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Joel 1,2-2,27

Aufruf zur Buße

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Joel
Hört her, ihr Ältesten, horcht alle auf, ihr Bewohner des Landes! Ist so etwas jemals geschehen in euren Tagen oder in den Tagen eurer Väter? Erzählt euren Kindern davon und eure Kinder sollen es ihren Kindern erzählen und deren Kinder dem folgenden Geschlecht. Was der Grashüpfer übrig ließ, hat die Wanderheuschrecke gefressen; was die Wanderheuschrecke übrig ließ, hat die Larve gefressen; was die Larve übrig ließ, hat der Nager gefressen. (Joel 1,2-4)

Anlass für die Weissagung Joels ist eine Heuschreckenplage, bei der die ganze Ernte vernichtet wurde. Immer wieder kam es in den Ländern des Nahen Ostens in manchen Jahren zu einer plötzlichen Vermehrung von Heuschrecken, die dann in riesigen Schwärmen über das ganze Land herfielen und alles verschlangen, was auf ihrem Weg lag. Sie vernichteten die komplette Ernte und fraßen alles Grün. Auf eine solche Invasion folgte meist eine Hungersnot. Während wohlhabende Familien Getreide kaufen konnten, blieb der einfache Bevölkerung nicht einmal mehr das Nötigste zum Überleben.

Wacht auf, ihr Betrunkenen, und weint! Jammert alle, ihr Zecher! Euer Mund bekommt keinen Wein mehr zu trinken. Denn ein Volk zog heran gegen mein Land, gewaltig groß und nicht zu zählen; seine Zähne sind Zähne eines Löwen und sein Gebiss ist das einer Löwin. Es hat meinen Weinstock verwüstet, meinen Feigenbaum völlig verstümmelt. Abgeschält ließ es ihn liegen, die Zweige starren bleich in die Luft. Klagt wie eine Jungfrau im Trauergewand, die den Bräutigam ihrer Jugend beweint! Aus ist es mit dem Speiseopfer, mit dem Trankopfer im Haus des Herrn. Es trauern die Priester, die Diener des Herrn. Vernichtet ist das Feld, der Ackerboden trauert; denn vernichtet ist das Korn, vertrocknet der Wein, versiegt das Öl. Die Bauern sind ganz geschlagen, es jammern die Winzer; denn Weizen und Gerste, die Ernte des Feldes ist verloren. Der Weinstock ist dürr, der Feigenbaum welk. Granatbaum, Dattelpalme und Apfelbaum, alle Bäume auf dem Feld sind verdorrt; ja, verdorrt ist die Freude der Menschen. Legt Trauer an und klagt, ihr Priester! Jammert, ihr Diener des Altars! Kommt, verbringt die Nacht im Trauergewand, ihr Diener meines Gottes! Denn Speiseopfer und Trankopfer bleiben dem Haus eures Gottes versagt. (Joel 1,5-13)

Die Vernichtung der Ernte hat katastrophale Folgen für die ganze Bevölkerung. Wer bisher in Saus und Braus gelebt hat, kommt endlich zur Besinnung, weil es keinen Wein mehr gibt, mit dem er sich betrinken kann. Die einfachen Bauern aber sind völlig vernichtet und haben nichts mehr zum Leben. Trauer liegt über dem ganzen Land. Es können nicht einmal mehr die regelmäßigen Opfer im Tempel dargebracht werden. Aus diesem Anlass soll ein heiliges Fasten ausgerufen werden und eine gottesdienstliche Versammlung des ganzen Volkes stattfinden.

Ordnet ein heiliges Fasten an, ruft einen Gottesdienst aus! Versammelt die Ältesten und alle Bewohner des Landes beim Haus des Herrn, eures Gottes, und schreit zum Herrn: Weh, was für ein Tag! Denn der Tag des Herrn ist nahe; er kommt mit der Allgewalt des Allmächtigen. Vor unseren Augen wurde uns die Nahrung entrissen, aus dem Haus unseres Gottes sind Freude und Jubel verschwunden. Die Saat liegt vertrocknet unter den Schollen; die Scheunen sind verödet, die Speicher zerfallen; denn das Korn ist verdorrt. Wie brüllt das Vieh! Die Rinderherden irren umher, denn sie finden kein Futter; selbst die Schafherden leiden Not. Zu dir rufe ich, Herr; denn Feuer hat das Gras der Steppe gefressen, die Flammen haben alle Bäume auf dem Feld verbrannt. Auch die Tiere auf dem Feld schreien lechzend zu dir; denn die Bäche sind vertrocknet und Feuer hat das Gras der Steppe gefressen. (Joel 1,14-20)

Im folgenden Text wird der Einfall der Heuschrecken symbolisch gedeutet. Sie sind wie ein feindliches Heer, das über das ganze Land herfällt, das vor keinen Mauern halt macht und alles vernichtet. In solchen Schwärmen erscheinen die kleinen Heuschrecken gefährlicher als mächtige Schlachtrösser.

Auf dem Zion stoßt in das Horn, schlagt Lärm auf meinem heiligen Berg! Alle Bewohner des Landes sollen zittern; denn es kommt der Tag des Herrn, ja, er ist nahe, ein Tag des Dunkels und der Finsternis, ein Tag der Wolken und Wetter. Wie das Morgenrot, das sich über die Berge hinbreitet, kommt ein Volk, zahlreich und gewaltig groß, wie es vor ihm noch nie eines gab und nach ihm keines mehr geben wird bis zu den fernsten Geschlechtern. Vor ihm her fressendes Feuer, hinter ihm lodernde Flammen; vor ihm ist das Land wie der Garten Eden, hinter ihm schaurige Wüste - da gibt es keine Rettung. Wie Rosse sehen sie aus, wie Reiter stürmen sie dahin. Wie rasselnde Streitwagen springen sie über die Kuppen der Berge, wie eine prasselnde Feuerflamme, die die Stoppeln frisst, wie ein mächtiges Heer, gerüstet zur Schlacht. Bei ihrem Anblick winden sich Völker, alle Gesichter glühen vor Angst. Wie Kämpfer stürmen sie dahin, wie Krieger erklettern sie die Mauer. Jeder verfolgt seinen Weg, keiner verlässt seine Bahn. Keiner stößt den andern; Mann für Mann ziehen sie ihre Bahn. Mitten durch die Wurfspeere stürmen sie vor, ihre Reihen nehmen kein Ende. Sie überfallen die Stadt, erstürmen die Mauer, klettern an den Häusern empor, steigen durch die Fenster ein wie ein Dieb. Die Erde zittert vor ihnen, der Himmel erbebt; Sonne und Mond verfinstern sich, die Sterne halten ihr Licht zurück. Und der Herr lässt vor seinem Heer seine Stimme erschallen; ja, überaus zahlreich ist sein Heer, ja, gewaltig groß ist der Vollstrecker seines Befehls. Ja, groß ist der Tag des Herrn und voll Schrecken. Wer kann ihn ertragen? (Joel 2,1-11)

Der Prophet Joel sieht in der großen Heuschreckenplage ein Strafgericht Gottes. Gott hat sie angeführt. Der Tag der Katastrophe zeigt den Menschen, wie gewaltig einmal der Tag des Herrn sein wird. Jetzt sind die Menschen dem kompletten Untergang noch einmal entkommen. Wer aber wird jeden Tag des Herrn überleben, wenn er kommen wird, um die Erde zu richten? Daher sollen die Menschen angesichts des Schreckens Buße tun. Nur so werden sie gerettet und das Heil erfahren.

Auch jetzt noch - Spruch des Herrn: Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen! 13 Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld und es reut ihn das Unheil. (Joel 2,12-13)

Das Zerreißen der Kleider ist im jüdischen Kulturraum Zeichen für Trauer und Schmerz, es drückt die Trauer um des Verlust eines lieben Menschen aus, aber auch das Entsetzen über eine unheilvolle Situation.
Wir wissen, dass orientalische Menschen oft impulsiv sind und ihren Empfindungen durch laute Gesten Ausdruck verleihen, damals wie heute. Wir kennen aus den Nachrichten Szenen, wie eine Menschenmenge nach einem Unheilsereignis laut klagend um die Verwundeten und Toten herum steht. Bei uns sieht man bei ähnlichen Ereignissen die Menschen eher in betroffenem Schweigen erstarrt.
Es ist gut, wenn Menschen ihren Emotionen Ausdruck verleihen können. Es hilft, schmerzliche Situationen zu verarbeiten. Das Leid dringt nach außen und das kann dabei helfen, dass es den Menschen nicht von innen her auffrisst. Dennoch kann es vorkommen, dass ein nach außen sichtbarer starker emotionaler Ausdruck nichts anderes ist als eine Maske, ein eingeübtes Verhalten, das sich dem Handeln der Menge anschließt und nicht aus dem Herzen kommt. Man macht es einfach so, weil es so üblich ist. Auch die Gesten des Fastens, das Bestreuen mit Asche und das Anlegen von Bußgewändern können rein äußerliche Zeichen bleiben, wenn das, was mit diesen Gesten ausgedrückt wird, nicht wirklich das Herz erreicht.
Dies hat der Prophet Joel vor Augen. Er will, dass die Menschen wirklich von ganzem Herzen zu Gott umkehren, und nicht nur ein Schauspiel aufführen und dann doch so weiter leben wie bisher.

Wer weiß, vielleicht kehrt er um und es reut ihn und er lässt Segen zurück, sodass ihr Speise- und Trankopfer darbringen könnt für den Herrn, euren Gott. Auf dem Zion stoßt in das Horn, ordnet ein heiliges Fasten an, ruft einen Gottesdienst aus! Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde! Versammelt die Alten, holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge! Der Bräutigam verlasse seine Kammer und die Braut ihr Gemach. Zwischen Vorhalle und Altar sollen die Priester klagen, die Diener des Herrn sollen sprechen: Hab Mitleid, Herr, mit deinem Volk und überlass dein Erbe nicht der Schande, damit die Völker nicht über uns spotten! Warum soll man bei den Völkern sagen: Wo ist denn ihr Gott? (Joel 2,14-17)

Sicher hat das Volk allen Grund dazu, sich zu bekehren. Gott hat dem Volk Israel seine Gebote gegeben, aber sie zu halten fällt den Menschen schwer. Auch die Götter der Völker ringsum üben eine Anziehungskraft auf die Menschen aus und nicht selten wenden sich große Teile des Volkes vom Gott Israels ab und diesen Göttern zu. Die Folge ist, dass das Volk Israel dadurch in die Abhängigkeit der anderen Völker zu geraten und seine Eigenständigkeit zu verlieren droht. Kriege erschüttern das Land. Doch auch Ungerechtigkeit im Inneren, die Habgier der Reichen, die Unterdrückung der Armen, kann den Zorn Gottes hervorrufen.
Wenn das Volk durch ein solches Verhalten in eine missliche Lage gerät, treten oft Propheten auf, die zur Umkehr rufen. Sie führen dem Volk sein falsches Verhalten vor Augen und zeigen den Weg zu einer Versöhnung mit dem Gott, den sie verlassen haben. Wenn im Alten Testament von Fasten die Rede ist, dann dient ein solches oft dazu, Gott um Verzeihung für getanes Unrecht zu bitten und seine Hilfe in einer unheilvollen Situation zu erflehen. Durch Fasten machen die Menschen deutlich, dass sie sich ihres Fehlverhaltens bewusst sind und bereit sind, sich zu ändern. Es wird erwartet, dass Gott so von seinem gerechten Zorn ablässt und sich dem Volk wieder zuwendet.
Wahre Umkehr aber darf nicht bei den äußeren Zeichen stehen bleiben, sie muss vom Herzen kommen. Ein finsteres Gesicht und trübseliges Aussehen, Asche am Haupt und zerrissene Kleider allein sind noch kein Fasten. Die äußeren Zeichen taugen nur dann etwas, wenn sie wirklich Ausdruck geben von einer inneren Gesinnung.
Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider. Heute neigen wir eher dazu, alle äußerlichen Ausdrucksformen zu meiden, weil sie uns als Heuchelei ausgelegt werden könnten. Jeder wird schon in seinem Herzen das Rechte tun, denken wir. Aber ist das nicht genau das andere Extrem von dem, was Jesus und die Propheten anprangern? Ist es nicht oft so, dass dann, wenn die äußeren Formen wegfallen, am Ende gar nichts mehr bleibt?
Der richtige Weg ist wie immer ein gesundes Mittelmaß. Wir brauchen äußere Formen des Fastens. Sicher ist es bei uns nicht üblich, mit zerrissenen Kleidern und Asche auf dem Haupt durch die Straßen zu gehen. Wir müssen andere Formen des Fastens finden, Formen, die sich auch mit den Anforderungen unserer Gesellschaft und Arbeitswelt vereinbaren lassen. Es gilt einen Mittelweg zu finden, zwischen einem "zu wenig" und einem "zu viel". Wo kann ich verzichten, dass es ein wahrer Verzicht ist, der auch spürbar ist, aber mich doch auch nicht daran hindert, meinen alltäglichen Pflichten gerecht zu werden?br /> Sicher kann man erst einmal daran denken, seinen Konsum von Alkohol und Süßigkeiten einzuschränken. Doch man braucht nicht nur auf das Essen zu sehen. Es gibt heute so viele Dinge, die wir oft unnötig konsumieren. Die verschiedensten Medien liefern uns ständige Unterhaltungsmöglichkeiten. Kann ich vielleicht auf einen geliebten Fernsehfilm verzichten und stattdessen das Gespräch mit einem Menschen suchen - oder mir einmal Zeit nehmen, eine Bibelstelle zu betrachten?
Wenn wir so aufmerksam auf die Dinge unseres Alltags sehen, werden wir vielleicht so manche Abhängigkeiten entdecken, in die wir ganz unbemerkt geraten sind. Vieles hat im Laufe der Zeit vielleicht ganz unbewusst unsere Freiheit eingeschränkt. Das Fasten will uns zu mehr Freiheit führen. Viele wollen uns heute glauben machen, dass Gott unsere Freiheit einschränken möchte. Doch wenn wir Gott und seine Gebote in rechter Weise betrachten, so wollen sie uns gerade zu einem Leben in Freiheit führen. Das, was Gott von uns will, ist nichts anderes als das, wonach wir selbst im Tiefsten verlangen.
Fasten kann uns helfen, den Blick wieder frei zu bekommen für das Wesentliche, sie kann uns helfen, den Weg zu unserem Herzen frei zu räumen, damit Gott zu uns kommen kann. Manchmal ist unser Herz vielleicht verschlossen wie mit einem Korken. Den gilt es zu ziehen, dass der Lebenssaft fließen kann, der unser Leben frei und glücklich macht. Oft sind es auch Bosheiten und Groll, die unser Herz verschlossen halten. Wenn wir solche Steine in unserem Herzen nicht aufbrechen lassen - denn letztlich ist es oft nicht in unserer Macht, diese Steine zu zerstören, sondern sie können nur brechen, wenn wir sie offen und ehrlich Gott hinhalten und ihn um Verzeihung und Heilung bitten - dann schaden wir uns selbst.
Öffnen wir unsere Herzen für den, der sie mit dem Strom seiner Liebe füllen möchte.

Da erwachte im Herrn die Leidenschaft für sein Land und er hatte Erbarmen mit seinem Volk. Der Herr antwortete seinem Volk und sprach: Seht, ich sende euch Korn, Wein und Öl, damit ihr davon satt werdet. Ich gebe euch nicht mehr der Schande preis unter den Völkern. Den Feind aus dem Norden schicke ich weit von euch weg, ich treibe ihn in ein dürres, verödetes Land, seine Vorhut treibe ich zum östlichen Meer und seine Nachhut zum westlichen Meer. Dann erhebt sich ein Gestank, Verwesungsgeruch steigt von ihm auf, denn er hat sich gebrüstet. Fürchte dich nicht, Ackerboden! Freu dich und juble; denn der Herr hat Großes getan! Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Feld! Denn das Gras in der Steppe wird wieder grün, der Baum trägt seine Frucht, Feigenbaum und Weinstock bringen ihren Ertrag. Jubelt, ihr Kinder Zions, und freut euch über den Herrn, euren Gott! Denn er gibt euch Nahrung, wie es recht ist. Er schickt euch den Regen, Herbstregen und Frühjahrsregen wie in früherer Zeit. Die Tennen sind voll von Getreide, die Keltern fließen über von Wein und Öl. Ich ersetze euch die Ernten, die von der Wanderheuschrecke und der Larve, vom Nager und vom Grashüpfer gefressen wurden, von meinem großen Heer, das ich gegen euch sandte. Ihr werdet essen und satt werden und den Namen des Herrn, eures Gottes, preisen, der für euch solche Wunder getan hat. Mein Volk braucht sich nie mehr zu schämen. Dann werdet ihr erkennen, dass ich mitten in Israel bin und dass ich der Herr, euer Gott, bin, ich und sonst niemand. Mein Volk braucht sich nie mehr zu schämen. (Joel 2,18-27)

Tatsächlich erbarmt sich der Herr nach der aufrichtigen Buße des Volkes. Es wächst wieder Grün im Land, es gibt genug zu Essen. Gott verlässt sein Volk nicht und bleibt denen treu, die sich auf ihn verlassen.