In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. (Joh 1,4)
Gott hat seiner Schöpfung Leben verliehen. Zu allen Zeiten fragen sich Menschen, was das bedeutet, "Leben". Ein Organismus, Menschen, Tiere, Pflanzen, ja selbst kleinste Lebewesen und die kleinsten Zellen wachsen, vermehren sich, entwickeln sich weiter. Doch dieses Leben ist nicht selbstverständlich. Leben ist endlich, begrenzt. Mit dem Tod hört dieses Leben auf. Was kurz vorher noch ein blühender Organismus war mit Kraft und Willen und einer Ausstrahlung, wird nach dem Tod zu einer leblosen fleischlichen Hülle, die nur noch äußerlich an den lebenden Organismus erinnert und nach kurzer Zeit schließlich ganz zerfällt.
Damit Leben möglich ist, braucht es ganz besondere äußere Bedingungen, die sich auf unseren Planeten im Laufe von Jahrmillionen entwickelt haben, eine Atmosphäre, die vor kosmischer Strahlung schützt, relativ gleichbleibende, milde Temperaturen, Wasser, Sauerstoff, um nur einige zu nennen. Wie kommt es, dass sich diese Bedingungen gerade auf der Erde entwickelt haben und diese Vielfalt an Leben bis hin zum Menschen entstehen konnte? Gibt es noch andere Planeten in den Weiten des Universums, auf denen sich auch Leben, vielleicht sogar intelligentes Leben, entwickelt hat?
Gott hat allem Leben geschenkt, so sagt die Heilige Schrift. Jesus Christus, das Wort Gottes, der Schöpfungsmittler, ist zugleich der Lebensmittler. In Jesus Christus hat Gott seiner Schöpfung Leben verliehen. Die Schöpfung ist nicht nur ein Kunstwerk, ein Gebilde, sondern sie hat Leben in sich. Es ist dem Menschen schon vieles gelungen, aber bisher haben die Menschen es nicht geschafft, einem unbelebten Stoff Leben zu verleihen.
Vielleicht entsteht Leben auf natürliche Weise, wenn eine gewisse Konstellation der Umgebung vorhanden ist, wenn bestimmte chemische Elemente eine bestimmte für sie günstige Umgebung vorfinden. Vielleicht ist so Leben auch auf anderen Planeten entstanden. Vielleicht ist das Leben auf der Erde auch etwas Einmaliges. Viele moderne Wissenschaftler halten es jedoch für sehr wahrscheinlich, dass es auch auf anderen fernen Planeten Leben gibt. Was heißt das aber für unseren Glauben? Wie können wir vor diesem Hintergrund diesen Satz des Johannesprologs verstehen?
Die Menschen zur biblischen Zeit glaubten, dass die Erde der Mittelpunkt der Welt ist. Auch als man erkannte, dass die Sonne der Mittelpunkt ist, um den die Erde und die anderen Planeten kreisen, so war die Erde doch noch im Hinblick auf die Welt der Sterne irgendwie im Mittelpunkt. Jedenfalls musste die Erde für Gott im Mittelpunkt stehen, weil er auf ihr Leben geschaffen hat, er hat auf ihr Menschen geschaffen als sein Ebenbild, und selbst wenn diese Menschen durch irgendeine Art von Evolution entstanden sind, haben sie doch das Bewusstsein, das Gewissen, die Entscheidungsfreiheit zwischen Gut und Böse, die sie zu etwas Besonderem macht. Der Mensch steht für Gott im Mittelpunkt und um den Menschen zu retten, hat Gott seinen Sohn gesandt.
Was aber, wenn es auch noch auf anderen Planeten intelligentes Leben gibt? Kann es dann überhaupt einen Gott geben oder ist das Universum nicht doch aus sich selbst entstanden? Die moderne Wissenschaft kommt dem Geheimnis des Urknalls immer näher. Vielleicht braucht es keinen ersten unbewegten Beweger, der alles in Gang gesetzt hat, keinen lebendigen Gott, der Ursprung allen Lebens ist. Christlicher Glaube muss sich diesen Fragen stellen und vielleicht finden wir in den nächsten Jahrzehnten ganz neue Antworten darauf, an die heute noch niemand denkt.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. (Joh 1,5)
Licht und Finsternis ist eines der Gegensatzpaare, die im Johannesevangelium mehrfach thematisiert werden. Ohne Licht kein Leben. Licht ist aber auch der Ort des Guten. Das Wort Gottes ist das Licht der Menschen. Die Welt sehnt sich nach dem Licht Gottes. Gott hat es den Menschen geschenkt, sein Licht zu schauen. Das ist das Wunderbare. Wir haben einen Gott, der uns nahe ist, der uns liebt, der mit uns sein möchte. Wir leben in einer Welt, die nicht sich selbst überlassen ist, sondern in Gottes Hand ist, eine Welt, in der das Licht stärker ist als die Finsternis.
Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. (Joh 1,6-8)
Wie bei allen Evangelien steht auch hier Johannes der Täufer an der Schwelle zum ersten Auftreten Jesu Christi. Jesus lebte verborgen, bis er bei seiner Taufe durch Johannes öffentlich in Erscheinung trat. Aufgabe Johannes des Täufers war es, als letzter Prophet des Alten Bundes von Jesus Christus Zeugnis zu geben und so das Volk Israel auf das Kommen des Messias vorzubereiten. Ab Joh 1,19 wird dann die Zeugenfunktion Johannes des Täufers konkret geschildert.
Johannes ist Zeuge und Wegweiser, nicht Ziel. Diese Botschaft war wahrscheinlich zunächst an Johannesjünger gerichtet, die zur Zeit der Entstehung des Evangeliums immer noch eine starke Gruppe neben dem Christentum gebildet haben. Johannes verbindet aber auch auf einzigartige Weise das Alte Testament mit dem Neuen. Er sollte von dem Licht Gottes, das von den Alten Propheten, allen voran Jesaja, verheißen worden war, Zeugnis ablegen, weil er der erste war, der es erkannte. Bei der Taufe Jesu im Jordan wird ihm Gott offenbaren, wer dieser Mann ist, den er da tauft.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. (Joh 1,9-10)
Johannes der Täufer ist Zeuge für das Licht, er ist nicht selbst das Licht. Das wahre Licht aber ist mit Jesus Christus in die Welt gekommen. Dieser wurde bisher noch nicht mit Namen genannt, aber die Gemeinde, für die Johannes sein Evangelium schreibt, weiß wer mit den Begriffen "Wort" und "Licht" gemeint ist. In Jesus Christus wird das Wort Gottes und das Licht des Lebens Fleisch. Vorher aber existiert der, der auf Erden Jesus Christus genannt wird, als "Wort" und "Licht" bei Gott. Vielleicht vermeidet Johannes gerade deshalb so lange, den Namen Jesus Christus zu verwenden, weil er darauf aufmerksam machen will, dass der, der als Jesus Christus auf Erden gelebt hat, weit mehr ist als ein Mensch.
Das wahre Licht kam in die Welt, das Licht, das alles erleuchtet. Doch die Welt erkennt das Licht nicht. Die Menschen halten vielmehr, wie es Platon im Höhlengleichnis schildert, die Schatten für die Wirklichkeit. Von diesen Schatten wenden sich nur wenige ab, um das Licht zu suchen. Der Mensch kann sich entscheiden zwischen dem Licht und der Finsternis, das gehört zu der Freiheit, die Gott der Welt geschenkt hat. Durch die Abwendung von Gott entsteht die Finsternis, das Leid. Doch Gott hilft immer wieder, dass das Leid nicht übergroß wird, er sendet sein Licht, das machtvoller ist als alle Finsternis. Leider ist so vielen Menschen ihre gewohnte Finsternis lieber, doch wer an Gott glaubt, wird das Wunderbare dieses Lichtes erkennen.
Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. (Joh 1,11-13)
Bereits im vorangegangenen Vers war davon die Rede, dass die Welt das Licht nicht erkannt hat. Nun heißt es, dass die Seinen ihn nicht aufgenommen haben. Die Seinen, das ist das Volk der Juden, Gottes auserwähltes Volk, das Gott zu seinem besonderen Eigentum erwählt hat. Der, der das "Wort" und "Licht" ist, wurde in dieses Volk hineingeboren, um es zu retten, doch dieses Volk lehnt ihn ab. Aber dennoch gibt es in diesem Volk und auch in der Welt Menschen, die ihn annehmen, aufnehmen. Und so entsteht das Neue, nämlich dass die Gotteskindschaft nicht mehr an das Blut gebunden ist. Nicht mehr wer einen jüdischen Vater hat gehört zum Gottesvolk, sondern jeder der an den Namen dessen glaubt, der das "Wort" und das "Licht" ist, an Jesus Christus.