Jakobusbrief 2,1-26

Glaube,Armut,Werke

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Jak
Meine Brüder, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person. Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt, und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung, und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz dich hier auf den guten Platz! und zu dem Armen sagt ihr: Du kannst dort stehen! oder: Setz dich zu meinen Füßen! - macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und fällt Urteile aufgrund verwerflicher Überlegungen?
Hört, meine geliebten Brüder: Hat Gott nicht die Armen in der Welt auserwählt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben des Königreichs zu machen, das er denen verheißen hat, die ihn lieben? (Jak 2,1-5)

In der heutigen Lesung spricht der Jakobusbrief ein Problem an, das wir alle kennen. Oft beurteilen wir Menschen nach dem Äußeren, nach dem Besitz. "Hast du was, dann bist du was."
So soll es in der christlichen Gemeinde nicht sein. Hat Gott nicht gerade die Armen dazu erwählt, im Glauben reich zu sein? Diese Stelle erinnert an das Wort Jesu: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." (Lk 18,25)
Mutter Teresa, der Engel der Armen, hat einmal gesagt:
"Gott hat die Armut nicht erschaffen, er schuf nur uns."
Nicht Gott ist es, der den Unterschied zwischen Armut und Reichtum geschaffen hat, es sind die Menschen, die diesen Unterschied schaffen. Es gibt zu allen Zeiten Armut - aber wir können einen Beitrag dazu leisten, Armut zu lindern. Nur wenige sind wie Mutter Teresa dazu berufen, ganz für die Armen da zu sein. Aber jeder kann mit anderen teilen. Auch wenn das alles nur kleine Schritte sind, wie ein kleiner Tropfen im Ozean. Aber ohne diesen Tropfen wäre der Ozean ein bisschen kleiner.
Wir können bei uns selbst anfangen, indem wir uns nicht vom äußeren Schein blenden lassen, indem wir die Armen mit den Augen Gottes sehen. Dürfen wir die verachten, die Gott liebt?

Ihr aber verachtet den Armen. Sind es nicht die Reichen, die euch unterdrücken und euch vor die Gerichte schleppen? Sind nicht sie es, die den hohen Namen lästern, der über euch ausgerufen worden ist? Wenn ihr dagegen nach dem Wort der Schrift: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! das königliche Gesetz erfüllt, dann handelt ihr recht.
Wenn ihr aber nach dem Ansehen der Person urteilt, begeht ihr eine Sünde und aus dem Gesetz selbst wird offenbar, dass ihr es übertreten habt. Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt. Denn er, der gesagt hat: Du sollst nicht die Ehe brechen!, hat auch gesagt: Du sollst nicht töten! Wenn du nicht die Ehe brichst, aber tötest, hast du das Gesetz übertreten.
Darum redet und handelt wie Menschen, die nach dem Gesetz der Freiheit gerichtet werden. Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht. (Jak 2,6-13)

Jakobus mahnt eindringlich: Wer die Armen verachtet, begeht eine Sünde. Eindrücklich zeigt er auf, dass bereits eine Sünde den Menschen im Ganzen zu einem Übertreter des Gesetzes macht. Selbst wenn also einer in allem das Gesetz erfüllen würde, wenn er die Armen verachtet, so ist all sein anderes Bemühen vor Gott nutzlos.
Zugleich gilt aber auch eine andere Regel vor Gott: wer Barmherzigkeit erweist, der wird selbst bei Gott Erbarmen finden.
Jeder muss ehrlich zugeben, dass er es nie schaffen wird, gänzlich ohne Sünde zu leben. Jeder ist auf das Erbarmen Gottes angewiesen. Wie es aber unheimlich schwer erscheint, in allem das Gesetz Gottes zu erfüllen, so ist es im Gegensatz dazu unheimlich leicht, Gottes Erbarmen zu erlangen. Wir können in jedem Moment unseres Lebens damit anfangen, den Menschen um uns herum Gutes zu tun.
Johannes Chrysostomus, der um das Jahr 400 Bischof von Konstantinopel war, hat die Unterschiede zwischen Arm und Reich beim Namen genannt. Anschaulich zeigt er, dass Christus selbst uns in den Armen begegnet: "Ich könnte mich selbst ernähren, aber ich irre lieber als Bettler umher und strecke meine Hand an deiner Tür aus, um von dir ernährt zu werden. Aus Liebe zu dir handle ich so."
Jeder kann Gutes tun: "Zu den Werken der Barmherzigkeit brauchen wir nichts anderes als nur die gute Absicht. Auch wenn du noch so arm, ja selbst ein Bettler bist, wenn du nur ein paar kleine Münzen oder etwas Brot hast und davon gibst, so bist du zum Gipfel dieser Kunst aufgestiegen. Diese Wissenschaft also wollen wir erlernen und in die Tat umsetzen, denn sie zu verstehen ist besser, als König zu sein und sich mit einem Diadem zu schmücken."
Der lästige Bettler vor der Tür wird für uns zum Lehrer höchster Lebenskunst. Wie können wir den verachten, der uns mehr beibringen kann, als viele gelehrte Bücher? Warum fällt es uns oft so schwer, das Einfachste zu tun?

Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das? So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat.
Nun könnte einer sagen: Du hast Glauben und ich kann Werke vorweisen; zeig mir deinen Glauben ohne die Werke und ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke. Du glaubst: Es gibt nur den einen Gott. Damit hast du Recht; das glauben auch die Dämonen und sie zittern. Willst du also einsehen, du unvernünftiger Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist?
Wurde unser Vater Abraham nicht aufgrund seiner Werke als gerecht anerkannt? Denn er hat seinen Sohn Isaak als Opfer auf den Altar gelegt. Du siehst, dass bei ihm der Glaube und die Werke zusammenwirkten und dass erst durch die Werke der Glaube vollendet wurde. So hat sich das Wort der Schrift erfüllt: Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt.
Ihr seht, dass der Mensch aufgrund seiner Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein.
Wurde nicht ebenso auch die Dirne Rahab durch ihre Werke als gerecht anerkannt, weil sie die Boten bei sich aufnahm und dann auf einem anderen Weg entkommen ließ? Denn wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube tot ohne Werke. (Jak 2,14-26)

Allein der Glaube, das war Luthers Schlachtruf gegen die katholische Werkfrömmigkeit, die Ablass der Sündenstrafen gegen bare Münze versprach. Luther hat daher den Jakobusbrief verschmäht und aus den kanonischen Schriften entfernt.
Doch Jakobus hätte sicher auch die Werkgerechtigkeit zur Zeit Luthers verurteilt. Der Jakobusbrief schreibt ganz deutlich, dass es nicht nur darum geht, einfach ein paar Münzen für sein Seelenheil zu opfern. Das ist zu billig. Es geht um die Achtung des Menschen als Person und zwar aller Menschen in gleicher Weise unabhängig vom sozialen Stand.
Sicher tut man auch Luther unrecht, wenn man sein "der Glaube allein" dahingehend auslegt, dass er damit die Nächstenliebe abschaffen wollte. Die Nächstenliebe ist eines der grundlegenden Merkmale des Christentums. Der Weg zu Gott führt im Christentum immer über den Nächsten. Das Christentum lässt sich nicht auf eine bloße innere Spiritualität reduzieren. Aber Christentum ist auch nicht nur Nächstenliebe.
Wir müssen immer beides sehen: den Glauben an Gott, an die Wahrheit, an Jesus Christus und die Werke der Nächstenliebe. Beides muss sich gegenseitig durchdringen und so kann eines das andere fördern und den Menschen immer mehr zur Vollkommenheit führen, zu der er berufen ist.