Matthäus 23,1-39

Schriftgel., Pharisäer

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Matthäus
Darauf wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger. (Mt 23,1)

Die große Gerichtsrede, die die Kapitel 23 bis 25 des Matthäusevangeliums umfasst, ist die letzte der fünf Reden Jesu, die Matthäus in seinem Evangelium aus verschiedenen Jesusworten zusammengestellt hat. Sie bildet das Gegenstück zur ersten Rede, der Bergpredigt, und umfasst sicher nicht zufällig wie diese auch genau drei Kapitel. Im ersten Teil der Rede geht es vor allem um die Leitung der Gemeinde. Jesus stellt dem Negativbild der jüdischen Pharisäer das Ideal christlicher Brüderlichkeit und Demut gegenüber.

Er sagte: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt. Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen. Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben, und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen und von den Leuten Rabbi (Meister) nennen. (Mt 23,2-7)

Jesus kritisiert nicht die Lehre der Pharisäer. Sich suchen nach der Gerechtigkeit Gottes und wissen, was diese bedeutet. Sie kennen den Willen Gottes, aber sie bringen ihn nur mit ihren Worten, nicht durch ihr Tun zum Ausdruck. Schön reden können viele und damit auch leicht andere blenden. Die innere Haltung entdeckt man erst bei genauerem Hinsehen. Gerade das macht religiöse Lehrer so gefährlich. Die Leute lassen sich blenden von ihrem frommen Schein und bringen ihnen Ehre und gehorsam entgegen, stöhnen aber auf der anderen Seite unter den Lasten, die ihnen von den religiösen Führern auferlegt werden.
Wer ein wahrhafter Diener Gottes ist, wird lieber selbst um der anderen willen vieles auf sich nehmen, als andere für sich Lasten tragen zu lassen. Er leidet für seine Gemeinde. Seine innige Beziehung zu Gott trägt er nicht nach außen, sondern betet in der Nacht in der Verborgenheit seiner Kammer. Er stellt sich nicht in den Mittelpunkt und hält nicht Ausschau danach, wo er das beste Essen bekommt, sondern hält sich bescheiden zurück. Es geht nicht darum, dass man sich nicht grüßen lassen dürfte oder nicht einladen lassen darf, es geht vielmehr darum, dass es nicht angebracht ist, wegen seines Amtes den Anspruch zu erheben, eine Stellung vor allen anderen einzunehmen.

Der Herr verbietet nicht, dass diejenigen, denen solche Behandlung von Amt und Standes wegen gebührt, auf dem Markt gegrüßt werden oder den ersten Platz bei Tisch einnehmen. Er sagt vielmehr, dass die Gläubigen diejenigen, welche solches allzu sehr lieben - ob sie es nun bereits haben oder nicht - meiden sollen; es ist kein gutes Zeichen für ihren Charakter. (Hrabanus)

Letztlich geht es darum, dass innerhalb der Gemeinde erkennbar werden muss, wer der Herr, wer der Lehrer und wer der Meister ist. Dies ist allein Jesus Christus. Alle anderen sind Diener, jeder auf dem Platz und Rang, der ihm zugemessen ist.

Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Mt 23,8-12)

Gott wird für die rechte Ordnung in der Gemeinde Sorge tragen. Niemand soll sich selbst in den Vordergrund drängen. Machtkämpfe soll es in der Gemeinde nicht geben. Wer sie führt, richtet sich nicht nur gegen Menschen, sondern auch gegen Gott.

Das ist die Ursache aller Übel: den Thronsitz eines Meisters zu begehren. (Johannes Chrysostomus)

Die Väter haben immer wieder auf die Bedeutung der Demut hingewiesen. Demut bedeutet Mut zum Dienen. Sie ist also kein ängstliches Duckmäusertum, wie heute viele glauben. Demut beruht vielmehr auf einer inneren Größe, die es nicht nötig hat, die eigene Person immer in den Vordergrund zu stellen und vor den Menschen zu glänzen, sondern den Mut hat, sich auch einmal hinten anzustellen und gerade im Dienst an den Menschen Größe zu zeigen. Die Demut weiß darum, dass es eine größere Ehre gibt als die, einen Augenblick der Weltgeschichte lang von den Menschen geachtet und gelobt zu werden.
Die Worte Jesu bleiben bis heute eine Anfrage an jeden von uns, ob unsere Frömmigkeit auch wirklich aus unserem Herzen kommt und unser Leben bestimmt, oder nur frommer Schein ist.
Die folgenden Weh-Rufe über die Pharisäer bilden das Gegenstück zu den Seligpreisungen. Wer sich ganz Gott überlässt, wird Gottes Barmherzigkeit erfahren. Wer aber Gott dazu gebraucht, seine eigene Machtposition auszubauen, den trifft Gottes Gericht.

Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Ihr selbst geht nicht hinein; aber ihr lasst auch die nicht hinein, die hineingehen wollen.
Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr zieht über Land und Meer, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen; und wenn er gewonnen ist, dann macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle, der doppelt so schlimm ist wie ihr selbst.
Weh euch, ihr seid blinde Führer! Ihr sagt: Wenn einer beim Tempel schwört, so ist das kein Eid; wer aber beim Gold des Tempels schwört, der ist an seinen Eid gebunden. Ihr blinden Narren! Was ist wichtiger: das Gold oder der Tempel, der das Gold erst heilig macht? Auch sagt ihr: Wenn einer beim Altar schwört, so ist das kein Eid; wer aber bei dem Opfer schwört, das auf dem Altar liegt, der ist an seinen Eid gebunden. Ihr Blinden! Was ist wichtiger: das Opfer oder der Altar, der das Opfer erst heilig macht? Wer beim Altar schwört, der schwört bei ihm und bei allem, was darauf liegt. Und wer beim Tempel schwört, der schwört bei ihm und bei dem, der darin wohnt. Und wer beim Himmel schwört, der schwört beim Thron Gottes und bei dem, der darauf sitzt.
Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer Acht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen. Blinde Führer seid ihr: Ihr siebt Mücken aus und verschluckt Kamele.
Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr haltet Becher und Schüsseln außen sauber, innen aber sind sie voll von dem, was ihr in eurer Maßlosigkeit zusammengeraubt habt. Du blinder Pharisäer! Mach den Becher zuerst innen sauber, dann ist er auch außen rein.
Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr seid wie die Gräber, die außen weiß angestrichen sind und schön aussehen; innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz und Verwesung. So erscheint auch ihr von außen den Menschen gerecht, innen aber seid ihr voll Heuchelei und Ungehorsam gegen Gottes Gesetz.
Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr errichtet den Propheten Grabstätten und schmückt die Denkmäler der Gerechten und sagt dabei: Wenn wir in den Tagen unserer Väter gelebt hätten, wären wir nicht wie sie am Tod der Propheten schuldig geworden. Damit bestätigt ihr selbst, dass ihr die Söhne der Prophetenmörder seid. Macht nur das Maß eurer Väter voll! Ihr Nattern, ihr Schlangenbrut! Wie wollt ihr dem Strafgericht der Hölle entrinnen? (Mt 23,13-33)

Die Menschen, allen voran solche, die meinen, in Gottes Namen zu handeln, aber letztlich nur ihren eigenen Interessen dienen, verstellen den Blick auf Gott. Immer wieder will Gott sein Volk sammeln, doch seine Boten werden misshandelt und so bleibt dem Volk die Nähe Gottes verborgen. Doch Gott findet immer einen Weg, sich zu zeigen.

Darum hört: Ich sende Propheten, Weise und Schriftgelehrte zu euch; ihr aber werdet einige von ihnen töten, ja sogar kreuzigen, andere in euren Synagogen auspeitschen und von Stadt zu Stadt verfolgen. So wird all das unschuldige Blut über euch kommen, das auf Erden vergossen worden ist, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zum Blut des Zacharias, Barachias' Sohn, den ihr im Vorhof zwischen dem Tempelgebäude und dem Altar ermordet habt. Amen, das sage ich euch: Das alles wird über diese Generation kommen.
Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen.
Und ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr mich nicht mehr sehen, bis ihr ruft: Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! (Mt 23,34-39)