Offenbarung 4,1-5,14

Thronvision

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Offenbarung
Danach sah ich und siehe, eine Tür war geöffnet am Himmel; und die erste Stimme, die ich gleich einer Posaune mit mir reden gehört hatte, sagte: Komm herauf und ich werde dir zeigen, was dann geschehen muss. (Offb 4,1)

Der Seher Johannes wird in den Himmel entrückt. Dort wird ihm die Wahrheit über die Welt und ihre Geschichte offenbart. Er versucht das Gesehene in Bildern zu beschreiben. Hier sind nicht die Bilder das Entscheidende, sondern das Wesen, das sich dahinter auftut. Wir dürfen nicht bei den Bildern stehen bleiben, sondern müssen versuchen, den Sinn, der sich dahinter verbirgt, zu verstehen. Johannes verwendet hierbei Bilder, die er aus ähnlichen Visionen aus den Büchern Ezechiel oder Daniel kennt, aber er verändert sie zugleich. Auch die Seher vor ihm haben nur versucht, das Unbeschreibliche mit menschlichen Worten zu beschreiben.

Sogleich wurde ich vom Geist ergriffen. Und siehe, ein Thron stand im Himmel; auf dem Thron saß einer, der wie ein Jaspis und ein Karneol aussah. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah. Und rings um den Thron standen vierundzwanzig Throne und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, in weiße Gewänder gekleidet und mit goldenen Kränzen auf dem Haupt. Von dem Thron gingen Blitze, Stimmen und Donner aus. Und sieben lodernde Fackeln brannten vor dem Thron; das sind die sieben Geister Gottes. (Offb 4,2-5)

Johannes versucht, die göttliche Welt, die ihm gezeigt wurde, zu beschreiben. Gott ist Herr der ganzen Welt und ein solcher Herr benötigt einen Thron. Wo der Thron steht, da ist die Macht, das galt durch viele Jahrhunderte. Heute sitzen die Präsidenten und Kanzlerinnen moderner Demokratien nicht mehr auf Thronen, aber es gibt dennoch Orte, die symbolisch für die Macht der Personen stehen, die darin regieren, zum Beispiel das Weiße Haus oder das Kanzleramt. Diese Gebäude fallen mehr oder weniger prächtig aus, früher versuchten die Herrscher sich in der Pracht ihrer Residenzen zu überbieten, unüberbietbar ist der Glanz des göttlichen Thronsaals, der wertvoller ist als die kostbarsten Edelsteine.
Herrscher sind immer umgeben von einem Stab von Beratern und Ministern, so umgeben Gottes Thron auch 24 Älteste. Das Gottesvolk des Alten Bundes bestand aus den zwölf Stämmen Israels. In Analogie dazu hat Christus die Zwölf Apostel um sich versammelt als geistige Stammväter des neuen Gottesvolkes. Beide Gruppen sind in den 24 Ältesten vertreten. Kirche und Synagoge, die auf Erden oft in Feindschaft leben, bilden das eine Gottesvolk im Himmel.
Blitze, Stimmen und Donner sind Symbol für Gottes Worte, die für einen gewöhnlichen Menschen unverständlich klingen. Um Gott zu verstehen, benötigen wir einen Dolmetscher, und das ist der Heilige Geist. Mit seinen sieben Gaben macht er uns fähig, als Kinder Gottes auf Erden zu leben. Die sieben lodernden Fackeln des einen Heiligen Geistes, der sich auf vielfältige Weise zeigt, sind das Verbindungsglied zwischen Himmel und Erde. Am Pfingsttag kamen die Feuerflammen dieser Fackeln zum ersten Mal auf die Menschen und brennen seither in allen Menschen, die zu Gott gehören.

Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte des Thrones und rings um den Thron waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler. Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen. Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht, und rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war und er ist und er kommt. (Offb 4,6-8)

Vier Lebewesen umgeben Gottes Thron. Der Thron Gottes besteht nicht aus "leblosem" Material wie Holz oder Gold. Gottes Thron selbst lebt und lässt Gottes Macht lebendig werden. Löwe, Stier, Mensch und Adler wurden zum Symbol für die vier Evangelisten. Sie haben das Wort des Lebens, das von Gottes Thron ausgeht, in menschliche Worte gefasst. Aber nicht die vier Evangelisten sind der Thron Gottes, vielmehr haben sie auf einzigartige und unüberbietbare Weise Gottes Wesen, das sich in den vier Lebendigen seines Thrones zeigt, offenbart.

Und wenn die Lebewesen dem, der auf dem Thron sitzt und in alle Ewigkeit lebt, Herrlichkeit und Ehre und Dank erweisen, dann werfen sich die vierundzwanzig Ältesten vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt. Und sie legen ihre goldenen Kränze vor seinem Thron nieder und sprechen: Würdig bist du, Herr, unser Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht. Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen. (Offb 4,9-11)

Die vier Lebendigen des Thrones Gottes stimmen den Lobgesang an, in ihnen eröffnet Gott selbst die himmlische Liturgie. Die 24 Ältesten stimmen lobend und anbetend ein und im nächsten Kapitel werden wir sehen, wie dieser Lobgesang über die Engel auf die ganze Schöpfung übergeht, auf alles, was lebt.

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Allerheiligen
Und ich sah auf der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, eine Buchrolle; sie war innen und außen beschrieben und mit sieben Siegeln versiegelt. Und ich sah: Ein gewaltiger Engel rief mit lauter Stimme: Wer ist würdig, die Buchrolle zu öffnen und ihre Siegel zu lösen? Aber niemand im Himmel, auf der Erde und unter der Erde konnte das Buch öffnen und es lesen. Da weinte ich sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und es zu lesen. Da sagte einer von den Ältesten zu mir: Weine nicht! Gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids; er kann das Buch und seine sieben Siegel öffnen.
Und ich sah: Zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mitten unter den Ältesten stand ein Lamm; es sah aus wie geschlachtet und hatte sieben Hörner und sieben Augen; die Augen sind die sieben Geister Gottes, die über die ganze Erde ausgesandt sind. Das Lamm trat heran und empfing das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß.
Als es das Buch empfangen hatte, fielen die vier Lebewesen und die vierundzwanzig Ältesten vor dem Lamm nieder; alle trugen Harfen und goldene Schalen voll von Räucherwerk; das sind die Gebete der Heiligen. Und sie sangen ein neues Lied: Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern und du hast sie für unsern Gott zu Königen und Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen.
Ich sah und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron und um die Lebewesen und die Ältesten; die Zahl der Engel war zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend. Sie riefen mit lauter Stimme: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob.
Und alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was in der Welt ist, hörte ich sprechen: Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit. Und die vier Lebewesen sprachen: Amen. Und die vierundzwanzig Ältesten fielen nieder und beteten an. (Offb 5,1-10)

In Gottes Hand befindet sich eine Buchrolle. Sie ist mit sieben Siegeln versehen und niemand vermag es, diese Siegel zu öffnen, bist Christus auftritt. Er erscheint als Lamm, wie geschlachtet und doch lebendig. Er ist es, der allein die sieben Siegel lösen kann, mit denen das Buch dieser Welt versiegelt ist. Alles, was sich nun in den folgenden Kapiteln bis zur Schau der Neuen Welt Gottes im 21. Kapitel abspielt, zeigt diese Entsiegelung der Geschichte in immer neuen Bildern, die auseinander hervor und ineinander übergehen.

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Offenbarung
Ich sah und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron und um die Lebewesen und die Ältesten; die Zahl der Engel war zehntausend mal zehntausend und tausend mal tausend. (Offb 5,11)

Der Seher Johannes wurde in den Himmel entrückt und vor Gottes Thron, der umgeben ist von vier geheimnisvollen Lebewesen. Um den Thron herum stehen die Sitze von 24 Ältesten und in deren Mitte thront Jesus Christus als geschlachtetes Lamm. Das Zentrum des Thronsaales ist umgeben von einer unüberschaubar großen Zahl von Engeln. Es sind Bilder, die teilweise der Gotteserscheinung bei Ezechiel entsprechen, dabei aber neu gedeutet werden. Es ist ein Bild der Herrlichkeit Gottes. Gottes Thronsaal ist prächtiger, als die feinsten und kostbarsten Edelsteine, die man sich auf Erden vorstellen kann. Der Seher versucht das Unbeschreibliche mit menschlichen Worten zu beschreiben. Was er sieht ist größer als alle auf Erden vorstellbare Pracht. Der römische Kaiser - der in der Offenbarung immer als Bezugspunkt mitklingt - kann mit all seiner Pracht, seinen Palästen und Hofleuten nicht einmal einen kleinen Bruchteil dieser Herrlichkeit erreichen.
Der himmlische Chor singt das Lied des Lammes. Christus erscheint in der Offenbarung als blutendes, geschlachtetes Lamm mit sieben Hörnern und sieben Augen. Das Lamm steht für Friedfertigkeit und Reinheit, zugleich aber zeigen die sieben Hörner seine unbegrenzte Macht und die sieben Augen seinen Einfluss auf die ganze Welt. In diesem Lamm vereinen sich absolute Macht und absolute Gerechtigkeit. Das Lamm ist mächtig und doch geschlachtet, es wurde getötet, aber es lebt.
Dieses Bild erscheint uns sonderbar. Warum zeigt uns Johannes Christus nicht als Mensch, als Auferstandenen mit Wundmalen und Siegesfahne? Weil das Bild vom geschlachteten Lamm am eindrucksvollsten das Wesen Christi beschreiben kann. Sanft wie ein Lamm, zart und lieblich, zugleich ein Opfertier, wie es das Altes Testament beschreibt. Durch sein Blutopfer hat es die Sünden der Welt getilgt. Und doch ist Christus mächtig, nicht wie ein Opfertier, das sich seinem Schicksal fügen muss, sondern er hat sich selbst aktiv aus eigenem Willen als Opfer dargebracht. Er ist Sohn Gottes, daher lebt er, auch wenn er getötet wurde und zeigt mit seinen Hörnern und Augen seine Macht. Aber es ist eine demütige Macht, die nicht auf gewaltsame Herrschaft setzt, sondern die Herzen mit seiner Liebe regieren will.
Diesem Lamm ruft die himmlische Versammlung zu:

Sie riefen mit lauter Stimme: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Lob und Herrlichkeit. (Offb 5,12)

Weil er seine Macht nicht missbraucht, gebührt Christus alle Macht, weil er sich für die Sünden aller hingegeben hat, gebührt ihm der Lobpreis. In Christus zeigt sich Gottes Liebe, die alle Menschen heilen und retten will. Christus allein ist Heilsbringer, darum gebühren ihm allein die Heils- und Segensrufe der ganzen Welt.

Und alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was darin ist, hörte ich sprechen: Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit. Und die vier Lebewesen sprachen: Amen. Und die vierundzwanzig Ältesten fielen nieder und beteten an. (Offb 5,13-14)

Johannes zeigt uns hier, was Liturgie bedeutet. An Gottes Thron wird eine ewige himmlische Liturgie gefeiert. Ihr Abbild feiert die Kirche jeden Sonntag auf Erden. Wir erinnern uns, dass die Vision explizit an einem Sonntag stattfindet. Liturgie ist nicht eine Zusammenkunft von Menschen mit belehrendem Charakter wie etwa ein Vortrag, sie ist nicht eine Spaßveranstaltung zur Unterhaltung des Publikums. Liturgie ist vielmehr eine nach einer festen Ordnung verlaufende Feier zur Verherrlichung Gottes.
Wir sehen verschiedene Chöre, die den Lobpreis Gottes singen. Die vier geheimnisvollen Lebewesen und die 24 Ältesten, die dem Thron Gottes am nächsten stehen, stimmen den Lobpreis an, dann antwortet die unüberschaubar große Zahl der Engel auf diesen Lobruf und schließlich singt ihn die ganze Schöpfung. Am Ende sprechen die vier Lebewesen das "Amen" zur Bekräftigung des Lobgesanges aller und die 24 Ältesten fallen anbetend nieder.
Gemeindeleiter, Chor und Volk, alle haben Teil am Lob Gottes und die Ergriffenheit über dieses Lob mündet in die Anbetung, womit der Zeitpunkt der feierlichen Erhebung der Hostie gemeint sein könnte. Hier ist das himmlische Lamm wirklich inmitten der irdischen Gemeinde gegenwärtig. "Seht das Lamm Gottes", so spricht der Priester und zeigt uns in der Hostie den gekreuzigten und auferstandenen Herrn der inmitten seiner Kirche gegenwärtig bleibt. Die irdische Versammlung steht der himmlischen also in nichts nach. Hier und dort ist Gott wahrhaft gegenwärtig und es ist der gleiche Lobgesang, der im Himmel und auf Erden gesungen wird. Die Himmelschöre feiern die Liturgie auf Erden mit und der Lobpreis auf Erden dringt bis in den Himmel. In der Liturgie vereinen sich Himmel und Erde zu dem einen Lobpreis Gottes.

Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit! Amen.