Josua versammelte alle Stämme Israels in Sichem; er rief die Ältesten Israels, seine Oberhäupter, Richter und Listenführer zusammen und sie traten vor Gott hin. (Jos 24,1)
Lange Zeit nach der Eroberung des Heiligen Landes, als Friede eingekehrt war und Israel sich im Land eingelebt hat, versammelt Josua kurz vor seinem Tod die Oberhäupter der Zwölf Stämme in Sichem.
Sichem lag in exponierter Lage zwischen den Bergen Garizim und Ebal, ziemlich genau in der Mitte Israels, das von Dan bis Beerscheba reichte, am Kreuzungspunkt zweier wichtiger Straßen von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Hier hatten bereits Abraham und Jakob einen Altar errichtet und Jakob hatte dort ein Grundstück erworben, auf dem später die Gebeine Josefs bestattet wurden, die die Israeliten aus Ägypten mitgeführt hatten. Dort befindet sich auch seit Urzeiten der Jakobsbrunnen, an dem Jesus später der Samariterin begegnen wird (Joh 4).
Beim sogenannten Landtag in Sichem legte Josua dem Volk noch einmal die ganze Geschichte vom Auszug aus Ägypten bis zur Ansiedlung im Gelobten Land dar. Nicht aus eigener Kraft hat Israel das alles geschafft, sondern Gott war es, der Israel geführt und die Feinde geschlagen hat. Wenn Israel nun in Frieden und Wohlstand im neu gewonnenen Land leben will, muss es sich entscheiden, ob es seinem Gott treu bleiben, oder den Göttern der anderen Völker dienen möchte.
Josua sagte zum ganzen Volk: So spricht der Herr, der Gott Israels: Jenseits des Stroms wohnten eure Väter von Urzeiten an und dienten anderen Göttern. Da holte ich euren Vater Abraham von jenseits des Stroms und ließ ihn durch das ganze Land Kanaan ziehen. Ich schenkte ihm zahlreiche Nachkommenschaft und gab ihm Isaak. Dem Isaak gab ich Jakob und Esau und ich verlieh Esau das Bergland Seir, damit er es in Besitz nahm. Jakob aber und seine Söhne zogen nach Ägypten hinab. Dann sandte ich Mose und Aaron und strafte Ägypten durch das, was ich in Ägypten tat. Danach habe ich euch herausgeführt aus Ägypten und ihr seid ans Meer gekommen. Die Ägypter aber verfolgten eure Väter mit Wagen und Pferden bis zum Schilfmeer. Da schrien eure Väter zum Herrn und er legte zwischen euch und die Ägypter eine Finsternis und ließ das Meer über sie kommen, sodass es sie überflutete. Mit eigenen Augen habt ihr gesehen, was ich in Ägypten getan habe. Dann habt ihr euch lange in der Wüste aufgehalten. Ich brachte euch in das Land der Amoriter, die jenseits des Jordan wohnten. Sie kämpften mit euch, aber ich gab sie in eure Gewalt; ihr habt ihr Land in Besitz genommen und ich habe sie euretwegen vernichtet. Dann erhob sich der König Balak von Moab, der Sohn Zippors, und kämpfte gegen Israel. Er schickte Boten zu Bileam, dem Sohn Beors, und ließ ihn rufen, damit er euch verflucht. Ich aber wollte keinen Fluch von Bileam hören. Darum musste er euch segnen und ich rettete euch aus seiner Gewalt. Dann habt ihr den Jordan durchschritten und seid nach Jericho gekommen; die Bürger von Jericho kämpften gegen euch, ebenso die Amoriter, die Perisiter, die Kanaaniter, die Hetiter, die Girgaschiter, die Hiwiter und die Jebusiter und ich gab sie in eure Gewalt. Ich habe Panik vor euch hergeschickt. Sie trieb sie vor euch her; das geschah nicht durch dein Schwert und deinen Bogen. Ich gab euch ein Land, um das ihr euch nicht bemüht hattet, und Städte, die ihr nicht erbaut hattet. Ihr habt in ihnen gewohnt und ihr habt von Weinbergen und Ölbäumen gegessen, die ihr nicht gepflanzt hattet.
Fürchtet also jetzt den Herrn und dient ihm in vollkommener Treue. Schafft die Götter fort, denen eure Väter jenseits des Stroms und in Ägypten gedient haben, und dient dem Herrn! Wenn es euch aber nicht gefällt, dem Herrn zu dienen, dann entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter jenseits des Stroms dienten, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.
Das Volk antwortete: Das sei uns fern, dass wir den Herrn verlassen und anderen Göttern dienen. Denn der Herr, unser Gott, war es, der uns und unsere Väter aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgeführt hat und der vor unseren Augen alle die großen Wunder getan hat. Er hat uns beschützt auf dem ganzen Weg, den wir gegangen sind, und unter allen Völkern, durch deren Gebiet wir gezogen sind. Auch wir wollen dem Herrn dienen; denn er ist unser Gott.“ (Jos 24,2-18)
Diesem ausdrücklichen Bekenntnis des Volkes zum alleinigen Dienst am Gott Israels folgt der Erlass von Gesetz und Recht in Sichem und die Errichtung eines Gedenksteins als Zeichen des Bundes. Das Volk hat eine Entscheidung getroffen, die seine weitere Geschichte prägen wird. Israel wird dieser Entscheidung zwar immer wieder untreu werden - zu anspruchsvoll scheint oft der Dienst an diesem Gott, zu groß die Verführung der anderen Götter - doch der Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat, der mit Abraham seinen Anfang nahm, am Sinai besiegelt und hier in Sichem erneuert wurde, er bleibt zu allen Zeiten bestehen. Gott bleibt seinem Volk nah und führt es durch die Zeiten.
Da sagte Josua zum Volk: Ihr seid nicht imstande, dem Herrn zu dienen, denn er ist ein heiliger Gott, ein eifersüchtiger Gott; er wird euch eure Frevel und eure Sünden nicht verzeihen. Wenn ihr den Herrn verlasst und fremden Göttern dient, dann wird er sich von euch abwenden, wird Unglück über euch bringen und euch ein Ende bereiten, obwohl er euch zuvor Gutes getan hat. Das Volk aber sagte zu Josua: Nein, wir wollen dem Herrn dienen.
Josua antwortete dem Volk: Ihr seid Zeugen gegen euch selbst, dass ihr euch für den Herrn und für seinen Dienst entschieden habt. Schafft also jetzt die fremden Götter ab, die noch bei euch sind, und neigt eure Herzen dem Herrn zu, dem Gott Israels! Das Volk sagte zu Josua: Dem Herrn, unserem Gott, wollen wir dienen und auf seine Stimme hören.
So schloss Josua an jenem Tag einen Bund für das Volk und gab dem Volk Gesetz und Recht in Sichem. Josua schrieb alle diese Worte in das Buch des Gesetzes Gottes und er nahm einen großen Stein und stellte ihn in Sichem unter der Eiche auf, die im Heiligtum des Herrn steht. Dabei sagte er zu dem ganzen Volk: Seht her, dieser Stein wird ein Zeuge sein gegen uns; denn er hat alle Worte des Herrn gehört, die er zu uns gesprochen hat. Er soll ein Zeuge sein gegen euch, damit ihr euren Gott nicht verleugnet. Dann entließ Josua das Volk, einen jeden in seinen Erbbesitz. (Jos 24,19-28)
Kurz nach diesen Ereignissen stirbt Josua im Alter von 110 Jahren und wird auf seinem Erbbesitz im Gebirge Efraim begraben.
Nach diesen Ereignissen starb Josua, der Sohn Nuns, der Knecht des Herrn, im Alter von hundertzehn Jahren. Man begrub ihn in Timnat- Serach, im Gebiet seines Erbbesitzes auf dem Gebirge Efraim, nördlich vom Berg Gaasch. Israel aber diente dem Herrn, solange Josua lebte und solange die Ältesten am Leben waren, die Josua überlebten und alles wussten, was der Herr für Israel getan hatte. Die Gebeine Josefs, die die Israeliten aus Ägypten mitgebracht hatten, begrub man in Sichem auf dem Grundstück, das Jakob von den Söhnen Hamors, des Vaters Sichems, für hundert Kesita erworben hatte; es war den Nachkommen Josefs als Erbbesitz zuteil geworden. Auch Eleasar, der Sohn Aarons, starb und man begrub ihn in Gibea, (der Stadt) seines Sohnes Pinhas, die man ihm im Gebirge Efraim gegeben hatte. (Jos 24,29-33)
Die Geschichte Josuas soll dem Volk Mut machen, seinem Gott treu zu bleiben. So sind die Ereignisse, die im Buch Josua erzählt werden, aus der Sicht späterer Zeiten stilisiert worden. Bereits das folgende Richterbuch gibt eine andere Sichtweise der Landnahme und zeigt, dass beim Tod Josuas längst nicht alle Feinde geschlagen waren.
Und doch ist die Entscheidung, die das Volk unter Josua trifft, entscheidend für seine weitere Geschichte. Nur durch die entschiedene Absage an die fremden Götter und die Vermischung mit fremden Völkern und dem entschiedenen Festhalten am Gesetz Gottes wurde Israel zu dem Volk Gottes, das es bis heute ist, das durch alle Zeiten eine Sonderstellung in der Welt einnimmt und das selbst die grausamsten Verfolgungen nicht auslöschen konnten. Auch heute ist dieses Volk, das erst seit wenigen Jahrzehnten wieder das Gelobte Land sein Eigen nennen darf, von mächtigen Gegnern auf allen Seiten bedroht. Auch wenn dieses Volk zahlenmäßig relativ klein ist, so hat sein Schicksal doch zu allen Zeiten einen entscheidenden Einfluss auf die Geschichte der ganzen Welt.