Das Land wird gesegnet sein und von Wasser, Milch und Honig triefen. Wasser steht für Fruchtbarkeit, Milch und Honig für überfließenden Reichtum, der ein Kennzeichen des Segens Gottes ist. Ganz bezeichnend hat die Kirche die ersten Worte dieser Vision für die erste Antiphon des ersten Adventssonntags gewählt. Sie macht damit deutlich: Diese Heilszeit ist nun da, Gott spendet seinen Segen. In Jesus Christus ist Gott selbst unter seinem Volk gegenwärtig. In ihm beschenkt Gott sein Volk und die ganze Welt mit seinem Heil.