Jesaja 1,2-31

Untreue und Strafe

.
Jesaja
Hört, ihr Himmel! Erde, horch auf! Denn der Herr spricht: Ich habe Söhne großgezogen und emporgebracht, doch sie sind von mir abgefallen.
Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht. (Jes 1,2-3)

Jesaja verkündet Gottes Wort, und das nicht nur für seine Zeitgenossen, sondern Himmel und Erde sind angesprochen und damit alle Generationen bis hin zu uns. Gott zeigt sich als Vater, der sich um seine Kinder sorgt. Doch sie kümmern sich nicht um ihn, sondern gehen ihre eigenen Wege. Dieser Abfall von Gott wird seinem Volk Schaden bringen und das ist der Grund dafür, warum Gott seine Propheten beruft, damit sie das Volk warnen und zur Umkehr rufen.
Die Hinwendung des Menschen zu Gott ist für Jesaja eine Selbstverständlichkeit. Er führt dazu das Beispiel von Ochse und Esel an. Diese als nicht sehr schlau bekannten Nutztiere lernen doch sehr schnell wer es ist, der ihnen ihr Futter bringt und sie hegt und pflegt und wenden sich ihm zu. Wir können leicht ausprobieren, wie anhänglich Tiere sein können, wenn man Futter für sie hat.
Der hl. Basilius der Große verwendet den Satz in einer leicht abgewandelten Form und fügt eine Erklärung an:

Ganz von selbst lieben der Ochs und der Esel ihren Ernährer, weil sie von ihm Gutes empfangen. ... Wieviel Grund zu wirklicher Freude bietet uns doch die Freigebigkeit Gottes! Wir sind ins Dasein gerufen, da wir noch nicht waren. Nach dem Bild des Schöpfers sind wir geschaffen. ... Hinzu kommt noch die Hoffnung auf die Auferstehung, auf die Teilnahme an den Gütern der Engel und auf das Himmlische Reich. ... Oder glaubst du vielleicht, der führe ein Leben voll Freude, der dem Bauche dient, sich an Musik ergötzt und sich schnarchend auf dem weichen Bett wälzt? (Basilius der Große)

Die Tiere erkennen ihren Herrn, die Menschen aber wollen Gott nicht anerkennen, der ihnen so viel Gutes erweist. Sie wählen lieber ein Leben nach ihrem eigenen Sinn. Doch Gott sehnt sich nach den Menschen. In ewiger Liebe ruft er jeden einzelnen stets neu. Das größte Zeichen der Liebe Gottes ist die Geburt seines Sohnes, die uns nicht ohne Grund in der Tradition geschildert wird im Stall von Betlehem, umgeben von Ochse und Esel. Weihnachten zeigt uns immer neu Gottes Liebe zu uns, wie er selbst sich uns schenken möchte, damit wir ihn erkennen und lieben und so selbst froh und glücklich werden und den Frieden erlangen, den Gott uns verheißen hat. So sagt auch Klaus Hemmerle:

Näher konnte Gott uns nicht kommen als in der Geburt seines Sohnes, der Mensch, der Kind werden wollte für uns.
Weh dem sündigen Volk, der schuldbeladenen Nation, der Brut von Verbrechern, den verkommenen Söhnen! Sie haben den Herrn verlassen, den Heiligen Israels haben sie verschmäht und ihm den Rücken gekehrt. (Jes 1,4)

Harte Worte gebraucht der Prophet gegenüber denjenigen, die den Ruf Gottes ignorieren. Hier hören wir zum ersten Mal den für Jesaja so typischen Gottesnamen "der Heilige Israels". Gott ist der ganz andere, dessen Wesen Heiligkeit, Gerechtigkeit und Güte umfasst. Aus dieser Heiligkeit Gottes resultiert sowohl das Gericht, denn er kann gerade weil er heilig ist, die Sünde nicht tolerieren, als auch seine immer neue Vergebungsbereitschaft, in der er das Volk reinigen und neu in seine Nähe ziehen will.

Wohin soll man euch noch schlagen? Ihr bleibt ja doch abtrünnig. Der ganze Kopf ist wund, das ganze Herz ist krank: Vom Kopf bis zum Fuß kein heiler Fleck, nur Beulen, Striemen und frische Wunden, sie sind nicht ausgedrückt, nicht verbunden, nicht mit Öl gelindert.
Euer Land ist verödet, eure Städte sind niedergebrannt. Fremde verzehren vor euren Augen den Ertrag eurer Äcker; verödet wie das zerstörte Sodom ist euer Land. Die Tochter Zion steht verlassen da wie eine Hütte im Weinberg, wie eine Wächterhütte im Gurkenfeld [wie eine belagerte Stadt]. Hätte der Herr der Heere nicht einen Rest für uns übrig gelassen, wir wären wie Sodom geworden, wir glichen Gomorra. (Jes 1,5-9)

Hier schildert der Prophet die Folgen der Abkehr von Gott. Diese betreffen nicht nur den Sünder selbst, sondern auch dessen Umgebung. Das Land verödet, aus fruchtbarem Boden wird trockene Wüste. Die Gegend des Vorderen Orients war in früheren Zeiten viel lebendiger, als wir es heute kennen. Sicher haben auch die vielen Kriege der biblischen Zeiten zur Verödung des Landes beigetragen. Wald wurde gerodet, extensive Landwirtschaft laugte den Boden aus. Ist es nicht das, was wir heute in den Ländern erleben, in denen es noch üppige Natur gibt? Regenwald wird vernichtet, die Meere sterben, Wüste breitet sich aus.
All das ist vom Menschen gemacht, durch Bevölkerungswachstum, durch die Industrialisierung, die uns so viele Vorteile und Wohlstand eingebracht hat. Aber ist es nicht auch die Gier nach immer mehr Profit, die zu diesen negativen Folgen für die ganze Erde führt? Könnten durch mehr Gerechtigkeit und weniger Profit für einige Wenige, durch ein nachhaltiges Wirtschaften und die Sorge um die Armen diese negativen Auswirkungen gemindert werden?
Unverhältnismäßiges Profitstreben, Gier, Ausbeutung von Mensch und Natur, all das ist Sünde und richtet sich somit nicht nur gegen Menschen, sondern gegen Gott. Hören wir heute auf die Worte der Propheten? Wo wird es hinführen, wenn wir sie nicht hören und die Sünde immer größer wird?

Hört das Wort des Herrn, ihr Herrscher von Sodom! Vernimm die Weisung unseres Gottes, du Volk von Gomorra! Was soll ich mit euren vielen Schlachtopfern?, spricht der Herr. Die Widder, die ihr als Opfer verbrennt, und das Fett eurer Rinder habe ich satt; das Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke ist mir zuwider. Wenn ihr kommt, um mein Angesicht zu schauen - wer hat von euch verlangt, dass ihr meine Vorhöfe zertrampelt? Bringt mir nicht länger sinnlose Gaben, Rauchopfer, die mir ein Gräuel sind. Neumond und Sabbat und Festversammlung - Frevel und Feste - ertrage ich nicht. Eure Neumondfeste und Feiertage sind mir in der Seele verhasst, sie sind mir zur Last geworden, ich bin es müde, sie zu ertragen. Wenn ihr eure Hände ausbreitet, / verhülle ich meine Augen vor euch. Wenn ihr auch noch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller Blut.
Wascht euch, reinigt euch! Lasst ab von eurem üblen Treiben! Hört auf, vor meinen Augen Böses zu tun! Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für die Witwen! (Jes 1,10-17)
Kommt her, wir wollen sehen, wer von uns Recht hat, spricht der Herr. Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee. Wären sie rot wie Purpur, sie sollen weiß werden wie Wolle. Wenn ihr bereit seid zu hören, sollt ihr den Ertrag des Landes genießen. Wenn ihr aber trotzig seid und euch weigert, werdet ihr vom Schwert gefressen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen. (Jes 1,18-20)
Ach, sie ist zur Dirne geworden, die treue Stadt. Einst war dort das Recht in voller Geltung, die Gerechtigkeit war dort zu Hause, jetzt aber herrschen die Mörder. Dein Silber wurde zu Schlacke, dein Wein ist verwässert. Deine Fürsten sind Aufrührer und eine Bande von Dieben, alle lassen sich gerne bestechen und jagen Geschenken nach. Sie verschaffen den Waisen kein Recht, die Sache der Witwen gelangt nicht vor sie.
Darum - Spruch Gottes, des Herrn der Heere, des Starken Israels: Weh meinen Gegnern, ich will Rache nehmen an ihnen, mich rächen an meinen Feinden. Ich will meine Hand gegen dich wenden, deine Schlacken will ich mit Lauge ausschmelzen, all dein Blei schmelze ich aus. Ich will dir wieder Richter geben wie am Anfang und Ratsherrn wie zu Beginn. Dann wird man dich die Burg der Gerechtigkeit nennen, die treue Stadt. Zion wird durch das Recht gerettet, wer dort umkehrt, durch die Gerechtigkeit.
Doch alle Abtrünnigen und Sünder werden zerschmettert. Wer den Herrn verlässt, wird vernichtet. Ihr werdet in Schande stürzen wegen der Eichen, die euch gefallen, und werdet euch schämen wegen der (heiligen) Haine, die ihr so gern habt. Ihr werdet wie eine Eiche, deren Blätter verwelken, und wie ein Garten, dessen Wasser versiegt ist. Dann wird der Starke zu Werg und sein Tun zum zündenden Funken; beide verbrennen zusammen und niemand kann löschen. (Jes 1,21-31)