1 Petrus 1,13-25

Leben aus Hoffnung

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Heilige Schrift
Deshalb umgürtet euch und macht euch bereit! Seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch bei der Offenbarung Jesu Christi geschenkt wird! Als Kinder des Gehorsams gebt euch nicht den Begierden hin, wie früher in eurer Unwissenheit! Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch eure ganze Lebensführung heilig sein. Denn es steht geschrieben: Seid heilig, weil ich heilig bin! (1Petr 1,13-16)

Im vorangegangenen Abschnitt hat der Erste Petrusbrief die Rettung aufgezeigt, die aus dem Glauben an Jesus Christus kommt. Aus dieser Rettung folgt ein neues Leben und dies muss sich auch konkret im Alltag zeigen. Darauf werde ich im Folgenden noch näher eingehen. Zunächst möchte ich aber das Wort betrachten, das der Brief aus dem Buch Levitikus zitiert:

Seid heilig, denn ich bin heilig! (Lev 19,2)

Das ist eine Grundforderung des Mosaischen Gesetzes. Das Volk Gottes ist ein heiliges Volk, weil es nach Gottes Geboten lebt. Die Kirche ist das neue Gottesvolk, auch sie ist zur Heiligkeit berufen. Das ist die Berufung alles Gläubigen, nicht nur einiger weniger. Diese Heiligkeit bedeutet, aus der Gnade zu leben, die den Gläubigen in der Taufe geschenkt wurde. Durch die Taufe wird der Gläubige zu einem neuen Menschen. Der alte Mensch, der der Sünde verfallen war, stirbt mit Christus am Kreuz und durch das Wasser der Taufe hindurch wird der Gläubige mit Christus auferweckt zu neuem Leben. Dieses neue Leben zeigt sich darin, dass der Mensch sich nicht mehr von den Begierden bestimmen lässt, sondern dass er ganz dem Willen Gottes folgt.
Ein anderer Ausdruck für ein Leben in Heiligkeit ist der Begriff Gottesfurcht. Das hat nichts mit Angst zu tun, sondern bedeutet, sich stets der Gegenwart Gottes im Leben bewusst zu sein, nicht eines Gottes, dessen prüfendes Auge stets über das Leben wacht, sondern dessen Liebe jeden Augenblick Wirklichkeit ist.

Und wenn ihr den als Vater anruft, der jeden ohne Ansehen der Person nach seinem Tun beurteilt, dann führt auch, solange ihr in der Fremde seid, ein Leben in Gottesfurcht! Ihr wisst, dass ihr aus eurer nichtigen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold. (1Petr 1,17-18)

Rettung, Loskauf, Heil, das sind Stichworte, die den gesamten Ersten Petrusbrief sowie alle Schriften des Neuen Testaments wie ein roter Faden durchziehen. Christus ist der Retter der Welt, die Geretteten all jene, die an ihn glauben.
Rettung - aber wovon? Mir kommt hier ein Vers aus dem Kreuzeshymnus des Venantius Fortunatus in den Sinn, in dem es heißt: "du, die Planke, die uns rettet aus dem Schiffbruch dieser Welt". Die Menschheit hat Schiffbruch erlitten durch ihre unstillbare Gier und ihr Streben nach Macht und Erfolg. Allein das Kreuz Christi bietet die letzte Hoffnung auf Rettung vom drohenden Untergang.
Doch wir werden leicht skeptisch, wenn jemand mit einer Botschaft von Untergang und Rettung daherkommt. Verschwörungstheoretiker nutzen die Angst der Menschen aus, und bieten Alternativkonzepte an, die aber bei genauem Hinsehen eher den Niedergang fördern als ihm entgegenzusteuern. Ist es nicht das tatkräftige und einmütige Zusammenwirken der Menschheit, das Rettung bringt? Brauchen wir da noch einen Gott als Retter?
Das sind Fragen einer aufgeklärten Menschheit und vielleicht sind sie der Grund dafür, warum sich in unserer westlichen Welt immer weniger Menschen für das Christentum interessieren. Dabei steht der heutige Mensch der Religion an sich ja nicht ablehnend gegenüber, aber viele suchen eher nach einer Religion, die ihnen neue Perspektiven zu einem erfüllteren Leben eröffnet, als nach einer Religion, die das Leben mit Gesetzen und Geboten einzuengen scheint.
Daher finde ich es wichtig, die befreiende Botschaft des Christentums wieder mehr in den Vordergrund zu stellen. Was ist das Besondere am Christentum? Lebensregeln und Rituale hat jede Religion, oft hängen diese von der Zeit und dem Ort ab, an dem diese Religion entstanden ist. Allgemein in der Gesellschaft übliche Lebensregeln werden durch die Religion göttlich legitimiert, um ihre Einhaltung noch wirkungsvoller steuern zu können.
Wenn wir auf Jesu Botschaft in den Evangelien blicken so sehen wir, dass er viele der jüdischen Vorschriften nicht gelten lassen wollte und sie bewusst gebrochen und infrage gestellt hat. Ihm ging es stets um den Kern der Gebote. Gott hat sie gegeben, um den Menschen das Zusammenleben zu erleichtern und nicht, um es schwerer zu machen. Gesetze und Gebote sind notwendig, um das Zusammenleben der Menschen zu gestalten, aber nicht alle davon sind in Stein gemeißelt und müssen sich stets an die Veränderungen der Gesellschaft anpassen.
Christi Rettungstat und der Kern des Christentums liegt also nicht in bestimmten Geboten und Ritualen, nach denen die Christen leben. Diese sind wandlungsfähig. Der Kern der christlichen Botschaft besteht meines Erachtens in dem Glauben daran, dass Jesus Christus die Fülle der Offenbarung Gottes gebracht hat und durch seine Auferstehung den endgültigen Sieg über den Tod bewirkt hat und damit bereits auf Erden das Reich Gottes Wirklichkeit geworden ist. Christliches Leben besteht in einem Leben gemäß dieser Hoffnung, dass Leben stärker ist als Tod und dass über allem die Liebe triumphiert. Ein Leben nach dieser Liebe, von der Jesus oft spricht und die alles - Gott, Menschen und Schöpfung - miteinander verbindet, ist die Herausforderung aller Gläubigen und muss erfinderischer sein als die bloße Befolgung festgesetzter Gesetze und Gebote.
Der Glaube daran, dass mit Jesus Christus etwas unüberbietbar Neues in die Welt gekommen ist, bestimmt auch das Gespräch mit anderen Religionen. Da kann man sicher davon sprechen, dass es bei vielen Bräuchen Ähnlichkeiten unter den verschiedenen Religionen gibt, aber wie bereits gesagt, diese rühren daher, dass es sich dabei um den Ausdruck allgemeiner Umgangsformen handelt, die nur sekundär Teil der Religion sind.
Wenn wir aber davon sprechen, dass Christus die Fülle der Offenbarung gebracht hat und mit seiner Auferstehung etwas unüberbietbar Neues gesetzt hat, sehen wir, dass wir dabei auf unvereinbare Gegensätze mit anderen Religionen stoßen. Die Juden erkennen Jesus nicht als den Messias an, der allein so etwas tun könnte. Der Islam sieht Jesus zwar als großen Propheten an, reiht in aber ein in die Reihe der Propheten, die erst mit Mohammed ihren Höhepunkt findet. Nach Sicht der Muslime hat Christus nicht die Fülle der Offenbarung gebracht und auch kein solch entscheidendes Zeichen wie die Auferstehung gesetzt.
Mit dem Glauben an die Auferstehung steht und fällt die Einzigartigkeit des Christentums. Allein die Auferstehung ist die Triebfeder christlichen Handelns. Sie schafft das entscheidend Neue für die Menschheit. Wer an Christus glaubt, hat jetzt schon Anteil an dieser Auferstehung. Er führt ein Leben, das zwar immer noch bedroht ist von Krankheit und Leid, das aber durch keine Macht vernichtet werden kann, weil es trotz Tod und Leid bereits verwandelt ist in ein neues, unvergängliches Leben.
Wir sollten Auferstehung nicht so sehr als Vertröstung auf ein Jenseits sehen. Nur wenn wir verstehen, was Auferstehung schon jetzt mit unserem Leben macht, ermessen wir ihre wahre Kraft. Dies zu erkennen ist die Erfahrung des Heils. Wir sehen uns dann als Gottes Kinder, für die Gott schon hier auf Erden sorgt, wie es Jesus immer wieder sagt. Wer sich so von Gott geliebt und beschenkt erfährt, der wird auch seinen Mitmenschen mit Liebe und Barmherzigkeit begegnen.

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Heilige Schrift
Ihr seid losgekauft mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel. Er war schon vor Grundlegung der Welt dazu ausersehen und euretwegen ist er am Ende der Zeiten erschienen. Durch ihn seid ihr zum Glauben an Gott gekommen, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr an Gott glauben und auf ihn hoffen könnt. (1Petr 1,19-21)

Der Erste Petrusbrief möchte die Gläubigen dazu ermutigen, in der sie umgebenden Bedrängnis ein Leben aus der Freude der Auferstehung zu führen. Versuchen wir uns einmal, in diese Situation hineinzuversetzen. Es war für die Gläubigen damals ein großer Schritt, Christen zu werden. Was christliches Leben bedeutet, war damals dem Großteil der Bevölkerung ziemlich unbekannt. Zudem war der Zutritt zu den christlichen Gottesdiensten nur den Getauften gestattet. Wir können uns gut vorstellen, dass damals viele unschöne Gerüchte über die Christen im Umlauf waren.
Und dann schließt sich einer dieser verdächtigen Gemeinschaft an. Was hat die Menschen damals dazu bewogen, Christen zu werden? Christ werden, das bedeutete damals auch, Außenseiter zu sein, nicht mehr an den großen öffentlichen Festlichkeiten teilnehmen zu dürfen, ein weitgehend enthaltsames Leben zu führen. Wer möchte so etwas freiwillig tun?
Es war die Sehnsucht nach dem Heil, das viele dazu veranlasst hat, Christen zu werden. Sie haben erkannt, dass irdischer Reichtum nicht glücklich macht, dass die heidnischen Götter und auch die modernen Kulte letztlich kein Heil bringen können. Sie waren enttäuscht von dem ausschweifenden Leben der Großstädte, von der Oberflächlichkeit und Verschwendung, aber auch von der Gier und der Brutalität, die dort herrschten.
Die Christen waren anders. Sie bildeten eine wirkliche Gemeinschaft, in der soziale Unterschiede nicht zählten, in der man sich aufeinander verlassen konnte und die vor allem auch eines kannte: einen Gott, der die Menschen liebt, der die Menschen von Schuld befreit, der dafür aber keine Opfer verlangt, wie andere Götter, sondern der sich selbst geopfert hat für das Heil der Menschen. Einen Gott, der sich "Vater" nennen lässt, nicht ein Vater wie Zeus, der launisch und brutal ist, sondern ein liebender Vater, der für seine Kinder sorgt.
Und dieser Vater hat in seiner Liebe seinen Sohn auf die Erde gesandt, der sich geopfert hat für das Heil der Menschen, der sich geopfert hat, wie ein Lamm, nicht wie ein mächtiger Stier. Gottes Sohn kam friedlich wie ein Lamm auf die Welt, ein Lamm, das keinem etwas zuleide tut, ein Lamm, rein und ohne Makel, ein Lamm, das in seinem ganzen Sein die Liebe verkörpert, Liebe ohne Machtgelüste, ohne Falschheit, ohne Lüge. Die Heiligkeit und Liebe dieses Gottes hat die Menschen dazu veranlasst, sich denen anzuschließen, die an diesen Gott glauben und selbst ein neues Leben anzufangen, ein Leben, in dem sie selbst bereit sind, diese unverfälschte Liebe zu leben.

Der Wahrheit gehorsam, habt ihr euer Herz rein gemacht für eine aufrichtige geschwisterliche Liebe; darum hört nicht auf, einander von Herzen zu lieben. Ihr seid neu gezeugt worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt. Denn: Alles Sterbliche ist wie Gras und all seine Schönheit ist wie die Blume im Gras. Das Gras verdorrt und die Blume verwelkt; doch das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. Dies aber ist das Wort, das euch als frohe Botschaft verkündet worden ist. (1Petr 1,22-25)

Die unverfälschte Liebe soll das Kennzeichen der Christen sein. Das hat Jesus Christus verkündet. Die Liebe ist die Botschaft Gottes an uns Menschen und diese Liebe ist unvergänglich. Alles Irdische vergeht, wie Gras, das verdorrt. Irdischer Reichtum vergeht, irdische Freuden sind begrenzt. Worauf also kann ich mein Leben bauen? Was ist der Sinn des Lebens? Ist das Leben nicht doch letztlich sinnlos? Soll ich dann nicht doch die irdischen Freuden genießen, solange ich kann? Soll ich irdischen Reichtum anhäufen, soviel wie mir möglich ist?
Oder gib es diesen Gott, der das unvergängliche Glück für mich bereithält, ein Glück, das ich nie erreichen kann, selbst wenn ich alle irdischen Freuden maximal auskoste? Gibt es etwas Unvergängliches, für das es sich lohnt, auf das Vergängliche zu verzichten, eine unvergängliche Freude, um derentwillen ich die vergänglichen Freuden gering achte, ein ewiges Heil, für das ich jetzt sogar Bedrängnisse auf mich nehme?
Die Erfahrung, diesem Gott begegnet zu sein, ihn nicht nur von den Erzählungen anderer zu kennen, sondern selbst die Erfahrung zu machen: ja, es gibt diesen Gott, der mich liebt, der mich erlöst hat, der mir das Heil schenkt und mich in seine Nähe ruft, das war die Kraft, die die Menschen damals veranlasst hat, Christen zu werden und im Namen Jesu Christi auch Leiden und Bedrängnisse auf sich zu nehmen. Diese Erfahrung ist auch heute möglich.

Mein Vater,
ich überlasse mich dir,
mach mit mir, was dir gefällt.
Was du auch mit mir tun magst, ich danke dir.
Zu allem bin ich bereit, alles nehme ich an.
Wenn nur dein Wille sich an mir erfüllt
und an allen deinen Geschöpfen,
so ersehne ich weiter nichts, mein Gott.
In deine Hände lege ich meine Seele.
Ich gebe sie dir, mein Gott,
mit der ganze Liebe meines Herzens,
weil ich dich liebe,
und weil diese Liebe mich treibt,
mich dir hinzugeben,
mich in deine Hände zu legen,
ohne Maß,
mit einem grenzenlosen Vertrauen;
denn du bist mein Vater.
(Charles de Foucauld)