Philipper 4,4-23

Freude und Dank

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Friede
Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. (Phil 4,4-5)

Noch einmal ruft Paulus zur Freude auf, es ist ein durch Verdoppelung gesteigerter Aufruf. Die Freude, die Paulus meint, geht tiefer als „nur“ ein friedliches Miteinander unter Menschen, das er natürlich auch der Gemeinde wünscht und das an sich sehr viel wert ist. Freude soll zu einer Grundhaltung werden, die aus unserem Ruhen in Gottes Herz heraus entspringt. Jesus Christus ist die Mitte unseres Glaubens. Er hat uns durch seinen Tod und seine Auferstehung gerecht gemacht vor Gott. Durch ihn sind wir hinein genommen in Gottes liebendes Herz. Aus dieser Liebe heraus sollen wir leben in der Freiheit der Kinder Gottes, die sich stets von Gottes Fülle beschenkt wissen.
Im Eröffnungsvers der Messe am dritten Adventssonntag findet dieser Text eine herrliche Vertonung. Dies zeigt, dass die Worte der Heiligen Schrift nicht nur trockene Buchstaben sind, die wir lesen. Es sind Worte der Freude, die wir singen und zu denen wir auch tanzen können. Und wenn gregorianischer Choral für die meisten nicht Ausdruck eines freudigen Gesanges ist, warum es dann nicht mit einem neuen Lied für unsere Zeit versuchen?
Ein Freudentanz über die Worte des Glaubens - warum nicht? Dann verschwindet auch der Befehlston, den wir vielleicht aus den Worten des Paulus heraus hören. Der Aufruf „Freut euch!“ wird zu einer Ermunterung, aus uns heraus zu gehen und die Freude in die Welt zu tragen, durch Singen und Tanzen und das absichtslose Schenken von Liebe. Denn was sonst meint Güte, als das wir schenken ohne Absicht, selbst etwas dafür zurück zu bekommen.
Die nach oben geöffneten Hände können vieles zeigen. Sie sind lebendiger Ausdruck unserer Hingabe an den Herrn im Freudentanz. Zugleich zeigen sie unsere Offenheit, von Gott das Geschenk seiner übergroßen Liebe zu empfangen. Diese Liebe aber lässt unsere geöffneten Hände zu einer Schale werden, in der Köstlichkeiten bereit liegen, die wir anderen schenken möchten.
Christliche Freude kann nicht verordnet werden. Mit seinem Aufruf zur Freude will Paulus nicht an die organisierten Massenveranstaltungen anknüpfen, in denen das Volk seine Freude am Herrscher zum Ausdruck bringt, wie wir es von Jubelaufmärschen zu Ehren von Diktatoren kennen, die es auch zu Ehren der Kaiser im alten Rom gab. Die Freude, die Paulus meint, ist auch keine aufgesetzte Freundlichkeit, wie wir sie von manchen Verkäufern kennen und die oft nur so lange anhält, wie eine gewisse Kaufbereitschaft des Kunden zu erwarten ist.
Paulus will, dass die Philipper sich freuen, weil sie allen Grund zur Freude haben. Nun gibt es viele Gründe, sich zu freuen, die meisten sind vergänglich und nach einer gewissen Zeit ist dann auch die Freude wieder verflogen. Aber den Grund, den Paulus zur Freude sieht, ist ein unvergänglicher. Es ist die Freude im Herrn, der immer da ist, der den Menschen nahe ist.
Jesus Christus ist den Menschen nahe gekommen, indem er als Mensch auf Erden gelebt hat zu unserem Heil. Das feiern wir an Weihnachten. Der Advent ist die Vorbereitungszeit auf dieses Fest. Aber wir bereiten uns nicht nur darauf vor, die Ankunft des Herrn, die sich einmal in der Geschichte ereignet hat, als etwas Vergangenes zu feiern. Wir schauen auch nicht allein auf die Wiederkunft des Herrn am Ende der Zeiten, die man in der Anfangszeit des Christentums als nahe bevorstehend gesehen hat, heute aber meist nicht mehr so konkret vor Augen hat. Advent ist vor allem eine Zeit der Einübung darin, dass der Herr uns nahe IST. Er ist nicht nur einmal gekommen und wird einmal wieder kommen, sondern der Herr ist immer bei uns. Durch die Taufe sind wir zu einem Glied am Leib Christi geworden. Wir gehören zu ihm. Wir stehen ihm nicht gegenüber, sondern sind lebendig mit ihm verbunden.
Die Nähe Jesu Christi ist der tiefste Grund unserer Freude. Und dieser Grund ist unvergänglich. Das bedeutet zwar nicht, dass diese Freude in jedem Augenblick spürbar wäre, aber sie kann immer wieder aufflammen als dieselbe Freude und sie wechselt sich nicht einfach ab mit unerfreulichen Erlebnissen. Sie hat vielmehr die Kraft, sich gegen Widerwärtigkeiten aller Art durchzusetzen und sie zu verwandeln, indem sie Glück ermöglicht, auch wenn wir, was einzelne Glückserlebnisse betrifft, zu kurz kommen. Sie kann unserem ganzen Leben und Lebensgefühl eine positive Grundstimmung geben, weil sie unsere Freude nicht von vergänglichen Glückserfahrungen abhängig macht, sondern sie auf einen unvergänglichen Grund stellt. Nicht mehr die Sorgen des Alltags sollen im Mittelpunkt stehen, sondern die rettende Gegenwart des Herrn. Deshalb schreibt Paulus weiter:

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Philipperbrief
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! (Phil 4,6)

Paulus will, dass die Gläubigen aus einer Grundhaltung des Vertrauens leben, dass Gott sich um alles kümmert, wenn es uns zuerst um ihn und sein Reich geht, wie es auch Jesus in der Bergpredigt gesagt hat.
"Seid nicht ängstlich besorgt", so lässt sich dieser Text besser übersetzen. Dann wird klarer, was Paulus meint. Die ängstliche Sorge, die uns davon abhält, zuversichtlich in die Zukunft zu sehen. Dies und das könnte schief gehen und die bange Frage: Schaffe ich das überhaupt ... Wir kommen nicht voran, weil wir nicht den Mut haben, den ersten Schritt zu tun.
Gott braucht Menschen, die mutig sind, die sich hinaus wagen in die Welt, die sich trauen, die frohe Botschaft zu verkünden und die auch anderen zurufen. "Habt keine Angst, Gott hat euch erlöst!" Wo hören wir in unserer Kirche diesen Ruf der Zuversicht? Da werden Pläne ausgearbeitet, wie man die immer kleiner werdenden Gemeinden mit immer weniger Priestern gerade noch so "versorgen" kann. In den Gemeinden machen die einzelnen Gruppen und Kreise ihr Programm wie eh und je, aber man klagt, dass der Nachwuchs fehlt. Wie soll es weitergehen?
Allem Anschein nach stehen wir an einer Zeitenwende, an der die Gesellschaft des Abendlandes, die sich in den letzten Jahrhunderten herausgebildet hat, durch etwas Neues abgelöst wird. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, wir sind aber auch nicht hilflos diesem Schicksal ausgeliefert. Wir können die Zukunft aktiv mitgestalten. Auch wenn vieles sich verändern mag, Jesus Christus bleibt derselbe gestern, heute und morgen. An ihn können wir uns halten und er wird uns halten.
Paulus will nicht die Sorgen und Nöte der Menschen einfach weg wischen. Sie sind weiterhin da, wir dürfen Gott um Hilfe bitten in allem was uns Angst macht. Aber in diesem Bittgebet soll stets auch der Dank enthalten sein. Dieser eröffnet die Perspektive dafür, dass die jetzige Not nicht alles ist, sondern dass Gott hilft, ja dass er bereits Hilfe geschenkt hat, noch ehe ich ihn darum gebeten habe. Das Leben ist nicht nur Not und Armseligkeit. In jedem Leben - wirklich in jedem! - gibt es etwas, das auch des Dankes und der Freude würdig ist. Das gilt es zu entdecken, dafür gilt es offen zu sein.
Ich finde es immer etwas befremdlich, wenn Menschen in ihrem Bittgebet gefangen sind. Sie rufen Gott ständig um Hilfe an, fast schon zwanghaft. Gott mach dies, Gott mach das. Es scheint hier das Befreiende des Gebets zu fehlen, das gerade durch den Dank dafür zum Ausdruck kommt, dass Gott bereits geholfen hat.

Das Gebet soll also nach der Absicht des Apostels nicht bloß Bitte sein, sondern auch Danksagung für das, was wir haben. Denn wie kann man um das Zukünftige bitten, wenn man für das Frühere nicht dankbar ist? ... Für alles muss man danken, selbst für das, was uns widerwärtig scheint, denn dadurch bewährt sich die wahre Dankbarkeit. Das Bitten wird ja schon durch die Natur der Dinge gefordert, das Danken aber kommt aus einer erkenntlichen und innig an Gott hängenden Seele. Solche Gebete finden bei Gott Anerkennung; von den andern will er nichts wissen. So müsst ihr beten, sollen eure Anliegen kund werden vor Gott. Denn er ordnet alles zu unserem Besten, auch wenn wir es nicht einsehen. Ja gerade der Umstand, dass wir es nicht einsehen, ist ein Beweis dafür, dass es uns sicher zum Besten gereicht. (Johannes Chrysostomus)
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Friede
Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren. (Phil 4,7)

Paulus ruft uns alle dazu auf, uns aus den scheinbar logischen Zwängen des Negativen zu befreien. Ja, rein menschlich gesehen mag eine Situation ausweglos sein, scheint das Leben manchmal in eine Sackgasse zu verlaufen, aber Gott ist nicht an Raum und Zeit gebunden. Klar, in unserem irdischen Verständnis, in der Dimension von Raum und Zeit, läuft eine Sackgasse gewöhnlich auf einen Punkt zu, an dem es nicht mehr weiter geht. Aber mit Gott kommt hier eine neue Dimension in das Leben hinein, die sich nicht mit irdischen Methoden berechnen lässt. Lassen wir einmal unsere Phantasie spielen, in was sich dann - um im Bild zu bleiben - eine Sackgasse verwandeln könnte.
Das ist der letzte Grund unserer Freude, dass Gott letztlich unsere Begrenztheit so weit übertrifft, dass er gerade da etwas Neues schenken kann, wo wir es uns am wenigsten vorstellen können. Lassen wir diese Irrationalität Gottes hinein in unser rational so beschränktes Leben - und lassen wir uns von Gott mit seiner Freude beschenken. Sicher wird Gott auch auf seine Weise lachen, wenn er unsere verdutzen Gesichter sieht, wenn das Unerwartete in unserem Leben geschieht - und dann freuen wir uns einfach mit Gott und an Gott.

Schließlich, Brüder: Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein. (Phil 4,8-9)

Paulus mahnt dazu, dass christliches Leben sich auch in gelebten Werten ausdrücken muss. Auch wenn die Grundlage des Glaubens nicht das Ethos, sondern der Logos ist, bedarf es gewisser Werte. Man darf Ethik und Moral nicht allein in den Vordergrund stellen, man darf sie aber auch nicht einfach wegdiskutieren. Beides geht zusammen, aber am Anfang stehen nicht Ethik und Moral, am Anfang steht Jesus Christus, aber gerade weil wir von ihm zu neuen Menschen gemacht worden sind, haben wir auch gemäß dieser Erneuerung zu leben.
Auch für die Freude ist nicht allein die unvergängliche Freude in Jesus Christus entscheidend. Wir dürfen uns auch an Irdischem erfreuen. Paulus hat sich über die Gaben der Gemeinde gefreut. Nicht nur der einmütige Glaube der Gemeinde gibt ihm Anlass zur Freude, auch die materiellen Gaben erfreuen ihn. So zeigt Paulus, dass beides notwendig ist, dass wir den tiefsten Grund unserer Freude in Gott sehen, aber uns auch an den kleinen Dingen dieser Welt freuen können.

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Philipper
Ich habe mich im Herrn besonders gefreut, dass ihr eure Sorge für mich wieder einmal entfalten konntet. Ihr hattet schon daran gedacht, aber es fehlte euch die Gelegenheit dazu. (Phil 4,10)

Paulus zeigt seine Dankbarkeit gegenüber den Philippern. Auch das ist wichtig. Wir dürfen Geschenke annehmen, aber wir sollen dafür auch dankbar sein. Paulus gibt sich bescheiden. Er hätte zwar die Gaben der Philipper nicht unbedingt gebraucht. Er weiß Entbehrungen zu ertragen. Aber dennoch hat er sich darüber gefreut. Es zeichnet die Philipper sogar aus, dass er mit keiner anderen Gemeinde so mit Geben und Nehmen verbunden ist, wie mit ihnen. Paulus kann den Philippern dafür im Moment nichts wiedergeben, aber er ist gewiss, dass Gott sie für ihre Gaben reich beschenken wird.

Ich sage das nicht, weil ich etwa Mangel leide. Denn ich habe gelernt, mich in jeder Lage zurechtzufinden: Ich weiß Entbehrungen zu ertragen, ich kann im Überfluss leben. In jedes und alles bin ich eingeweiht: in Sattsein und Hungern, Überfluss und Entbehrung. Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt.
Trotzdem habt ihr recht daran getan, an meiner Bedrängnis teilzunehmen. Ihr wisst selbst, ihr Philipper, dass ich beim Beginn der Verkündigung des Evangeliums, als ich aus Mazedonien aufbrach, mit keiner Gemeinde durch Geben und Nehmen verbunden war außer mit euch und dass ihr mir in Thessalonich und auch sonst das eine und andere Mal etwas geschickt habt, um mir zu helfen.
Es geht mir nicht um die Gabe, es geht mir um den Gewinn, der euch mit Zinsen gutgeschrieben wird. Ich habe alles empfangen und habe jetzt mehr als genug. Mir fehlt nichts mehr, seit ich von Epaphroditus eure Gaben erhielt, ein schönes Opfer, eine angenehme Opfergabe, die Gott gefällt.
Mein Gott aber wird euch durch Christus Jesus alles, was ihr nötig habt, aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit schenken. Unserem Gott und Vater sei die Ehre in alle Ewigkeit! Amen. (Phil 4,11-20)

Paulus schließt seinen Brief mit einem Gruß und Segenswunsch. Der Hinweis auf die Gläubigen aus dem Haus des Kaisers könnte ein weiterer Hinweis auf die Entstehung des Briefes in Rom sein und zeigt, dass Paulus selbst in der Gefangenschaft Menschen zum Glauben geführt hat, wie er selbst zu Beginn des Briefes erwähnt.

Grüßt jeden Heiligen in Christus Jesus! Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. Es grüßen euch alle Heiligen, besonders die aus dem Haus des Kaisers. Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, sei mit eurem Geist! (Phil 4,21-23)