Liebe Brüder, da ihr Fremde und Gäste seid in dieser Welt, ermahne ich euch: Gebt den irdischen Begierden nicht nach, die gegen die Seele kämpfen. Führt unter den Heiden ein rechtschaffenes Leben, damit sie, die euch jetzt als Übeltäter verleumden, durch eure guten Taten zur Einsicht kommen und Gott preisen am Tag der Heimsuchung.
Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung: dem Kaiser, weil er über allen steht, den Statthaltern, weil sie von ihm entsandt sind, um die zu bestrafen, die Böses tun, und die auszuzeichnen, die Gutes tun.
Denn es ist der Wille Gottes, dass ihr durch eure guten Taten die Unwissenheit unverständiger Menschen zum Schweigen bringt. Handelt als Freie, aber nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für das Böse nehmen, sondern wie Knechte Gottes.
Erweist allen Menschen Ehre, liebt die Brüder, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser! (1Petr 2,11-17)
Der Erste Petrusbrief gibt hier Weisungen für ein christliches Leben. Zunächst geht es um das Verhalten der Christen in einer heidnischen Umwelt. Diese nimmt die Andersartigkeit der Christen zur Kenntnis. Die Christen sollen stets so leben, dass sie den Heiden keinen Grund zum Anstoß geben, das heißt zunächst, dass sie sie so leben sollen, wie es dem christlichen Glauben entspricht: enthaltsam und rechtschaffen. Christen sollen kein ausschweifendes Leben führen und auch keine Verbrechen begehen.
Zudem sollen sich die Christen der staatlichen Ordnung unterwerfen. Anders als der Islam ist das Christentum keine politische Religion. Das Christentum mit seinen Forderungen zur Feindesliebe und dem Ideal der Gütergemeinschaft kann nicht die Grundlage für ein staatliches Gebilde geben. Immer dann, wenn ein Staat "christlich" wurde, führte das zu einer Abwertung christlicher Ideale. Christen sind in dieser Welt aber nicht von dieser Welt. Das Christentum muss stets ein Korrektiv zum allgemein verbreiteten Mainstream sein. Leider haben die Christen das in der langen Tradition "christlicher" Staaten verlernt.
Heute aber, in einer Zeit, in der es keine christlichen Staaten mehr gibt (auch wenn es noch Parteien gibt, die sich "christlich" nennen), müssen die Christen wieder ihren Platz in der Gesellschaft finden. Und dieser bedeutet eben nicht, mit dem Mainstream mitschwimmen und zu allem ja und amen sagen, auch wenn vermeintliche Gutmenschen heute zu meinen glauben, was gut ist. Nicht alles, was aus Sicht der Gutmenschen gut ist, muss auch christlich sein und die Christen sollten sich nicht von anderen das vorgeben lassen, was sie zu leben haben. Dafür gibt es die Heilige Schrift, hier steht, wie christliches Leben geht. Darauf müssen wir uns wieder neu besinnen und dieses Christliche in die Gesellschaft einbringen und es wird mehr denn je - wie schon in den ersten Jahrhunderten des Christentums - etwas sein, das bei der großen Mehrheit der Menschen auf Verwunderung und Kritik stößt. Aber nur so wird das Christentum auch wieder Menschen für ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi begeistern können.
Dennoch sollten wir uns aber vor einer pauschalen Kritik christlicher Staaten hüten. Gerade durch christlichen Einfluss ist erst die freie Gesellschaftsordnung, die wir heute zumindest im "Westen" haben, möglich geworden. Soziale Gerechtigkeit, Armenfürsorge, Sorge für Kranke und Sterbende, ja die Menschenrechte selbst haben zutiefst christliche Wurzeln. Wir sollten die Freiheit, die uns die christliche Werteordnung gebracht hat, zu schätzen lernen und diese Freiheit nicht als selbstverständlich ansehen, sondern als ein Gut, das es zu verteidigen gilt.
Das Ziel der Christen ist es also nicht, staatliche Macht zu übernehmen. Die Christen unterstellen sich vielmehr bereitwillig der staatlichen Ordnung - natürlich nur solange diese in einem gewissen Sinn als gerechte Ordnung verstanden werden kann. Die Unterwerfung unter staatliche Ordnung bedeutet also nicht, einem Unrechtsregime als willige Helfer zur Verfügung zu stehen. Christen haben immer nach der Maxime christlichen Lebens, dem dreifachen Liebesgebot Jesu Christi, zu handeln. Sie werden so ein Unrechtsregime nicht stürzen, aber durch den Widerstand der Liebe massiv dessen Fundamente in Bedrängnis bringen.
Erweist allen Menschen Ehre, liebt die Brüder, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser! Es ist täglich eine neue Herausforderung, diesen so unscheinbar daherkommenden Satz zu erfüllen.
Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Ehrfurcht euren Herren unter, nicht nur den guten und freundlichen, sondern auch den launenhaften. Denn es ist eine Gnade, wenn jemand deswegen Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet, weil er sich in seinem Gewissen nach Gott richtet. Ist es vielleicht etwas Besonderes, wenn ihr wegen einer Verfehlung Schläge erduldet? (1Petr 2,18-20a)
Für den Verfasser des Ersten Petrusbriefes waren Sklaven eine Selbstverständlichkeit. Uns ist diese Forderung, ungerechtfertigte Strafen in Geduld auf sich zu nehmen, unverständlich, und ich meine auch zurecht. Menschen als Sklaven zu halten verstößt zutiefst gegen die Würde des Menschen. Doch wir dürfen bei Sklaven nicht nur an die Farbigen in Nordamerika denken, die lange um ihre Freiheit gekämpft haben. Sklaven im Römischen Reich waren nicht nur unterprivilegierte Arbeitersklaven. Es gab Sklaven in allen gesellschaftlichen Rängen, die es auch zu Wohlstand gebracht haben. Ohne Sklaven konnte sich ein Römer keinen funktionierenden Staat vorstellen. Die Forderung nach Abschaffung der Sklaverei hätte einen Angriff der Christen auf den Römischen Staat bedeutet, und genau dies will der Erste Petrusbrief vermeiden. Wohl aber hat das Christentum in seinen Gemeinden keinen Unterschied zwischen Sklaven und Freien gemacht und dass Sklaven im religiösen Bereich freien Bürgern gleichgestellt waren, war sehr wohl eine große Errungenschaft des Christentums.