Offenbarung 6,1-7,17

Entsiegelte Geschichte

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Offb 6
Dann sah ich: Das Lamm öffnete das erste der sieben Siegel; und ich hörte das erste der vier Lebewesen wie mit Donnerstimme rufen: Komm! Da sah ich und siehe, ein weißes Pferd; und der auf ihm saß, hatte einen Bogen. Ein Kranz wurde ihm gegeben und als Sieger zog er aus, um zu siegen. (Offb 6,1-2)

Die Öffnung der ersten vier Siegel macht die Übel der Welt offenbar. Es erscheint ein Reiter, der auszieht, um zu siegen, doch sein Sieg ist nicht von Dauer, ein zweiter Reiter macht ihm den Sieg streitig und Krieg kommt über die ganze Erde und bringt in Gestalt zweier weiterer Reiter die Übel von Hungersnot und Tod mit sich. Das fünfte Sigel offenbart die Leidenden, die sehnsüchtig auf Erlösung hoffen, und die Öffnung des sechsten Siegels lässt die Ordnung der Welt zusammen brechen.
Hans Urs von Balthasar fasst dies mit folgender Deutung zusammen:

Wenn das Lamm die Siegel zu öffnen beginnt, dann enthüllt sich zuerst die Schöpfung, nicht wie sie in der Idee Gottes, sondern wie sie in sich selbst ist, mit ihrem ganzen, auch von der Freiheit des Menschen mitbestimmten Realismus. Auf eine einzige Formel ist dieser nicht zu bringen, daher erscheint er auch vierfach anvisiert in den vier nacheinander auftauchenden Reitern. Jeder für sich verkörpert einen Aspekt der Welt. ...
Um die Vierzahl zur Siebenzahl zu ergänzen, bedarf es noch der Öffnung der letzten drei Siegel. Diese betreffen nicht mehr die Welt, sondern die konkrete Geschichte der Menschheit. Und diese Geschichte wird selber konkret erst durch die Konfrontation der Gewalttätigkeit und des Unrechts in ihr mit dem letzten Prinzip der Geschichte, dem Lamm, das seinem Wesen nach keinen Pakt und Vergleich mit Gewalt und Unrecht eingehen kann.
Als das Lamm das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen rufen: Komm! Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben. (Offb 6,3-4)
Als das Lamm das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Lebewesen rufen: Komm! Da sah ich und siehe, ein schwarzes Pferd; und der auf ihm saß, hielt in der Hand eine Waage. Inmitten der vier Lebewesen hörte ich etwas wie eine Stimme sagen: Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar. Aber dem Öl und dem Wein füge keinen Schaden zu! (Offb 6,5-6)
Als das Lamm das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten Lebewesens rufen: Komm! Da sah ich und siehe, ein fahles Pferd; und der auf ihm saß, heißt der Tod; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde. (Offb 6,7-8)
Als das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten. Sie riefen mit lauter Stimme und sagten: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen? Da wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben; und ihnen wurde gesagt, sie sollten noch kurze Zeit ruhen, bis die volle Zahl erreicht sei durch den Tod ihrer Mitknechte und Brüder, die noch getötet werden müssten wie sie. (Offb 6,9-11)
Und ich sah: Das Lamm öffnete das sechste Siegel. Da entstand ein gewaltiges Beben. Die Sonne wurde schwarz wie ein Trauergewand und der ganze Mond wurde wie Blut. Die Sterne des Himmels fielen herab auf die Erde, wie ein Feigenbaum seine Früchte abwirft, wenn ein heftiger Sturm ihn schüttelt. Der Himmel verschwand wie eine Buchrolle, die man zusammenrollt, und alle Berge und Inseln wurden von ihrer Stelle weggerückt.
Und die Könige der Erde, die Großen und die Heerführer, die Reichen und die Mächtigen, alle Sklaven und alle Freien verbargen sich in den Höhlen und Felsen der Berge. Sie sagten zu den Bergen und Felsen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem Blick dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes; denn der große Tag ihres Zorns ist gekommen. Wer kann da bestehen? (Offb 6,12-17)

Sechs Siegel sind geöffnet und ein Teil der Erde ist im Chaos versunken. Das siebte Siegel unterscheidet sich von den übrigen. Aus ihm geht etwas Neues hervor. Die Bilder der Offenbarung gehen fließend ineinander über. So wie die Weltgeschichte, die sie beschreiben, sind sie keine Module, die man beliebig aneinanderreihen könnte, sondern sie stehen in einem untrennbaren Zusammenhang und bedingen einander.

Danach sah ich: Vier Engel standen an den vier Ecken der Erde. Sie hielten die vier Winde der Erde fest, damit der Wind weder über das Land noch über das Meer wehte, noch gegen irgendeinen Baum. Dann sah ich vom Aufgang der Sonne her einen anderen Engel emporsteigen; er hatte das Siegel des lebendigen Gottes und rief den vier Engeln, denen die Macht gegeben war, dem Land und dem Meer Schaden zuzufügen, mit lauter Stimme zu und sprach: Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu, bis wir den Knechten unseres Gottes das Siegel auf die Stirn gedrückt haben! (Offb 7,1-3)

Bevor das Lamm das siebte Siegel öffnet, muss noch etwas anderes geschehen. Die Engel der Verwüstung werden zurückgehalten, die vier zerstörerischen Winde werden noch nicht losgelassen. Wehe, wenn die vier Winde entfesselt werden, dann werden sie unaufhaltsam die ganze Erde mit ihrer zerstörerischen Kraft heimsuchen.
Wir kennen die Bilder der Verwüstung, die starke Stürme hinterlassen. Auf dem Meer türmen sich die Wellen meterhoch, auf dem Land knicken Bäume wie Streichhölzer um, Häuser werden auseinandergerissen. Wir stehen machtlos vor solcher Kraft. Bevor aber die Stürme ihre Macht ganz entfalten dürfen, erfolgt die Kennzeichnung derer, die gerettet werden sollen.

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Allerheiligen
Und ich erfuhr die Zahl derer, die mit dem Siegel gekennzeichnet waren. Es waren hundertvierundvierzigtausend aus allen Stämmen der Söhne Israels, die das Siegel trugen: Aus dem Stamm Juda trugen zwölftausend das Siegel, aus dem Stamm Ruben zwölftausend, aus dem Stamm Gad zwölftausend, aus dem Stamm Ascher zwölftausend, aus dem Stamm Naftali zwölftausend, aus dem Stamm Manasse zwölftausend, aus dem Stamm Simeon zwölftausend, aus dem Stamm Levi zwölftausend, aus dem Stamm Issachar zwölftausend, aus dem Stamm Sebulon zwölftausend, aus dem Stamm Josef zwölftausend, aus dem Stamm Benjamin trugen zwölftausend das Siegel.
Danach sah ich und siehe, eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder, und trugen Palmzweige in den Händen. Sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm. (Offb 7,4-10)

Die Zahl 144.000 hat immer wieder zu Spekulationen geführt. Ist die Zahl derer, die gerettet werden, begrenzt? Hat man überhaupt noch eine Chance auf Rettung, wenn die Zahl der Geretteten schon längst erreicht ist?
Wir dürfen die Zahlen der Offenbarung nicht wörtlich nehmen. Sie sind immer symbolisch zu verstehen. In der Bibel ist die Zahl zwölf von großer Bedeutung. Das Volk Israel besteht aus zwölf Stämmen und Jesus hat zwölf Apostel berufen. 144.000 ist 12 x 12 x 1000, eine Zahl, die altes und neues Gottesvolk miteinander multipliziert und dann noch vertausendfacht. Johannes will damit zum Ausdruck bringen, dass die Zahl der Geretteten groß ist.
Wie bereits bei den 24 Ältesten kommt auch hier zum Ausdruck, dass Johannes eine Verbindung herstellt, zwischen dem alten und neuen Gottesvolk. Rettung geschieht nicht ohne Israel. Der göttliche Thronrat besteht aus zwölf Ältesten aus Israel und zwölf aus der neuen Kirche. Die Geretteten kommen aus Israel und der Kirche.
Judenhass ist der Offenbarung fremd. Auch die Schlachtopfer des alten Bundes finden im Himmel ihre Vollendung. Das Lamm vereint in sich beide Gottesvölker und so werden auch die Stämme Israels einzeln aufgezählt. Israel zuerst, danach kommen die anderen Völker. Dass die Zahl 144.000 nicht wörtlich zu verstehen ist, erkennen wir auch daran, dass mit den Geretteten aus den zwölf Stämmen Israels diese Zahl ja bereits voll wäre, aber Johannes sagt selbst, dass er darüber hinaus noch eine unüberschaubare, unzählbare Schar vor Geretteten aus allen Völkern und Nationen sieht.
Johannes sieht bereits die Geretteten im Himmel. Während der Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Heiligkeit und Sünde hier auf Erden noch in vollem Gang ist, ist er im Himmel bereits entschieden ist. Wer zu Christus gehört, braucht sich keine Gedanken mehr um seine Rettung zu machen. Christus, das Lamm Gottes, hat durch seinen Tod und seine Auferstehung bereits auf ewig den Sieg über den Tod erwirkt. Dieser Sieg ist ein endgültiger und wer sich auf die Seite Jesu stellt, wird mit Gewissheit Anteil an diesem Sieg erhalten.
Doch es gibt Kräfte, die uns von der Seite des Siegers wegziehen möchten und die uns auf perfide Weise den Untergang schmackhaft machen wollen, indem sie das Leben in Heiligkeit und die ewigen Freuden karikieren und stattdessen das Vergängliche als Erfüllung propagieren. Hier gilt es wachsam zu sein und die Geister zu prüfen und sich nicht vom Hass erfüllen zu lassen, sondern sich der Macht der Liebe anzuvertrauen. Es gilt zu erkennen, was vergänglich ist und was uns retten kann in die Ewigkeit.
Die Rettung kommt vom Lamm Gottes und durch die Teilhabe an seinem Sieg. Der Weg dahin geschieht durch die Taufe. Nichts anderes meint es, wenn es heißt, dass die Heiligen ihre Gewänder im Blut des Lammes weiß gemacht haben. Das weiße Kleid ist Symbol der Taufe und das Blut des Lammes ist das Zeichen seines Todes am Kreuz. Durch die Taufe gehen wir mit Christus den Weg durch den Tod zum Leben. Die Taufe macht uns zu Kindern des Himmels. Durch die Taufe haben wir jetzt schon Anteil an der himmlischen Herrlichkeit. Im Gottesdienst stimmen wir schon hier auf Erden ein in den ewigen himmlischen Lobgesang.

Man braucht nicht leiblich gestorben zu sein, um in seiner Heimat, im Himmel zu leben, wo wir unser Bürgerrecht haben. (Hans Urs von Balthasar)

Wer um dieses Geheimnis weiß, wird sich mit allen Kräften mühen, wie ein Bürger des Himmels zu leben, so dass all sein Denken und Tun wohlgefällig ist in den Augen Gottes. Nicht aus Furcht vor der Strafe des ewigen Gerichtes, sondern im Wissen um die ewige Herrlichkeit. Die Liebe zu Jesus wird unsere Herzen zu ihm hinlenken. So werden wir zu Zeugen für Gott und seinen Sieg und den Triumph seiner ewigen Herrlichkeit.

Zeuge, martys, ist ein Grundwort der Apokalypse. Gemeint sind damit nicht nur jene, die ihr leibliches Blut für Christus vergossen haben, sondern alle, die ihr ganzes Dasein in blutigem Ernst in den Dienst des Lammes stellen. ... Prophet ist nicht der, welcher Zukünftiges anzusagen versteht, sondern das von Gott geschenkte Wort über Gott zu sagen weiß. (Hans Urs von Balthasar)

Jeder kann sich dafür entscheiden, in jene unzählbare Schar der Heiligen zu treten, die hier auf Erden Zeugnis geben von der Herrlichkeit Gottes und die einstimmen in den ewigen Lobgesang vor seinem Thron. Blicken wir auf die Zeugen, die uns vorangegangen sind und reihen wir uns ein in ihren Triumphzug, jeder mit den Gaben und Fähigkeiten, die Gott ihm geschenkt hat.

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Jesus
Und alle Engel standen rings um den Thron, um die Ältesten und die vier Lebewesen. Sie warfen sich vor dem Thron auf ihr Angesicht nieder, beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in alle Ewigkeit. Amen. (Offb 7,11-12)

Die Offenbarung des Johannes beschreibt wie kein anderes Buch der Heiligen Schrift das Leben der Heiligen in dieser Welt. Es schildert nicht nur eine ferne Endzeit, ein kommendes jüngstes Gericht, sondern das Buch macht deutlich, was jetzt und hier geschieht.
Eine der beeindruckendsten Erkenntnisse, die wir aus der Betrachtung der Offenbarung des Johannes gewinnen können, ist die enge Verbindung zwischen Himmel und Erde, die Durchlässigkeit, die zwischen Diesseits und Jenseits besteht. Vielleicht ist keiner Epoche diese Durchlässigkeit so fremd geworden wie der unseren, in der selbst in der Kirche nur wenige von diesem Geheimnis reden, stattdessen aber viele diese Verbindung mit dem Jenseits im esoterischen Bereich zu erfassen suchen.
Der Mensch ist geprägt von der Sehnsucht nach einer jenseitigen Welt, deren Unendlichkeit die Enge des irdischen Daseins überwindet und deren Allmacht der menschlichen Schwachheit beisteht. Dass diese jenseitige Welt keine Fiktion des Menschen ist, wie uns die Vertreter eines Materialismus und Atheismus glauben machen wollen, zeigt uns die Offenbarung des Johannes, die uns einen Blick in diese jenseitige Welt werfen lässt.
Der Blick in die jenseitige Welt wird bezeichnenderweise mit einer Unzahl von Bildern vermittelt, deren Deutung die Menschen bis heute beschäftigt. So wird deutlich, dass jene andere Wirklichkeit zwar real existiert, aber nicht mit den Methoden unserer irdischen Welt wahrgenommen werden kann. Wenn wir auch ihr Wirken in dieser Welt erfahren können, so bleibt uns doch die Gestalt der jenseitigen Welt verborgen. Wir können sie nur mit Bildern der uns vertrauten Welt schildern. Dabei müssen wir uns stets bewusst sein, dass dies eben Bilder sind, die wir nicht als konkrete Aussagen ansehen dürfen.
Die jenseitige Welt ist in unserem Diesseits bereits verborgen gegenwärtig. Vielleicht wird dies nirgendwo sonst so deutlich, wie in einem orthodoxen Gottesdienst. Der prachtvoll bemalte Kirchenraum lässt uns einen Blick in den Himmel werfen (sicher mehr, als es unsere barocken Kirchen mit all den Engelchen vermögen). Durch die Ikonen werden die Szenen des Lebens Jesu gegenwärtig gesetzt und sie machen die reale Präsenz Jesu, Mariens und der Heiligen unter uns deutlich. Die Gesänge sind ein Widerhall des ewigen Lobgesangs an Gottes Thron.
Zeugen der realen Existenz der jenseitigen Welt sind in ganz besonderer Weise die Heiligen, wobei ich hierunter alle Menschen verstehe, die durch ihr Beten einen festen Stand in dieser und in der jenseitigen Welt haben und in ihrer Liebe das Wirken Gottes erfahrbar machen. Durch die Wunder der Heiligen wird deutlich, wie Gott in unserer Welt zu wirken vermag.
Die Erfahrung des Wirkens Gottes in unserer Welt ist etwas grundlegend anderes als eine Projektion von Menschen, die nicht mit ihrem Leben zurechtzukommen scheinen. Es ist die Erfahrung einer Macht in unserem Leben, die uns bis an die Grenzen unserer Kräfte beanspruchen kann. Die Erfahrung der Heiligkeit bedeutet eine Auseinandersetzung mit allem, was dieser Heiligkeit entgegensteht, eine Auseinandersetzung, die zu einem Kampf bis aufs Blut führen kann.

Da nahm einer der Ältesten das Wort und sagte zu mir: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? Ich erwiderte ihm: Mein Herr, du weißt das. Und er sagte zu mir: Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. Deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen. (Offb 7,13-15)
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Jesus
Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen. (Offb 7,16-17)

Der vierte Sonntag der Osterzeit, an dem wir diese Worte in der Lesung hören, ist der Sonntag vom Guten Hirten. Zu diesem Thema kommen uns vor allem die Texte aus dem Johannesevangelium in den Sinn, in denen sich Jesus als der gute Hirte beschreibt. Wir denken auch an Psalm 23, mit seinen ergreifenden Worten von der Hirtensorge Gottes. Aber an die Offenbarung des Johannes werden wir spontan wahrscheinlich nicht denken. Und doch wird wohl nirgendwo sonst so konkret beschrieben, wie sich Gottes Hirtensorge zum Ausdruck bringt.
Diese Welt ist für den Menschen kein Paradies. Krankheit und Not können allen widerfahren. Schon gleich an ihrem Beginn wird in der Bibel darüber nachgedacht, warum das so ist. Warum hat Gott die Erde nicht als Paradies erschaffen, in dem es allen Menschen gut geht? Die Antwort der Bibel lautet: wegen seiner Sünde wurde der Mensch aus dem Paradies vertrieben und muss im Schweiße seines Angesichts für seinen Lebensunterhalt sorgen. Die Frage nach dem "Warum?" wird gerade an religiöse Menschen immer wieder herangetragen. Warum lässt Gott das Leid zu? Warum treffen harte Schicksalsschläge auch gute und fromme Menschen?
Wir werden keine befriedigende Antwort auf diese Fragen finden. Die Antwort Gottes ist das geschlachtete Lamm der Offenbarung. In seinem Sohn Jesus Christus hat Gott selbst alle Mühsal und alles Leid der Welt auf sich genommen. Freiwillig hat er sich dem Tod ausgeliefert, um zu zeigen, dass Leid und Tod nicht das Letzte sind. Nach jedem Schmerz wartet eine neue Freude, nach jedem Tod wartet das Leben. Es bleibt uns nicht erspart, durch diese dunklen Mauern hindurch zu gehen, aber Gott geht mit uns diesen Weg und nach dem Dunkel kommt das Licht, oft bereits in diesem Leben, immer im neuen Leben bei Gott.
Das Bild der Offenbarung, das dem Leiden unter Hunger, Durst und Sonnenglut einen paradiesischen Garten gegenüberstellt, in dem es frisches Wasser und Schatten gibt, ist nicht nur eine Vertröstung auf das Jenseits. Freilich, Johannes schreibt die Offenbarung zunächst an Christen in der Bedrängnis, die jederzeit damit rechnen müssen, für ihren Glauben ins Gefängnis oder gar in den Tod zu gehen. Er macht ihnen Mut und zeigt, dass Gottes Macht größer ist als die Mächte, die gegen Gott und seine Getreuen kämpfen. Aber es wird ein Ende der Verfolgung geben. Gott vergisst seine Getreuen nicht und wer standhaft ausharrt, wird auf unerdenkliche Weise belohnt werden.
Blicken wir auf das Lamm, es ist geschlachtet, wie tot, aber doch ist es voller Leben. Dieses Lamm ist Christus, der Sieger über Leiden und Tod. Im Blick auf ihn finden wir Antwort auf all unsere Fragen, im Vertrauen auf ihn werden wir alles überwinden, er gibt uns Kraft im Leiden und Mut in der Verzweiflung, er stillt unseren Durst nach Leben und schenkt uns Schatten in der Glut der Versuchung.

Herr Jesus,
Lamm Gottes,
für uns geopfert,
du Sieger über den Tod,
in dir triumphiert das Leben,
du zeigst uns
den Sinn des Lebens.
Du guter Hirte,
dir will ich folgen,
rufe mich beim Namen
und lass mich deine Stimme erkennen.
Lass mich mit dir
ein Zeuge des Lebens sein
und zusammen mit dir
hineingehen zum ewigen Leben.
Amen.