Markus 8,27-38

Bekenntnis, Nachfolge

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Und Jesus ging mit seinen Jüngern in die Dörfer von Cäsarea Philippi.
Und auf dem Weg fragte er seine Jünger und sagte zu ihnen: Für wen halten mich die Menschen?
Sie antworteten ihm und sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, andere aber für einen der Propheten.
Und er fragte sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
Petrus antwortete ihm und sagte: Du bist der Christus.
Und er gebot ihnen, dass sie mit niemandem über ihn reden. (Mk 8,27-30)

Die vorangegangene Blindenheilung hat den Beginn eines neuen Abschnitts im Markus-Evangelium markiert. Jesus ist nun mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Dieser beginnt in Cäsarea Philippi, ganz im Norden des von Juden bewohnten Landes. Auf diesem Weg lehrt Jesus seine Jünger wesentliche Dinge über sich und den Weg der Nachfolge. Zunächst geht es um die entscheidende Frage: Wer ist Jesus eigentlich?
Dreimal ist zuvor im Evangelium bereits die Frage aufgetaucht: "Wer ist dieser?" Sie wurde von den Jüngern gestellt (Mk 4,41), von der Volksmenge (Mk 6,14f.) und von Herodes (Mk 6,16). Nun stellt Jesus selbst diese Frage. Zunächst fragt er seine Jünger danach, für wen ihn die anderen halten. Jesus bekommt das zu hören, wovon schon vorher die Rede war. Einige halten ihn für Johannes den Täufer, der wiedererstanden ist, andere für Elija, der nach dem Glauben der Juden vor dem Erscheinen des Messias wiederkommen wird, andere für sonst einen der Propheten.
Doch alle diese Vorstellungen greifen zu kurz. Jesus passt in kein Schema, das was er sagt, das was er tut, ist für die Menschen etwas unerhört Neues. Die Menschen haben nicht erkannt, wer Jesus wirklich ist. Wissen es seine Jünger? Jesus fragt sie: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" Petrus antwortet im Namen aller: Du bist der Christus.
Damit hat Petrus eine klare und richtige Antwort gegeben, doch verstanden hat er das, was er selbst sagt, ebenso wie alle anderen noch nicht wirklich. Auch er hat seine Wunschvorstellung vom Messias ebenso wie die anderen Jünger. Was erwarten sie wirklich? Sicher warten sie darauf, dass sich die Macht Jesu einmal deutlich zeigen wird. Sie sehen in Jesus den großen Meister, für den es sich nicht geziemt, seinen Jüngern die Füße zu waschen (Joh 13,6), oder den großen Herrscher, an dessen Seite zu Sitzen eine Ehre bedeutet (Mk 10,37) und der das Reich für Israel wieder herstellt (Apg 1,6).
Eines aber erwartet sicher keiner von ihnen: dass Jesus leiden wird und dass er den schmachvollen Tod am Kreuz sterben wird. Doch auch das gehört zu seiner Sendung. Ja, Jesus ist der große Herrscher, der einst mit den Engeln zum Gericht erscheinen wird (Mk 13,26). Doch bis dahin wird seine Macht verborgen bleiben und sein Reich weitgehend unscheinbar in dieser Welt existieren. Das müssen seine Jünger lernen zu verstehen.

Jesus belehrt seine Jünger. Zunächst fragt er sie: "Für wen haltet ihr mich?" Petrus gibt die richtige Antwort: "Du bist der Messias!" - Doch was bedeutet das? Für Jesus bedeutet das auch: Leiden, Tod am Kreuz und Auferstehung.
Das darf nicht sein! Petrus ist empört, nein, so habe ich mir den Messias nicht vorgestellt! Ein Messias der leiden muss - das kann es nicht geben.
Jesus weist Petrus zurecht: Los, hinter mich! - Nachfolge, das bedeutet hinter Jesus hergehen und nicht seinen eigenen Weg zu gehen und zu erwarten, dass Jesus einem folgt.
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Markus
Und er begann sie zu lehren: Der Menschensohn muss vieles leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er sagte das Wort offen heraus.
Und Petrus nahm ihn beiseite und machte ihm Vorwürfe. Er aber wandte sich um und im Blick auf seine Jünger wies er Petrus zurecht und sagte: Los, hinter mich, Satan! Denn du denkst nicht, was zu Gott gehört, sondern was zu den Menschen gehört. (Mk 8,31-33)

Jesus spricht zum ersten Mal ganz offen über sein Leiden und seinen Tod, aber auch über die darauf folgende Auferstehung. Noch zwei weitere Male wird er auf dem Weg nach Jerusalem dies seinen Jüngern sagen, was die Wichtigkeit dieser Aussage unterstreicht.
Aber warum muss der Messias leiden? Warum kann er nicht seine Macht zeigen und so die Menschen an sich ziehen? Um diese Frage zu beantworten wurden ganze Bibliotheken geschrieben. Ein zentraler Aspekt ist sicher die Opfertheologie. Der Sohn Gottes hat sich hingegeben für die Sünde der Menschen und so den Menschen befreit von der Sünde und vom Tod.
Ich möchte hier aber einen anderen Aspekt tiefer betrachten. Jesus wollte das Menschsein in allen seinen Dimensionen durchschreiten, damit jeder Mensch die Möglichkeit hat, Jesus nachzufolgen.
Nachfolge Jesu, das bedeutet, hinter Jesus zu gehen, die eigenen Vorstellungen fallen zu lassen und ganz auf Jesus zu blicken. Das ist es, was Petrus lernen muss. Ohne diese Bereitschaft zur Nachfolge ist der Weg mit Jesus nicht möglich. Wer sich seinen eigenen Jesus nach seinen Vorstellungen zusammenbastelt, der gerät auf den Holzweg und verliert die Spur Jesu. Darum herrscht Jesus auch Petrus so scharf an.
Petrus wollte das Leiden nicht, es passte nicht in sein Bild vom Messias. Doch ob es Petrus passt oder nicht, der Messias muss leiden. Es ist die Empörung tiefster Liebe, die aus Jesu Worten spricht. Jesus will Petrus nicht verlieren, Jesus will nicht, dass Petrus in die Irre geht. Petrus, suche nicht deinen eigenen Weg, folge mir auf dem Weg, den ich gehe!
Jeder muss irgendwann in seinem Leben den Einstieg finden in diesen Nachfolgeweg Jesu. Dies ist möglich, weil Jesus jedem Menschen auf seinem eigenen Weg begegnet, so wie er Petrus und seinen Gefährten beim Fischfang begegnet ist, oder wie er auf die Zöllner zuging, oder auf die Blinden und Kranken. Jesus kommt jedem Menschen entgegen, egal wo er steht, dann aber liegt es an jedem einzelnen, ob er weiter auf seiner Spur bleiben will, oder ob er "die Kurve bekommt" und der neuen Spur folgt, die Jesus ihm vorangeht.
Jesus hat sich nicht gescheut, bis in die tiefsten Abgründe menschlicher Existenz hinabzusteigen, er hat sich nicht gescheut, Sündern und Ausgestoßenen zu begegnen, ja er wurde am Ende seines Lebens in den Augen der Menschen wie ein geächteter Verbrecher am Kreuz hingerichtet. So gibt es keinen Menschen mehr, der sagen könnte, dass Jesus ihm so fern wäre, dass er ihm nicht begegnen könnte.
Hat die Welt jemals von einem Gott gehört, der den Menschen so nahe gekommen ist? Entsprechen nicht die Bilder anderer Götter eher den Vorstellungen der Menschen von einem unnahbaren Herrscher, der in seiner Welt unberührt von den Sorgen der Menschen lebt? Zeige mir einen Gott, der den Menschen so nahe gekommen ist, dass er ihnen bis in den Tod nachgegangen ist, um sie daraus zu befreien! Wo findet sich eine solch unbegrenzte Liebe?

Die Liebe Gottes zu den Menschen ist es, die Jesus in den Tod gehen ließ. Doch gerade diese Liebe ist es auch, die das Leid und den Tod verwandelt und den Weg öffnet zu einem neuen Leben.
Das Kreuz ist grausam, es ist eines der grässlichsten Folterinstrumente, das sich Menschen ausgedacht haben. Noch heute meinen Menschen, seinen Anblick nicht ertragen zu können und es aus der Öffentlichkeit verbannen zu müssen.
Doch durch Jesus Christus hat dieses Marterwerkzeug eine ganz neue Bedeutung bekommen. Für Jesus war das Kreuz nicht das Ende. Er hat alle nur menschenmögliche Bosheit und alles Leid erlitten, qualvoll ist er am Kreuz gestorben und doch hat er durch seinen Tod den Schrecken des Kreuzes besiegt. Der Tod, so grausam Jesus ihn auch erlebt hat, konnte ihn nicht halten. Jesus ist auferstanden.
So ist das Kreuz zum Zeichen des Heils geworden. Es zeigt uns, dass Gott mächtiger ist als alle Gewalt, als alles Leid, ja als selbst der Tod. Es gibt keine Macht, so grausam sie auch sein mag, über die Gott nicht Sieger bleibt.
Wer nicht an Gottes gute Macht glaubt, für den bleibt das Kreuz etwas Unverständliches, ja Abscheuliches. Wer aber Gottes guter Macht glaubt, für den ist das Kreuz ein Zeichen des Sieges und Triumphes über alle Bosheit und alles Leid dieser Welt. Als solches feiern wir es und beten:
Wir rühmen uns des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus.
In ihm ist uns Heil geworden und Auferstehung und Leben.
Durch ihn sind wir erlöst und befreit.

"Auch vor uns steht Jesus heute wie damals vor den Aposteln mit der Frage: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Heute besteht angesichts dieser Frage viel Verwirrung. Die Antworten laufen - zumindest praktisch - häufig darauf hinaus, Christus mit einem Erleuchteten, mit einem klugen Morallehrer oder mit einem faszinierenden Menschenfreund zu identifizieren.
Die Identität Jesu ist nicht ein Problem unter vielen: es ist die fundamentale Frage, denn von der Antwort auf sie hängt die Gesamtansicht auf den Menschen, auf die Gesellschaft, auf die Geschichte, auf das Leben, auf den Tod und auf das, was darüber hinausgeht, ab.
Was die Kirche betrifft und was uns betrifft, steht und fällt alles mit dem Glauben an Jesus von Nazaret. Ihr aber - und Jesus ruft uns hier an - für wen haltet ihr mich? Wir kennen die Antwort, die Simon Petrus im Gebiet von Cäsarea Philippi im Namen aller Jünger gab: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! So hat Petrus also geantwortet, und so hat er durch die Jahrhunderte mittels seiner Nachfolger fortgefahren zu antworten. So antwortet er auch heute aus Rom in Euer aller Namen: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Das ist die Identität Christi, und diese Identität ist die Grundlage der unsrigen."
Papst Johannes Paul II.
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Markus
Und nachdem er die Volksmenge zusammen mit seinen Jüngern zusammengerufen hatte, sagte er zu ihnen:
Wer mir nachfolgen will,
der verleugne sich selbst,
nehme sein Kreuz auf sich
und folge mir.
Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verlieren wird, der wird es retten.
Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein Leben verliert? Denn was könnte ein Mensch als Tauschwert geben für sein Leben? Denn wer auch immer sich meiner und meiner Worte schämt vor dieser ehebrecherischen und sündigen Generation, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er in der Herrlichkeit des Vaters zusammen mit den heiligen Engeln kommt. (Mk 8,34-38)

Auf der Suche nach einem passenden Bild zum heutigen Evangelium bin ich auf das magische Quadrat an einem Portal der Sagrada Familia in Barcelona gestoßen. Die tiefe Symbolik, die hinter diesem Bau steckt, kann hier nicht erörtert werden. Ich fand daran sehr interessant, dass das magische Quadrat in unmittelbarer Nähe zum Namen "Jesus" steht. Wenn man die Zahlen senkrecht, waagrecht oder diagonal addiert, ergibt sich die Zahl 33, die Anzahl der Lebensjahre Jesu.
Wir können das so deuten, dass in diesen 33 Jahren die ganze Fülle menschlichen Lebens enthalten ist. Jesu Leben ist nicht eindimensional, man kann es von allen Seiten her betrachten. Aus jeder Perspektive bleibt es in seinem Wesen dasselbe, aber jeder kann es aus seinem eigenen Blickwinkel betrachten. So ist Jesu Leben offen für viele verschiedene Perspektiven unzähliger Menschen, aber alle, die bereit sind, dabei ihre eigenen Vorstellungen aufzugeben und die ihren Blick von Jesus leiten lassen, werden das gleiche Bild erkennen.

Das Leben Jesu ist kein ewiger "Galiläischer Frühling", in dem Jesus Menschen heilt und glücklich macht. Irgendwann kommt die Stunde der Entscheidung, für Jesus, für seine Jünger und auch für uns. Vielleicht brauchen wir unser ganzes Leben dafür, um das folgende Wort Jesu zu verstehen. Jesus richtet es an jeden einzelnen, Volksmenge und Jünger, alle ruft Jesus zusammen.
Jesus will zeigen, dass es etwas gibt, das anzustreben über allen irdischen Gewinn hinausgeht. Es ist die Herrlichkeit des Vaters. Diese ist auf Erden verborgen und daher lockt der sichtbare Glanz des Irdischen die Menschen mehr. Doch was nützt es einem Menschen, wenn er auf Erden alles gewinnt, dabei aber dieser himmlischen Herrlichkeit verlustig geht? Es gilt, das Denken zu ändern und den Blick von materiellen Werten auf das Himmlische umzustellen. Nur so ist Nachfolge möglich.
Nachfolge schließt das öffentliche Bekenntnis ein. Wer sich Jesu und seiner Worte vor den Menschen schämt, dessen wird sich auch Jesus schämen, wenn er in Herrlichkeit wiederkommt. Sehr schön ist der Parallelismus, den Markus hier anwendet. Jeder möge den Irrsinn erkennen, was es angesichts der Herrlichkeit Gottes bedeutet, sich Jesu zu schämen vor Ehebrechern und Sündern.

"Das ist das anspruchsvolle Gesetz der Nachfolge: Man muss, wenn es notwendig ist, auf die ganze Welt verzichten können, um die wahren Werte zu retten, die Seele zu retten, die Gegenwart Gottes in der Welt zu retten. ...
Wir haben Verlangen nach Gott, wir wollen großmütig sein, aber wir erwarten auch, dass Gott sich in der Welt als stark erweist und die Welt gemäß unseren Vorstellungen und gemäß den Bedürfnissen, die wir sehen, sofort verwandelt.
Gott wählt einen anderen Weg. Gott wählt den Weg der Verwandlung der Herzen im Leiden und in der Demut. Und wie Petrus müssen auch wir uns immer wieder bekehren. Wir müssen Jesus nachfolgen und ihm nicht vorausgehen: Er ist es, der uns den Weg weist.
So sagt uns Petrus: Du glaubst, die richtige Formel zu besitzen und das Christentum verändern zu müssen, aber es ist der Herr, der den Weg kennt. Es ist der Herr, der zu mir sagt, der zu dir sagt: Folge mir nach! Und wir müssen den Mut und die Demut haben, Jesus nachzufolgen, weil er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist."
Papst Benedikt XVI.