Lukas 14,1-24

Himml. Gastmahl

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Heilige Schrift
Als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen kam, beobachtete man ihn genau. (Lk 14,1)

So übersetzt die Einheitsübersetzung Lk 14,1, im Original aber heißt es genauer:

zum Brot-Essen.

Wenn wir weiterlesen, stoßen wir in 14,15 auf den Ausruf von einem der Gäste:

Selig, wer im Reich Gottes am Mahl teilnehmen darf!

oder genauer übersetzt:

Selig, wer das Brot essen darf im Reich Gottes.

Der Sabbat beginnt am Freitag-Abend mit einem Gottesdienst in der Synagoge und einem gemeinsamen Mahl zuhause. Das Mahl wird begleitet von verschiedenen Gebetssprüchen. Zu Beginn des Mahles werden die Sabbatbrote, die festlich verhüllt auf dem Tisch stehen, enthüllt und verzehrt. Wahrscheinlich spielt Lukas mit seiner für uns ungewöhnlichen Formulierung des Brot-Essens auf diese Zeremonie an. Jesus hat den Sabbat traditionell im Kreis der Juden in der Synagoge und bei einem vornehmen Gastgeber gefeiert.

Da stand auf einmal ein Mann vor ihm, der an Wassersucht litt. Jesus wandte sich an die Gesetzeslehrer und die Pharisäer und fragte: Ist es am Sabbat erlaubt zu heilen, oder nicht? Sie schwiegen. Da berührte er den Mann, heilte ihn und ließ ihn gehen. Zu ihnen aber sagte er: Wer von euch wird seinen Sohn oder seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am Sabbat? Darauf konnten sie ihm nichts erwidern.
Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, nahm er das zum Anlass, ihnen eine Lehre zu erteilen. Er sagte zu ihnen:
Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, such dir nicht den Ehrenplatz aus. Denn es könnte ein anderer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen. Wenn du also eingeladen bist, setz dich lieber, wenn du hinkommst, auf den untersten Platz; dann wird der Gastgeber zu dir kommen und sagen: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.
Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Dann sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten.
Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten. (Lk 14,2-14)

Jesus nimmt die Einladung bei dem führenden Pharisäer als Gelegenheit, diesem und den anderen - sicher auch sehr vornehmen - Gästen eine Lehre zu erteilen. Als Gast soll man sich nicht den Ehrenplatz aussuchen und als Gastgeber nicht nur Gleichgesinnte einladen, sondern auch Arme und Kranke. Jesus stellt sich damit offensichtlich gegen das überhebliche Gebaren der Reichen. Johannes Chrysostomus sagt dazu:

Weil der Bescheidenheit nichts gleich kommt, führt er die Hörer zum Gegenteil des Hochmuts: Er verbietet nicht nur das Streben nach dem Ehrenvorrang, sondern er befiehlt sogar, nach dem Geringsten zu trachten.

Doch ist das Wort Jesu nur an vornehme Pharisäer gerichtet? Wenn wir das Wort Brot hören, denken wir als Christen sofort an ein anderes Brot, die Eucharistie. Brotessen oder Brotbrechen kann so auch eine Umschreibung des christlichen Gottesdienstes sein. Dann erhält das Evangelium einen für die Zeitgenossen des Lukas und auch für uns aktuellen Sinn. Die Worte Jesu sind dann nicht an vornehme Juden gerichtet, sondern meinen indirekt die Mitglieder der christlichen Gemeinde.
Im 11. Kapitel des 1. Korintherbriefs und im 2. Kapitel des Jakobusbriefes hören wir von gravierendem Fehlverhalten während des Gottesdienstes. Da setzen sich die Reichen auf die besten Plätze und den Armen wird ein untergeordneter Platz zugewiesen. Bei der anschließenden Agapefeier lassen die einen es sich gut gehen und sind nicht bereit, mit denen zu teilen, die nichts haben.
Genau solche Missstände werden im heutigen Evangelium kritisiert. Lukas ist ja bekannt als Evangelist, der immer wieder auf die Armen hinweist. Bei ihm heißt es nicht wie bei Matthäus "Selig die Armen im Geiste", sondern "Selig die Armen", ganz konkret. Sicher haben Lukas Erfahrungen in den ihm bekannten Gemeinden zu dieser Haltung veranlasst. Lukas will den Menschen deutlich machen: wenn ihr in der Gemeinde solche Unterschiede zwischen Arm und Reich macht, wenn sich die Reichen die Ehrenplätze suchen und die Armen auf die letzten Plätze verwiesen werden, dann handelt ihr nicht im Sinne Jesu. Welchen Platz haben Arme, Krüppel, Lahme und Blinde in der Gemeinde? Was gibt dir, Reicher, die Gewissheit, dass du mehr wert bist als dieser Arme?
Es ist eine ernste Mahnung, die das Evangelium ausspricht, auch für uns heute. Dabei müssen mit den Reichen nicht nur die ganz Reichen gemeint sein. Auch weniger bemittelte Menschen können herabschauen auf die, die noch weniger haben. Es geht hier auch nicht um die Frage der sozialen Hilfe. Diese ist notwendig, aber oft steht der, der gibt, über dem, der empfängt. Es geht hier vielmehr um die Frage, ob wir bereit sind, andere Menschen, die vielleicht nicht unserem sozialen Status entsprechen, als gleichwertige Mitglieder in der Gemeinde zu betrachten.

Wir wollen also anderen nicht in dieser Hoffnung Gutes erweisen, dass sie es uns vergelten. Denn das ist kalte Berechnung. Daher wird eine solche Freundschaft nicht lange halten. Wenn du aber einen Armen einlädst, wirst du Gott als Schuldner haben, der dich nie vergisst. ... Je geringer nämlich der Bruder ist, umso mehr kommt durch ihn Christus und besucht dich. ... Es soll uns also nicht stören, wenn wir für eine gute Tat keine Belohnung erhalten, sondern vielmehr wenn wir eine erhalten! Denn wenn wir sie hier bekommen, werden wir dort im Himmel keine weitere mehr erhalten. Wenn aber der Mensch dir nichts als Dank gibt, dann wird Gott es dir dort vergelten. (Johannes Chrysostomus)
Als einer der Gäste das hörte, sagte er zu Jesus: Selig, wer im Reich Gottes am Mahl teilnehmen darf. Jesus sagte zu ihm: Ein Mann veranstaltete ein großes Festmahl und lud viele dazu ein. Als das Fest beginnen sollte, schickte er seinen Diener und ließ den Gästen, die er eingeladen hatte, sagen: Kommt, es steht alles bereit! Aber einer nach dem andern ließ sich entschuldigen. Der erste ließ ihm sagen: Ich habe einen Acker gekauft und muss jetzt gehen und ihn besichtigen. Bitte, entschuldige mich! Ein anderer sagte: Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und bin auf dem Weg, sie mir genauer anzusehen. Bitte, entschuldige mich! Wieder ein anderer sagte: Ich habe geheiratet und kann deshalb nicht kommen. Der Diener kehrte zurück und berichtete alles seinem Herrn. Da wurde der Herr zornig und sagte zu seinem Diener: Geh schnell auf die Straßen und Gassen der Stadt und hol die Armen und die Krüppel, die Blinden und die Lahmen herbei. Bald darauf meldete der Diener: Herr, dein Auftrag ist ausgeführt; aber es ist immer noch Platz. Da sagte der Herr zu dem Diener: Dann geh auf die Landstraßen und vor die Stadt hinaus und nötige die Leute zu kommen, damit mein Haus voll wird. Das aber sage ich euch: Keiner von denen, die eingeladen waren, wird an meinem Mahl teilnehmen. (Lk 14,15-24)

Die christliche Gemeinde auf Erden soll ein Abbild der himmlischen Gemeinde sein. Beda Venerabilis sagt dazu:

Wer zur Hochzeit Christi und seiner Kirche einladen wurde, herbeigekommen ist und sich mit den Gliedern der Kirche durch den Glauben verbunden hat, der soll sich nicht selbst hervorheben, indem er seine Verdienste rühmt, als sei er besser als die übrigen. Er wird nämlich seinem Platz einem Ehrenvolleren geben müssen, der später eingeladen worden ist, wenn einer von jenen, die Christus nachfolgen, ihm durch seinen Eifer voraus ist. Er wird beschämt den letzten Platz einnehmen, wenn er die besseren Taten der anderen sieht, und wenn er sein Tun, von dem er so hoch dachte, als gering erkennt. Auf den letzten Platz setzt man sich, wenn man das Wort beherzigt: Je größer du bist, umso mehr erniedrige dich in allem! Der Herr wird den, den er demütig findet, als seinen Freund selig preisen und ihn schnell höher hinaufrücken lassen: Wer immer sich nämlich klein macht wie ein kleines Kind, der ist der größte im Himmelreich.