Matthäus 12,1-50

Jesu Anspruch

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In jener Zeit ging Jesus an einem Sabbat durch die Kornfelder. Seine Jünger hatten Hunger; sie rissen deshalb Ähren ab und aßen davon. Die Pharisäer sahen es und sagten zu ihm: Sieh her, deine Jünger tun etwas, das am Sabbat verboten ist. Da sagte er zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren - wie er in das Haus Gottes ging und wie sie die heiligen Brote aßen, die weder er noch seine Begleiter, sondern nur die Priester essen durften? Oder habt ihr nicht im Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester im Tempel den Sabbat entweihen, ohne sich schuldig zu machen? Ich sage euch: Hier ist einer, der größer ist als der Tempel.
Wenn ihr begriffen hättet, was das heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer, dann hättet ihr nicht Unschuldige verurteilt; denn der Menschensohn ist Herr über den Sabbat. (Mt 12,1-8)

Immer wieder gerät Jesus mit den Pharisäern in Streit über das Sabbat-Gebot. Jesus weigert sich, ihre Auslegung anzunehmen, die alles Arbeiten strikt verbietet. Der Sabbat ist für den Menschen da, und daher muss alles erlaubt sein, was dem Menschen gut tut. Arbeit, die den Menschen knechtet, ist verboten. Das Sabbat-Gebot aber soll keine Knechtschaft für den Menschen sein, sondern ihn seiner Freiheit bewusst machen und diese fördern.
Wenn Jesu Jünger am Sabbat Ähren abreißen, um sie zu essen, so ist das keine knechtische Arbeit. Sie ernten das Feld nicht, sondern sie essen Körner, um ihren Hunger zu stillen. Die Pharisäer aber wollen nicht differenzieren. Somit sind ihnen aber auch die Augen verbunden für die Barmherzigkeit Gottes, der eben nicht nur auf das Tun sieht, sondern auch auf den Menschen, der dahinter steht und seine Beweggründe.

Darauf verließ er sie und ging in ihre Synagoge. Dort saß ein Mann, dessen Hand verdorrt war. Sie fragten ihn: Ist es am Sabbat erlaubt zu heilen? Sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn. Er antwortete: Wer von euch wird, wenn ihm am Sabbat sein Schaf in eine Grube fällt, es nicht sofort wieder herausziehen? Und wie viel mehr ist ein Mensch wert als ein Schaf! Darum ist es am Sabbat erlaubt, Gutes zu tun. Dann sagte er zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus, und die Hand war wieder ebenso gesund wie die andere. Die Pharisäer aber gingen hinaus und fassten den Beschluss, Jesus umzubringen. (Mt 12,9-14)

Erneut geht es um das Sabbat-Gebot. Heilen ist für die Pharisäer eine Tätigkeit, die am Sabbat verboten ist. Jesus aber sieht im Heilen eine Befreiung des Menschen. Daher ist gerade die Heilung eines Menschen kein Verstoß gegen, sondern die höchste Erfüllung des Sabbat-Gebotes, weil dieser Mensch so zur Erfahrung der Freiheit, die dieses Gebot schenken möchte, befähigt wird.
Zugleich zeigt Jesus die Heuchelei der Pharisäer. Wenn ihrem eigenen kostbaren Vieh am Sabbat etwas zustößt, werden sie das Tier nicht elend zugrunde gehen lassen, sondern retten, aber nicht deshalb, weil sie ein Herz für Tiere haben, sondern weil sie ansonsten einen materiellen Verlust verbuchen müssten. Gott aber hat ein Herz für die Menschen und er will jeden Menschen heilen, egal ob es gerade Sabbat ist oder nicht.

Als Jesus das erfuhr, ging er von dort weg. Viele folgten ihm, und er heilte alle Kranken. Aber er verbot ihnen, in der Öffentlichkeit von ihm zu reden. Auf diese Weise sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist:
Seht, das ist mein Knecht, den ich erwählt habe, mein Geliebter, an dem ich Gefallen gefunden habe. Ich werde meinen Geist auf ihn legen und er wird den Völkern das Recht verkünden. Er wird nicht zanken und nicht schreien und man wird seine Stimme nicht auf den Straßen hören. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen, bis er dem Recht zum Sieg verholfen hat. Und auf seinen Namen werden die Völker ihre Hoffnung setzen. (Mt 12,15-21)

Jesus hat sich mit den Pharisäern angelegt, er hat ihnen offen widersprochen, mehr noch, er hat ihnen ihre Heuchelei vor Augen gestellt. Das ist unerträglich für sie. Da sie Jesus mit Worten nicht beikommen können, versuchen sie es mit Gewalt. Sie werden von nun an nach einer Gelegenheit suchen, Jesus umzubringen. Doch noch ist die Zeit dafür nicht da, Jesus zieht sich vor ihnen zurück, viele folgen ihm. Während die Pharisäer Jesus für einen Gotteslästerer handeln, sehen die Gläubigen in ihm den Gottesknecht, den der Prophet Jesaja verheißen hat.

Damals brachte man zu ihm einen Besessenen, der blind und stumm war. Jesus heilte ihn, sodass der Stumme wieder reden und sehen konnte. Da gerieten alle Leute außer sich und sagten: Ist er etwa der Sohn Davids? Als die Pharisäer das hörten, sagten sie: Nur mit Hilfe von Beelzebul, dem Anführer der Dämonen, kann er die Dämonen austreiben. Doch Jesus wusste, was sie dachten, und sagte zu ihnen: Jedes Reich, das in sich gespalten ist, geht zugrunde, und keine Stadt und keine Familie, die in sich gespalten ist, wird Bestand haben. Wenn also der Satan den Satan austreibt, dann liegt der Satan mit sich selbst im Streit. Wie kann sein Reich dann Bestand haben? Und wenn ich die Dämonen durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben dann eure Anhänger sie aus? Sie selbst also sprechen euch das Urteil. Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen. Wie kann einer in das Haus eines starken Mannes einbrechen und ihm den Hausrat rauben, wenn er den Mann nicht vorher fesselt? Erst dann kann er sein Haus plündern.
Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Darum sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden, aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Auch dem, der etwas gegen den Menschensohn sagt, wird vergeben werden; wer aber etwas gegen den Heiligen Geist sagt, dem wird nicht vergeben, weder in dieser noch in der zukünftigen Welt.
Entweder: der Baum ist gut - dann sind auch seine Früchte gut. Oder: der Baum ist schlecht - dann sind auch seine Früchte schlecht. An den Früchten also erkennt man den Baum. Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, wenn ihr böse seid? Denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor, weil er Gutes in sich hat, und ein böser Mensch bringt Böses hervor, weil er Böses in sich hat. Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden. (Mt 12,22-37)

Wieder muss sich Jesus gegen die Pharisäer verteidigen. Diesmal geht es um die Austreibung von Dämonen. Die Pharisäer werfen ihm vor, dass er nur dazu in der Lage ist, weil er mit den Dämonen im Bunde steht. Doch Jesus macht deutlich, was das für eine dumme Bemerkung ist. Warum sollten denn die Dämonen sich gegenseitig austreiben? Dann würden sie sich ja selbst um ihre Kraft bringen. Wenn Jesus Dämonen austreibt, so zeigt das vielmehr, dass hier jemand am Werk ist, der stärker ist als die Dämonen.
Jesus wird noch deutlicher: Durch ihn ist der Geist Gottes am Werk und wer sein Wirken den Dämonen zuschreibt, der lästert des Geist Gottes. Diese Sünde wider den Heiligen Geist gilt seit allen Zeiten als größte alle Sünden, eine Sünde, für die es keine Vergebung geben kann, weil sie im Menschen bis an die Wurzel geht. Der Mensch hat sich so tief in seiner irrigen Meinung verfestigt, dass er sie nie wieder aufgeben kann, egal, was geschieht. Wir können uns fragen, ob es wirklich Menschen gibt, die so tief verstockt sein können. Es bleibt ein Geheimnis, das wir nicht ergründen können, das uns aber stets als Mahnung dienen soll.

Zu dieser Zeit sagten einige Schriftgelehrte und Pharisäer zu ihm: Meister, wir möchten von dir ein Zeichen sehen. Er antwortete ihnen: Diese böse und treulose Generation fordert ein Zeichen, aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Innern der Erde sein. Die Männer von Ninive werden beim Gericht gegen diese Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie haben sich nach der Predigt des Jona bekehrt. Hier aber ist einer, der mehr ist als Jona. Die Königin des Südens wird beim Gericht gegen diese Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören. Hier aber ist einer, der mehr ist als Salomo. (Mt 12,38-42)

Nun fordern die Pharisäer plötzlich ein Zeichen von Jesus. Doch wie viele Zeichen hat Jesus schon getan, und keines von ihnen haben sie anerkannt. Was soll er noch tun? Das Zeichen des Jona von dem Jesus spricht, wird allgemein als Hinweis auf seinen Tod und seine Auferstehung gesehen. Doch selbst dieses Zeichen lehnen sie ab. Sie sind nicht bereit umzukehren.

Ein unreiner Geist, der einen Menschen verlassen hat, wandert durch die Wüste und sucht einen Ort, wo er bleiben kann. Wenn er aber keinen findet, dann sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe. Und wenn er es bei seiner Rückkehr leer antrifft, sauber und geschmückt, dann geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein und lassen sich nieder. So wird es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher. Dieser bösen Generation wird es genauso gehen. (Mt 12,43-45)
Als Jesus noch mit den Leuten redete, standen seine Mutter und seine Brüder vor dem Haus und wollten mit ihm sprechen. Da sagte jemand zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir sprechen. Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter. (Mt 12,46-50)