Lukas 23,26-56

Jesu Tod

.
Heilige Schrift
Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage. Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! Denn es kommen Tage, da wird man sagen: Wohl den Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben. Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallt auf uns!, und zu den Hügeln: Deckt uns zu! Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden? (Lk 23,26-31)
Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Sie kamen zur Schädelhöhe; dort kreuzigten sie ihn und die Verbrecher, den einen rechts von ihm, den andern links. (Lk 23,32-33)

Der Hohe Rat der Juden hat Jesus mit der Anklage zu Pilatus gebracht, Jesus gebe sich als König aus. Das war die einzige Möglichkeit, um den Vertreter des Römischen Reiches dazu zu bringen, das Todesurteil auszusprechen. Mit Anklagen den jüdischen Glauben betreffend hätte er sich nicht zufrieden gegeben und den Juden war es selbst nicht gestattet, einen Menschen hinzurichten.
Der Leidensweg Jesu folgt diesem Urteil. Die Soldaten und alle, die nichts weiter von Jesus wussten, konnten gar nicht anders, als diesen Mann zu verspotten, der sich da selbst einen König nennt und doch so armselig daher kommt, scheinbar ohne jegliche Macht. Wenn nun Jesus inmitten zweier Verbrecher gekreuzigt wird, so folgt auch dies diesem Schema. Wie ein König inmitten seines Thronrates auftritt, so hängt nun Jesus inmitten der Verbrecher. Welch lausiger Thronrat, welch eine letzte Demütigung für den, der sich da als König ausgegeben hat.

Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Dann warfen sie das Los und verteilten seine Kleider unter sich. Die Leute standen dabei und schauten zu; auch die führenden Männer des Volkes verlachten ihn und sagten: Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er der erwählte Messias Gottes ist. Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst! Über ihm war eine Tafel angebracht; auf ihr stand: Das ist der König der Juden. (Lk 23,34-38)

Jesus betet für seine Peiniger. So wird es - dem Beispiel seines Meisters folgend - später auch Stephanus tun, der erste im Kreis der Märtyrer, die für ihr Zeugnis für Jesus Christus in den Tod gehen. Jesu Bitte an den Vater, dass er denen Vergebung schenken möge, die ihn misshandeln ist das erste der sieben Worte Jesu am Kreuz, die christliche Andacht betrachtet.
Doch Jesu Gebet wird von den Umstehenden nicht beachtet. So groß ist ihre Verachtung für diesen Mann am Kreuz, dass sie von ihm nichts Gutes erwarten. Es läuft alles so wie sonst bei einer Kreuzigung. Die Soldaten nehmen sich ihren Anteil, indem sie die Kleider der Gekreuzigten untereinander verlosen. Gaffer sind da und auch Spötter. Manche erinnern sich an die Geschichten, die man über Jesus erzählt, als großen Wunderheiler. Was sie schon immer gedacht haben, scheint sich nun zu bewahrheiten: Dieser Mann taugt nichts, alles, was über ihn erzählt wird, ist Lüge. Nun sieht man doch, dass er machtlos ist und nichts tun kann.
Die Tafel am Kreuz gibt seine Schuld an: Das ist der König der Juden. Wieder die Verhöhnung Jesu als König. Was für ein König! Leidend hängt er am Kreuz. Man sieht in ihm noch nicht wie bei manch mittelalterlicher Darstellung den König am Kreuzesthron. Seine Macht ist verborgen. Aber doch ist Jesus ein König und seine Königsmacht wird bald offenbar werden.
Da geschieht etwas Außergewöhnliches. Während einer der beiden mit Jesus gekreuzigten Verbrecher in den Hohn der Umstehenden einstimmt, weist der andere ihn zurecht und wendet sich an Jesus. Nur Lukas berichtet dieses Ereignis.

.
Christkönig
Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,39-43)

Der gute Verbrecher, wie wir ihn im Gegensatz zu dem anderen nennen können, glaubt daran, dass Jesus ein König ist. Wir wissen nicht, woher er diesen Glauben nimmt, ob er schon vorher von Jesus gehört hat oder ob ihn etwas an diesem Fremden, der da mit ihm hingerichtet wird, beeindruckt. Vielleicht zeigt ihm Jesu Verhalten dass er doch so ganz anders ist als normale Verbrecher. "Jesus denk an mich, wenn di mit deiner Königsmacht kommst," heißt es bei anderen Textzeugen.
Jesus verspricht ihm, an ihn zu denken. "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein." Ist es ihnen schon einmal aufgefallen, dass Jesus davon spricht, dass das heute geschieht? Jesus hätte ja sagen können, in drei Tagen werde ich auferstehen und dann wecke ich auch dich auf von den Toten. Aber Jesus spricht explizit von heute.

Wir sehen also, dass Gott andere Zeitvorstellungen hat als wir. Gott vergibt uns, bevor wir sündigen, und Jesus verspricht, diesen Dieb ins Paradies zu bringen, bevor er selbst von den Toten auferstanden ist. Der Grund liegt darin, dass Gott im Heute der Ewigkeit lebt. Gottes Ewigkeit bricht jetzt in unser Leben ein. Ewigkeit ist nicht, was am Ende der Zeiten passiert, wenn wir gestorben sind. Immer wenn wir lieben und vergeben, setzen wir einen Fuß in die Ewigkeit, in das Leben Gottes. Und deshalb können wir selbst am Karfreitag voller Freude sein, selbst im Angesicht von Leid und Tod.
Timothy Radcliffe

Wir sollten immer wieder an diesen Verbrecher denken, der mit Jesus am Kreuz hing, wenn wir in unserer Kleinlichkeit Urteile fällen, die Gottes Größe nicht gerecht werden. Selbst die Kirche denkt da manchmal zu kleinlich, wenn sie den Gerechten des Alten Bundes das Paradies verweigern wollte oder einen Limbus geschaffen hat, in dem die Seelen ungetaufter Kinder warten müssen, bis Gott sich vielleicht irgendwann einmal ihrer erbarmt. Solche Vorstellungen kommen daher, dass wir Gottes Ewigkeit nicht denken können. Aber nicht der Verstand des Menschen ist die höchste Instanz sondern das für diesen unbegreifliche Wesen Gottes.
Der Schächer am Kreuz zeigt uns auch die Größe der Barmherzigkeit Gottes. Er hat nichts getan, außer in den letzten Stunden seines Lebens daran zu glauben, dass Jesus wirklich König ist. Dieser Glaube hat ihm das Tor zum Paradies geöffnet. Das ist ein Zeichen dafür, wie viel Gott uns schenken möchte. Wir müssen nur lernen, wie man Geschenke annimmt.
Vergessen wir nie den Schächer am Kreuz und was Jesus zu ihm gesagt hat. Denken wir an das Heute seiner Verheißung, gerade in schweren Stunden. Vielleicht kann uns dieses Wort Jesu dann helfen, dass wir einen Ausweg sehen, den unser begrenzter Verstand nicht erkennen kann, den aber Gottes Größe zu wirken vermag.

.
Heilige Schrift
Es war etwa um die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land hereinbrach. Sie dauerte bis zur neunten Stunde. Die Sonne verdunkelte sich. Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei, und Jesus rief laut: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Nach diesen Worten hauchte er den Geist aus. (Lk 23,44-46)

Jesus übergibt sich ganz der Liebe seines Vaters. Nun ist die Zeit gekommen, dass Jesus wieder heimkehrt zu seinem Vater im Himmel. In seiner Hand liegt Jesu Geschick. Er wird Jesus auferwecken. Bald werden das leere Grab, die Engel und die Erscheinungen des Auferstandenen selbst Zeugnis geben für den endgültigen Sieg der Wahrheit über die Lüge, des Guten über das Böse, der Barmherzigkeit über die Sünde, des Lebens über den Tod. Das letzte Wort gehört nicht der Lüge, dem Hass und der Unterdrückung. Das letzte Wort wird die Liebe sprechen, die stärker ist als der Tod.
Doch zunächst erfordern die Ereignisse um Jesu Tod ein Innehalten. Wir müssen langsam realisieren, was geschehen ist. Die Grabesruhe ist eine Besinnungs- und Trauerzeit. Still werden - nachdenken - traurig sein - aushalten.
In deine Hände lege ich voll vertrauen meinen Geist. Auch wir dürfen unser Leben ganz Gott anvertrauen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass er alles zum Guten führen wird. Werden wir still vor Gott, betrachten wir Jesu Weg und bitten wir Gott darum, dass auch wir uns von ihm führen lassen.
Jesus stirbt am Kreuz, von den Mächtigen verurteilt, von der Menge verspottet, von den Jüngern verlassen, von Schmerzen gequält.
Doch Gott hat beschlossen, uns gerade auf diese Weise zu offenbaren, was göttliche Liebe ist. Der liebende Vater, dessen Arme immer offen stehen, wie hätte Gott tiefer offenbaren können, dass dies nicht nur ein Bild, sondern bleibende Realität ist?

Wenn wir sagen "Christus ist gestorben", bringen wir die Wahrheit zum Ausdruck, dass alles menschliche Leiden aller Zeiten und Räume vom Sohn Gottes erlitten und damit ins innerste Leben Gottes aufgehoben wurde. Es gibt kein Leiden, das Gott nicht erlitten hätte.
Wir müssen zum innersten Wissen gelangen, dass der Todeskampf der Welt der Todeskampf Gottes ist. Der Todeskampf all der Frauen, Männer und Kinder aller Zeiten offenbart uns die unauslotbaren Tiefen des Todeskampfes Gottes, von dem uns ein Schimmer im Garten von Getsemani aufgegangen ist. Der tiefste Sinn der Menschheitsgeschichte liegt darin, die Leiden Christi Stufe um Stufe zu entfalten. Solange es noch eine Menschheitsgeschichte gibt, ist die Geschichte des Leidens Christi noch nicht vollständig erzählt. Je mehr wir versuchen, in dieses Geheimnis einzutreten, desto deutlicher geht uns auf, dass die leidende Welt eine in Gott verborgene Welt ist. Außerhalb von Gott ist das Leiden der Menschen nicht nur unerträglich, sondern man kann es nicht einmal voll ins Auge fassen. Aber wenn uns der innere Zusammenhang zwischen dem Leiden der Welt und Gottes Leiden aufgeht, wird alles radikal anders. Dann sehen wir, dass Gott in und durch Jesus Christus alle Last der Menschen in sein Innerstes aufgehoben und sie zum Weg verwandelt hat, auf dem wir seine unermessliche Liebe erkennen. (Henri Nouwen)
Als der Hauptmann sah, was geschehen war, pries er Gott und sagte: Das war wirklich ein gerechter Mensch. Und alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen, was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen betroffen weg. Alle seine Bekannten aber standen in einiger Entfernung (vom Kreuz), auch die Frauen, die ihm seit der Zeit in Galiläa nachgefolgt waren und die alles mit ansahen.
Damals gehörte zu den Mitgliedern des Hohen Rates ein Mann namens Josef, der aus der jüdischen Stadt Arimathäa stammte. Er wartete auf das Reich Gottes und hatte dem, was die anderen beschlossen und taten, nicht zugestimmt, weil er gut und gerecht war. Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Und er nahm ihn vom Kreuz, hüllte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch niemand bestattet worden war.
Das war am Rüsttag, kurz bevor der Sabbat anbrach. Die Frauen, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, gaben ihm das Geleit und sahen zu, wie der Leichnam in das Grab gelegt wurde. Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Öle und Salben zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom Gesetz vorgeschriebene Ruhe ein. (Lk 23,47-56)
Um das Grab Jesu herrschte tiefe Ruhe. Sie glich der Ruhe jenes siebten Tages, an dem Gott, nachdem er sein Schöpfungswerk vollendet hatte, ruhte.
Am siebten Tag der Woche unserer Erlösung, an dem Jesus seine Aufgabe, zu der ihn sein Vater ausgesandt hatte, ganz erfüllt hatte, ruhte er im Grab. Von allen Tagen der Weltgeschichte ist der Karsamstag der Tag des größten Alleinseins Gottes. Es ist der Tag, an dem keine Worte gesprochen werden und nichts erklärt wird.
Dieser Karsamstag ist der stillste aller Tage. Dieses göttliche Schweigen ist das fruchtbarste Schweigen, das die Welt je gekannt hat. Aus diesem Schweigen heraus wird das Wort neu gesprochen werden und alle Dinge neu machen.
Über Gottes Ruhen in Schweigen und Alleinsein müssen wir noch viel lernen. Die Ruhe Gottes ist eine tiefe Ruhe des Herzens, die sogar fortdauern kann, wenn man von den Mächten des Todes umgeben ist. Es ist die Ruhe, die uns die Hoffnung bietet, dass unser verborgenes, oft unsichtbares Dasein fruchtbar werden wird, selbst wenn wir nicht sagen können, wie und wann.
Was immer wir in unserem Leben unternehmen oder unterlassen: Immer müssen wir mit der Ruhe des Karsamstags in Verbindung bleiben, mit der Ruhe dieses Tages, an dem Jesus im Grab lag und die gesamte Schöpfung darauf wartete, dass alle Dinge neu würden. (Henri Nouwen)