Lukas 3,1-20

Johannes der Täufer

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Hl. Schrift
Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa, sein Bruder Philippus Tetrarch von Ituräa und Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene; Hohepriester waren Hannas und Kajaphas. Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias. (Lk 3,1-2)

Sorgfalt und Zuverlässigkeit hat Lukas zu Beginn des Evangeliums seinen Lesern versprochen. Dazu gehört auch, dass er präzise Zeitangaben macht. Waren diese Angaben im Rahmen der Kindheitsgeschichte Jesu noch recht ungenau, so werden sie nun eindeutiger. Zugleich ordnet Lukas mit diesen Angaben das, was nun geschieht, in den großen Rahmen der Weltgeschichte ein und unterstreicht so dessen Bedeutung.
Kaiser Tiberius regierte in den Jahren 14 bis 37, daher können wir das Auftreten Johannes des Täufers recht präzise auf das Jahr 28/29 datieren. Pilatus war in den Jahren 26 bis 36 Statthalter von Judäa, Herodes Antipas regierte von 4 v.Chr. bis zum Jahr 39, Philippus von 4 v.Chr. bis 34. Kajaphas war Hoherpriester von 18 bis 36.
Gregor der Große sieht in der Erwähnung des Kaisers Tiberius einen Hinweis darauf, dass das "Evangelium der ganzen Welt verkündet werden sollte" und nicht nur für die Juden, sondern auch für die Heiden bestimmt ist. Dieses Evangelium stammt nicht von Menschen, sondern von Gott selbst. Gottes Wort ist es, das Johannes in der Wüste beruft und an den Jordan sendet.

Und er zog in die Gegend am Jordan und verkündigte dort überall Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden.
So erfüllte sich, was im Buch der Reden des Propheten Jesaja steht: Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.
Das Volk zog in Scharen zu ihm hinaus, um sich von ihm taufen zu lassen. Er sagte zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen, und fangt nicht an zu sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. (Lk 3,3-9)

Schon als Kind war Johannes in die Wüste gegangen (vgl. 1,80).

Er hatte im Geist und in der Kraft des Elija dieses Leben begonnen und lebte ohne Kontakt mit den Menschen, ganz frei für die Betrachtung der unsichtbaren Dinge, damit er sich nicht durch die Täuschungen der Sinne verwirren und beirren ließe, wenn es darum ging, den richtigen Menschen zu erkennen.
Er wurde zu einer solchen Höhe göttlicher Gnaden erhoben, dass ihm mehr Gnade eingegossen wurde als den Propheten, denn er richtete sein reines und von jeder natürlichen Leidenschaft losgelöstes Verlangen von Anfang bis zum Ende darauf hin, die göttlichen Dinge zu betrachten." (Ambrosius)

Johannes kommt, um dem Herrn den Weg zu bereiten. Dieser Weg ist nicht die prachtvolle Königsstraße durch die Wüste, die das Buch Baruch verheißen hat. Es ist der Weg in die Herzen der Menschen, den er bahnt, indem er den Menschen zeigt, dass sie umkehren müssen.
Wir richten es uns gerne gemütlich ein, doch das lässt uns träge werden und wir merken nicht, dass wir langsam aber sicher vom Kurs abkommen, wie ein Schiff, dessen Steuermann schläft, und wir sehen nicht die Gefahren, auf die wir zutreiben. Da braucht es eine Stimme, die uns wachrüttelt, die uns mahnt, wieder auf Kurs zu gehen.
Johannes traf die Herzen der Menschen. Obwohl er keineswegs ihren Ohren schmeichelte, waren viele bereit, auf ihn zu hören, sie kamen und ließen sich von ihm taufen, um so ihre Umkehr zu besiegeln. So sollten sie wachen Sinnes sein und aufmerksam dafür, das Heil zu sehen, das von Gott kommt.
Aufmerksam sein, um das Heil zu sehen, das von Gott kommt. "Meine Augen haben das Heil gesehen, das Gott vor den Augen der Völker bereitet hat", sagt der alte Simeon, als er das Jesuskind in seine Arme nimmt, "ein Licht zur Offenbarung für die Völker und zur Herrlichkeit für das Volk Israel" (vgl. 2,30-32). Er hat sein Leben lang auf diesen Augenblick gewartet.

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Hl. Schrift
Da fragten ihn die Leute: Was sollen wir also tun? Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso. Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: Meister, was sollen wir tun? Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist. Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold! (Lk 3,10-14)

Ausführlich schildert Lukas, welche Zeichen der Umkehr Johannes den Menschen auferlegte. Wer so wohlhabend ist, dass er zwei Gewänder hat, soll eines davon jemandem geben, der keines hat und wer zu essen hat soll ebenso mit anderen teilen. So sollen die Güter der Erde gerecht verteilt werden, damit nicht einige wenige aus purem Luxus überflüssige Dinge horten, während andere nicht einmal das Nötigste zum Leben haben.
Zöllner waren bekannt dafür, dass sie maßlos in die eigene Tasche wirtschafteten - und das ganz legal, denn solange sie die festgesetzte Summe an die Obrigkeit ablieferten, interessierte sich niemand dafür, welchen Zoll sie tatsächlich von den Leuten erhoben. Die Forderung des Johannes, auf diese Bereicherung zu verzichten, macht den Beruf des Zöllners sicher uninteressant, denn die Aussicht auf hohen Gewinn war ja wohl der Anreiz für diesen in der Gesellschaft verachteten Beruf. Auch Soldaten hatten ihre "legalen" Methoden, um ihren niedrigen Sold aufzubessern.
Johannes fordert nichts Außergewöhnliches, nichts was dem Menschen schaden könnte. Wer gibt oder auf etwas verzichtet, der braucht nur auf das zu verzichten, was er zu viel hat und eigentlich nicht wirklich braucht. Doch selbst das kostet große Überwindung - wir kennen das sicher von uns selbst. Ein paar Euro spenden, das tut uns nicht weh. Aber die Hälfte von dem abzugeben, was am Ende des Monats noch übrig ist, dazu sind sicher nur wenige bereit.
Von Klara von Assisi wird berichtet, dass sie das, was sie den Armen schenkte, sich vom eigenen Mund absparte, und nicht etwa vom großen Vermögen der Familie nahm. Sie teilte die Portion, die ihr zugemessen war. Ist das nicht gegen alle Logik, dass wir dann glücklich werden, wenn wir teilen? Wir wollen das Glück für uns und meinen, es dadurch erhalten zu können, dass wir möglichst viel für uns haben. Doch macht Haben allein glücklich? Diese menschliche Logik, die unsere Gesellschaft weitgehend beherrscht, hat uns vielmehr in eine tiefe Krise gestürzt. Teilen hingegen macht reicht, aber das vergessen wir allzu oft.

Das Volk war voll Erwartung und alle überlegten im Stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei. (Lk 3,15)

Das Volk war voll Erwartung - Dieser auf den ersten Blick unscheinbare Satz ist es wert, etwas bei ihm zu verweilen. Die Menschen damals haben den Messias erwartet. Dieser Messias sollte einer sein, der das Volk aus der Hand seiner Unterdrücker, der römischen Besatzungsmacht, befreit, aber auch einer, der alle hinführt zum Zion, zum Tempel des Herrn, damit die Welt die Größe des Gottes Israel erkennt.
Wer etwas erwartet, ist auch bereit, etwas dafür zu geben. Diese menschliche Eigenschaft wird sehr oft ausgenutzt. Viele versprechen den Menschen Gesundheit und Glück, die Menschen sind bereit dafür zu zahlen, aber oft ist dann das Geld weg, Gesundheit und Glück aber weiter entfernt als je zuvor. Auch Johannes der Täufer stellt an die Menschen, die voller Erwartung zu ihm kommen, hohe Anforderungen. Teilen, und das nicht etwa wie wir heute oft Spenden im Verhältnis 99:1, sondern 50:50.
Doch Johannes selbst ist nicht der Erwartete. Er schmückt sich nicht mit falschen Federn. Er bleibt bei der Wahrheit, auch wenn es ihm vielleicht schwer fällt. Er weist auf den Kommenden hin.

Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner Predigt. (Lk 3,16-18)

Eindrucksvoll ist das Auftreten Johannes des Täufers am Jordan. Findet Johannes schon sehr deutliche Worte, um selbst den Menschen ins Gewissen zu reden, so verkündet er noch eindrücklicher das Auftreten des Messias, der mit den Menschen noch schärfer ins Gericht gehen wird. Doch Jesus kam ganz anders, als Johannes ihn angekündigt hat. Er kam nicht als strenger Bote von Gottes Gericht, sondern als Bote der Liebe Gottes. Jesus wird seinen Worten nicht mit der Androhung des Gerichts Nachdruck verleihen, sondern indem er den Menschen Heilung schenkt.

Johannes tadelte auch den Tetrarchen Herodes wegen (der Sache mit) Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen all der anderen Schandtaten, die er verübt hatte. Deshalb ließ Herodes Johannes ins Gefängnis werfen und lud so noch mehr Schuld auf sich. (Lk 3,19-20)

Johannes tritt unerschütterlich für die Wahrheit ein. Er scheut sich nicht davor, selbst den Mächtigen ins Gewissen zu reden. Daher lässt Herodes ihn ins Gefängnis werfen. Damit ist sein öffentliches Auftreten beendet. Später wird Johannes aus dem Gefängnis Boten zu Jesus schicken, um sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob Jesus wirklich "der ist, der kommen soll". Dann wird Jesus nicht etwa so antworten, dass er sagt: Ja, schau doch, das Gericht ist in vollem Gang, Donner und Blitz fallen auf die sündige Menschheit herab und vernichten die Frevler, wie einst Sodom und Gomorra zugrunde gegangen ist. Nein, die Antwort Jesu ist eine andere: "Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet." (Lk 7,22)