Jakobusbrief 1,2-27

Versuchung, Ausdauer

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Jak
Nehmt es voll Freude auf, meine Brüder und Schwestern, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet! (Jak 1,2)

Nach der kurzen Anrede kommt der Jakobusbrief gleich zur Sache und spricht mit der Versuchung ein Thema an, das allen bekannt ist. Er sagt nicht, hütet euch vor Versuchungen, oder ähnliches. Nein, im Vordergrund steht die Freude, die Freude daran, dass Versuchungen über uns kommen.
Doch warum sollen wir uns über Versuchungen freuen? Im Vater Unser bitten wir Gott doch gerade darum, dass er uns nicht in Versuchung führe.
Jeder kennt sicher die Last der Versuchung. Da sind die kleinen Versuchungen, Naschereien, denen nachzugeben manchmal zu Übelkeit, sicher aber zu erhöhtem Gewicht führt.
Jeder kennt aber auch die großen Versuchungen, die uns vom Weg mit Gott abbringen wollen, die drei klassischen Versuchungen, denen auch Jesus in der Wüste ausgesetzt war, die Versuchung, der Gier nach Besitz, Macht und Ansehen alles andere unterzuordnen.
Was soll uns das alles nutzen? Mir kommt hier ein Spruch des heiligen Wüstenvaters Antonius in den Sinn:

Schaffe die Versuchungen ab, und niemand wird gerettet werden.

Jede Versuchung stellt uns vor eine Wahl, ihr nachzugeben oder ihr zu widerstehen. Geben wir nach, so haben wir mit der Versuchung keine Mühe, wohl aber quälen uns hinterher oft die Folgen unseres Versagens.
Der Versuchung zu widerstehen ist oft ein harter Kampf, aber wenn wir ihn gewinnen, gehen wir als reifere Menschen daraus hervor. Jede überwundene Versuchung macht uns stärker und lässt uns unseren Lebensweg und unseren Weg mit Gott sicherer gehen. Auch wenn der Kampf gegen die Versuchungen oft schwer ist, er ist nichts im Vergleich zu der Freude, die danach auf uns wartet.

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Jak
Ihr wisst, dass die Prüfung eures Glaubens Geduld bewirkt. Die Geduld aber soll zu einem vollkommenen Werk führen, damit ihr vollkommen und untadelig seid und es euch an nichts fehlt. (Jak 1,3-4)

Prüfung führt zu Geduld, Geduld aber zu Vollkommenheit. Wir können nicht alles jetzt gleich und sofort haben. Wer ein Ziel erreichen will, der muss "dran bleiben", sich dem Ziel oft in kleinen Schritten nähern.
Wir kennen das vom Sport. Ausdauer erfordert konsequentes Training. Nur wer regelmäßig trainiert, kann über längere Zeit gute Leistungen bringen und zum Beispiel weite Strecken laufen. Aber auch wer im Studium oder Beruf vorankommen will, braucht Ausdauer, muss konzentriert über längere Zeit Lernen, muss eine Aufgabe sorgfältig zu Ende bringen.
All das fällt uns nicht einfach so in den Schoß, aber meist zahlen sich die Mühen und Entbehrungen, die wir dafür auf uns nehmen, aus.
Wie ist das beim Glauben? Oft ist der Glaube etwas, das so nebenbei zum Leben gehört - wenn überhaupt. Aber viel Zeit und Mühe wollen wir dafür nicht investieren.
Doch auch der Glaube fällt uns nicht einfach in den Schoß. Zwar wird der Glaube den meisten "in die Wiege gelegt", sie werden als Kind getauft und lernen die Grundlagen des Glaubens zuhause oder auch im Religionsunterricht, aber das ist nur der Anfang.
Wer seinen Weg mit Gott gehen will, der muss täglich "trainieren", um auf diesem Weg Ausdauer zu haben. Training, das ist nach dem Jakobusbrief das Aushalten der Versuchung. Nicht sich einfach durchs Leben treiben lassen, sondern bewusst agieren und das Gute tun.
Das Training des Glaubens ist ganz besonders das Gebet. Es ist oft mühsam, auch nur einige Minuten am Tag ganz für das Gebet frei zu nehmen und dann auch wirklich dabei zu bleiben. Wer aber durchhält, dem wird sich ein ganz neuer Blick öffnen, eine Weite, die anderen verschlossen bleibt.
Mit diesem Training können wir jeden Tag beginnen. Was wir dazu brauchen, ist nur ein Ort, an dem wir zur Ruhe finden. Dann gilt es, einfach da zu sein, uns vor Gott zu stellen, so wie wir sind und eine gewisse Zeit ganz bei ihm zu sein mit unseren Gedanken und unserem Herzen.

Die ersten Augenblicke des neuen Tages
gehören nicht den eigenen Plänen und Sorgen,
auch nicht dem Übereifer der Arbeit,
sondern Gottes befreiender Gnade,
Gottes segnender Nähe.
(Dietrich Bonhoeffer)
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Jak
Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf.
Wer bittet, soll aber voll Glauben bitten und nicht zweifeln; denn wer zweifelt, ist wie eine Welle, die vom Wind im Meer hin und her getrieben wird. Ein solcher Mensch bilde sich nicht ein, dass er vom Herrn etwas erhalten wird: Er ist ein Mann mit zwei Seelen, unbeständig auf all seinen Wegen. (Jak 1,5-8)

Wenn es uns schwer fällt, den Weg mit Gott zu gehen, wenn wir nicht wissen, wohin wir gehen sollen, was wir tun sollen, dann dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott uns stets weiter hilft. Wir dürfen ihm all unsere Nöte und Fragen im Gebet anvertrauen.
Wir müssen lernen, uns von Gott beschenken zu lassen. Das kann ein langer Prozess sein, der vielleicht unser ganzes Leben dauert. Aber wir können jeden Tag lernen, unser Herz ein Stück weiter zu öffnen für das, was Gott in uns hinein legen möchte.
Wichtig ist das Vertrauen, dass Gott bei uns ist und es gut mit uns meint. Wir erhalten oft so wenig von seinen Gaben, nicht weil Gott uns nicht beschenken will, sondern weil wir zu wenig bereit sind, uns von ihm beschenken zu lassen.
Glaube bedeutet, fest stehen in dem, was man erhofft. Das heiß auch, der Versuchung zu wiederstehen, die uns von diesem Glauben abbringen möchte. Wer im Vertrauen auf Gottes Hilfe standhält, der kommt ans Ziel.
Für den Zweifler aber gebraucht der Jakobusbrief das Bild der Welle, die vom Wind hin und her getrieben wird. Ein solcher Mensch gibt jeder Versuchung nach, triftet mal hierhin, mal dorthin, aber immer weiter weg von seinem Ziel.
Wer sich von Gott führen lässt, der gewinnt Standfestigkeit und Halt im Leben, der lernt auch die schwierigen Situationen im Leben zu meistern. Es ist nie zu spät, sich den Wind und den Wellen entgegenzustellen und den eigenen Kurs zu steuern.

Der Bruder, der in niederem Stand lebt, rühme sich seiner hohen Würde, der Reiche aber seiner Niedrigkeit; denn er wird dahinschwinden wie die Blume im Gras. Die Sonne geht auf und ihre Hitze versengt das Gras; die Blume verwelkt und ihre Pracht vergeht. So wird auch der Reiche vergehen mit allem, was er unternimmt. (Jak 1,9-11)

Bevor der Jakobusbrief weiter auf das Thema Versuchung zu sprechen kommt, stellt er Arme und Reiche einander gegenüber, ein Thema, auf das er dann am Beginn des zweiten Kapitels näher eingehen wird und das dort näher betrachtet werden soll. reinigt in sich alle Menschen, die zu Gott gehören, wie in einem Leib. Jeder, der die Erlösung annimmt, wird ein Glied am Leib Christi und hat durch diese Gliedschaft teil am Vater und dessen himmlischen Reich.

Glücklich der Mann, der in der Versuchung standhält. Denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten, der denen verheißen ist, die Gott lieben.
Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott kann nicht in die Versuchung kommen, Böses zu tun, und er führt auch selbst niemand in Versuchung. Jeder wird von seiner eigenen Begierde, die ihn lockt und fängt, in Versuchung geführt. Wenn die Begierde dann schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt; ist die Sünde reif geworden, bringt sie den Tod hervor. (Jak 1,12-14)

Auch wenn der Jakobusbrief uns am Anfang des Kapitels zur Freude über die Versuchung aufgerufen hat, so stellt er hier doch eines klar: die Versuchung stammt nicht von Gott. Aber doch können wir sie uns zu Nutze machen. Würden wir der Versuchung erliegen und durch sie unser Leben zerstören lassen, dann hätte der Versucher gewonnen. Wenn wir aber standhalten und die Versuchung überwinden, so gehen wir als Sieger hervor.
Der Mensch ist dazu aufgerufen, sich die Widrigkeiten des Lebens zu Nutze zu machen. Nicht, indem er sie als "gottgegeben" - was sie eben gerade nicht sind - annimmt. Nein. Sondern indem er anpackt und mithilft, die Widrigkeiten zu überwinden.
Auch durch das, was nicht von Gott kommt, können wir näher zu Gott finden, wenn wir es überwinden. So können wir lernen, auch Widrigkeiten als Geschenk anzunehmen. Indem wir sie überwinden, können wir mit dem Guten, das daraus entsteht, eine neue Welt bauen.

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Jak
Lasst euch nicht irreführen, meine geliebten Brüder. Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, vom Vater der Gestirne, bei dem es keine Veränderung und keine Verfinsterung gibt.
Aus freiem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren, damit wir gleichsam die Erstlingsfrucht seiner Schöpfung seien. (Jak 1,15-18)

Von Gott kommt alles Gute - und nur Gutes. Gott ist gut und Gott ist Liebe. Er lässt, wie Jesus einmal sagt, "seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten" (Mt 5,45).
Bei Gott gibt es keine Verfinsterung. Das ist eine klare Absage an einen zürnenden Gott. Gott ist nicht launisch wie wir Menschen. Er ist nicht mal freundlich, mal zornig.
Gott steht zu seinem Wort. Er hat uns erwählt. Wir sind die Erstlingsgaben seiner Schöpfung. Die erste Frucht, der Erstgeborene, sie galten im Alten Bund als Gott geweiht. Die Erstlingsgaben wurden Gott dargebracht, der Erstgeborene durch ein Opfer ausgelöst.
So sind auch wir Gott geweiht, sollen als neue Menschen leben, nicht mehr nach dem Sinn dieser Welt, sondern nach Gottes Willen. Dieser Würde, die Gott uns verliehen hat, sollen wir uns stets bewusst sein.

Denkt daran, meine geliebten Brüder: Jeder Mensch soll schnell bereit sein zu hören, aber zurückhaltend im Reden und nicht schnell zum Zorn bereit; denn im Zorn tut der Mensch nicht das, was vor Gott recht ist.
Darum legt alles Schmutzige und Böse ab, seid sanftmütig und nehmt euch das Wort zu Herzen, das in euch eingepflanzt worden ist und das die Macht hat, euch zu retten.
Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst.
Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich, geht weg und schon hat er vergessen, wie er aussah.
Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und an ihm festhält, wer es nicht nur hört, um es wieder zu vergessen, sondern danach handelt, der wird durch sein Tun selig sein.
Wer meint, er diene Gott, aber seine Zunge nicht im Zaum hält, der betrügt sich selbst und sein Gottesdienst ist wertlos.
Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren. (Jak 1,19-27)