1.Timotheus 6,11-21

Briefschluss

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Heilige Schrift
Du aber, ein Mann Gottes, flieh vor alldem! Strebe vielmehr nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut! Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist und für das du vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis abgelegt hast! (1Tim 6,11-12)

Der erste Timotheusbrief schließt mit persönlichen Aufforderungen. Diese gelten nicht nur dem Empfänger des Briefes, sondern richten sich an alle, die in den jeweiligen Gemeinden eine Leitungsfunktion innehaben, in gewisser Weise aber auch an alle Gläubigen. Kennzeichen wahren Glaubens sind die Distanz zu falschen Lehren sowie der Besitz der Tugenden von Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut. Am Anfang des Glaubens steht die Berufung durch Gott und das eigene Bekenntnis. Sodann erfordert wahrer Glaube die ständige Entscheidung für das Gute und den Kampf dafür. Ziel ist das ewige Leben bei Gott.
Die Aufforderung zu den Tugenden erinnert mich an die Seligpreisungen. Ich möchte hier besonders das Thema der Gerechtigkeit näher ausführen. Jesus sagt dazu in den Seligpreisungen:

Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden. (Mt 5,6)

Das Streben nach Gerechtigkeit wird somit zu einer existenzbestimmenden Notwendigkeit wie Hunger und Durst. Ohne Gerechtigkeit kann der Mensch ebenso wenig leben wie ohne Nahrung und Wasser. Was aber bedeutet Gerechtigkeit?
Die Gerechtigkeit wird als erste der erstrebenswerten Tugenden genannt. Das entspricht dem klassischen Denken der Antike, für das die Gerechtigkeit als höchste der Tugenden galt. Ein römischer Jurist definiert Gerechtigkeit als den "festen und dauernden Willen, jedem sein Recht zuzuteilen". Diese Definition galt durch das Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit. So bedeutet beispielsweise auch für den großen Theologen Thomas von Aquin die Tugend der Gerechtigkeit die dauernde Willensbereitschaft, jedem das Seine zu lassen und zu geben.
Was aber ist dieses Recht, das jedem zukommen soll? Im antiken Denken besaß nur ein freier männlicher Bürger die vollen Rechte, Frauen hatten deutlich weniger Rechte als Männer, Unfreie und Sklaven hatten so gut wie keine Rechte. Erst unsere moderne Gesellschaft kennt so etwas wie universale Menschenrechte, die für alle Menschen in gleicher Weise gelten. Doch auch heute noch gibt es an vielen Orten der Welt gravierende Unterschiede in den Rechten, die Menschen haben. In vielen Ländern der Welt haben Frauen immer noch viel weniger Rechte als Männer und es gibt Volksgruppen, die rechtlich benachteiligt sind. Doch auch dort, wo die Rechte der Menschen auf dem Papier gleich sind, haben viele arme und benachteiligte Menschen nicht die Möglichkeit, gegen reiche und einflussreiche Menschen ihre Rechte durchzusetzen.
Heute denken wir anders als in der Antike bei dem Wort Gerechtigkeit vor allem an soziale Gerechtigkeit. Alle Menschen sollen gleichermaßen Zugang zu Bildung und Wohlstand haben. Diese Vorstellung von Gerechtigkeit erweist sich jedoch als Utopie. So erstrebenswert eine gerechte Verteilung des Wohlstands auch wäre, erweist sie sich in der Realität als praktisch undurchführbar. Soziale Ungleichheit scheint irgendwie zum Wesen menschlicher Gesellschaften zu gehören, denn alle Ansätze, hier wirkliche Gleichheit zu schaffen, sind bisher gescheitert. So haben sich in kommunistischen Ländern schnell neue Eliten gebildet, die im Gegensatz zum armen Volk einen immensen Reichtum hatten. Auch in der Kirche, in der in der Euphorie des Anfangs alle ihr Hab und Gut miteinander geteilt haben und keiner etwas sein Eigen nannte (vgl. Apg 4,32), prägten schon bald die Unterschiede zwischen Arm und Reich und zwischen Menschen, die Macht haben und solchen, die gehorchen mussten, den Alltag.
Menschen sind von Natur aus unterschiedlich. Es gibt begabte und weniger begabte, intelligente und weniger intelligente, kräftige und schwache und es liegt auch in der Natur des Menschen, nach Macht und dem eigenen Vorteil zu streben. Menschliches Zusammenleben ist daher von Konflikten geprägt und braucht eine gewisse Ordnung und Institutionen, die für die Durchsetzung dieser Ordnung sorgen, damit nicht das Recht des Stärkeren regiert. Gerechtigkeit aber ist mehr als die Sammlung von Rechten und deren Durchsetzung zum Ziel einer staatlichen Ordnung. Selbst wenn diese Gesetze noch so gut sind, führen sie nicht automatisch zu Gerechtigkeit. Das Recht kann objektiv in einem Gesetzbuch für alle einsehbar niedergeschrieben werden, aber wenn Richter nach diesen Gesetzen urteilen, können manche dieser Urteile, obwohl rechtlich nicht anfechtbar, in hohem Maß ungerecht sein.
Die Menschenrechte gelten heute in einem Großteil der Länder der Welt als allgemeiner Konsens. Aber dennoch herrscht in der Welt viel Ungerechtigkeit. Es bleibt eine Utopie, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben. Es ist nicht möglich, auf globaler Ebene allen Menschen den gleichen Zugang zum Wohlstand zu verschaffen. Es ist auch nicht möglich, allen Menschen das gleiche Maß an Freiheit zu verschaffen, auch wenn das theoretisch wahrscheinlich einfacher wäre als die Verteilung des Wohlstandes. Aber es gibt keine Macht, die alle Warlords und Diktatoren dieser Welt besiegen könnte und schon gar nicht die vielen kleinen Unterdrücker, die Menschen in ihrem Umfeld tyrannisieren.
Aber dennoch ist es nicht vergeblich, an Gerechtigkeit zu glauben und für sie einzutreten. Gerechtigkeit lebt von dem Einsatz vieler Menschen vor Ort, die nicht wegschauen, wo Unrecht geschieht, die nicht um ihr eigenes Recht kämpfen, sondern für das Recht anderer, die in Not sind. Der Staat hat für das Recht zu sorgen, Gerechtigkeit aber beginnt im Kleinen, immer da, wo Menschen aufeinander treffen. Wir können das Wesen der Gerechtigkeit ergründen, wenn wir immer mehr versuchen, mit dem Blick Gottes auf die Welt zu blicken, wenn wir immer wieder darüber nachdenken, wie Jesus den Menschen begegnet ist, wie er seine Jünger gelehrt hat, miteinander zu leben. "Liebt einander" ist Jesu oberstes Gebot über dem kein anderes steht.
Gerechtigkeit ist verbunden mit Liebe und kommt wie diese aus dem Herzen. Gerechtigkeit kann nur leben, wer ein reines Herz hat. Um gerecht sein zu können, müssen wir alles Böse von unserem Herzen fern halten. So können wir zunächst in unserer unmittelbaren Umgebung für ein Klima der Gerechtigkeit eintreten und wenn es unsere Berufung ist auch in einem weiteren Umfeld.
Wenn wir auf die antike Definition von Gerechtigkeit zurückblicken, können wir sagen, dass das eigene, das jedem Menschen gehört, sein Menschsein ist. Jeder Mensch ist etwas Besonderes und hat seine ganz eigenen Fähigkeiten, der eine vielleicht mehr als der andere, aber wirklich kein einziger Mensch ist ohne eine ganz besondere Eigenschaft, die ihn auszeichnet. Gerechtigkeit bedeutet somit, jedem Mensch die Möglichkeit zu geben, seine Fähigkeiten zu entdecken und diese zu fördern. Das bedarf in erster Linie der Freiheit, der Freiheit des Menschen vor der Manipulation anderer, die ihn nur zu ihrem eigenen Zweck benutzen wollen. Für die Gerechtigkeit eintreten heißt, Lehren und Propaganda, die Menschen zu Objekten der Interessen anderer missbraucht, aufzudecken und gegen diese vorzugehen. Es heißt, einen Raum zu schaffen, in dem Menschen geschützt sind und in Freiheit leben können. Es heißt, über keinen Menschen zu urteilen und zu erkennen, welche Fähigkeiten in jedem einzelnen Menschen stecken.

Mein Herr und mein Gott,
lass mich die Welt sehen mit dem Blick deiner Gerechtigkeit, der ein Blick der Liebe ist.
Heile mein Herz von Hass, Eigensucht und dem Streben, über andere Macht zu haben.
Nicht mein Bild will ich anderen aufdrücken, sondern jeden Menschen so sehen, wie er ist.
Ich will erkennen, dass jeder Mensch seine ganz besonderen Fähigkeiten hat, denn obwohl es Millionen Menschen auf der Erde gibt, ist doch jeder Mensch etwas ganz Besonderes.
Vielleicht bedeutet Gerechtigkeit, dass jeder Mensch die Möglichkeit bekommt, gemäß der Fähigkeiten zu leben, die du in ihm grundgelegt hast.
Berufe Menschen, die andere fördern und sie vor der Macht derer bewahren, die sie nur zu ihrem eigenen Vorteil benutzen wollen.
Lass deine Gerechtigkeit blühen in der Welt und in jedem Menschen, damit die Menschen nicht einander unterdrücken und bekämpfen, sondern dass die Welt hell und bunt bleibt von der Vielfalt, die du uns Menschen geschenkt hast.
Amen.
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Heilige Schrift
Ich gebiete dir bei Gott, von dem alles Leben kommt, und bei Christus Jesus, der vor Pontius Pilatus das gute Bekenntnis abgelegt hat und als Zeuge dafür eingetreten ist: Erfülle deinen Auftrag rein und ohne Tadel, bis zum Erscheinen Jesu Christi, unseres Herrn, das zur vorherbestimmten Zeit herbeiführen wird der selige und einzige Herrscher, der König der Könige und Herr der Herren, der allein die Unsterblichkeit besitzt, der in unzugänglichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat noch je zu sehen vermag: Ihm gebührt Ehre und ewige Macht. Amen. (1Tim 6,13-16)

Wie Christus selbst vor Pontius Pilatus für die Wahrheit Zeugnis gegeben hat, so ist jeder Gläubige aufgefordert, wo immer dies erforderlich ist, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, koste es, was es wolle. Viele haben ihr Bekenntnis mit dem Tod bezahlt. Diesen Schritt kann nur gehen, wer fest von der Größe und der Macht Gottes überzeugt ist, wer fest daran glaubt, dass dieser Gott seine Getreuen durch den Tod hindurch ins ewige Leben führt. Das irdische Leben ist kostbar und wertvoll, aber es gibt einen Wert, der über dem dieses Lebens steht. Weil sie davon überzeugt waren, sind die Märtyrer in den Tod gegangen. Der Glaube an die Auferstehung war für sie nicht nur eine Möglichkeit unter vielen, wie es nach dem Leben weiter geht, sondern sie waren von der Wahrhaftigkeit des Zeugnisses von der Auferstehung Jesu und infolgedessen auch der Auferstehung der Menschen so überzeugt, dass es für sie dazu keine Alternative gab. Bin auch ich von der Wahrheit der Auferstehung so überzeugt, dass ich ohne den geringsten Zweifel daran dafür Zeugnis ablegen kann?
Der nun folgende Bekenntnissatz zeigt uns die Größe Gottes. Er ist der einzige Herrscher, der König der Könige und Herr der Herren. Über ihm oder neben ihm ist keine Macht. Wer zu Gott gehört, der kann durch keine Macht von ihm getrennt werden. Wer zu Gott gehört, dem kann kein Unheil widerfahren. Was auch geschieht, Gottes Macht trägt den Gläubigen durch alles hindurch und lässt ihn nicht fallen. Gottes Macht trägt den Gläubigen in das unvergängliche Licht, in dem Gott wohnt, das nicht dem Wandel der Zeiten unterworfen ist und allezeit strahlt.
Immer wieder wird Gott mit Licht in Verbindung gebracht. Das Wesen des Lichts ist bis heute noch nicht vollkommen erforscht. Es bewegt sich mit einer Geschwindigkeit, die für alles Materielle unerreichbar ist. Licht ist zeitlos. Wir sehen in den Sternen das Licht, das seit Millionen und Milliarden von Jahren im Kosmos unterwegs ist. Wenn schon das Licht, das wir sehen, ein solches Geheimnis in sich birgt, wie viel mehr ist dann Gott ein Geheimnis, das wir mit unserem begrenzten und an das Materielle gewohnten Verstand nie werden ergründen können.
Wenn schon die Welt, die wir sehen, so tiefe Geheimnisse in sich birgt, warum fällt es uns so schwer zu glauben, dass es einen Gott gibt, der ein noch viel größeres Geheimnis für uns ist? Warum versuchen wir diesen Gott in unsere begrenzte Welt zu pressen, indem wir ihn uns wie einen alten weisen Mann vorstellen, der uns nach den Maßstäben menschlicher Vorstellungen beurteilt? Wie schwer ist es Jesus gefallen, den Menschen zu zeigen, dass Gott anders urteilt als die Menschen, dass Gott so ganz anders ist, als wir ihn uns vorstellen und nur wenige haben wirklich verstanden, was Jesus uns zeigen wollte.

Das Licht der Herrlichkeit scheint mitten in der Nacht. Wer kann es sehen? Ein Herz, das Augen hat und wacht. (Angelus Silesius)
Mein Herr und mein Gott
du König der Könige
und Herr der Herren
lass mich dich erkennen
nicht nach Menschenart
sondern so, wie du bist,
zumindest so
wie ich es zu fassen vermag
Lass mich nie stehen bleiben
sondern immer tiefer in dich eindringen
dich immer mehr erkennen
denn du bist stets größer
und dein Licht ist stets heller
als ich zu erkennen vermag.
Ermahne die, die in dieser Welt reich sind, nicht überheblich zu werden und ihre Hoffnung nicht auf den unsicheren Reichtum zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich gibt, was wir brauchen! Sie sollen wohltätig sein, reich werden an guten Werken, freigebig sein und, was sie haben, mit anderen teilen. So sammeln sie sich einen Schatz als sichere Grundlage für die Zukunft, um das wahre Leben zu erlangen. (1Tim 6,17-19)

Nach der persönlichen Mahnung an Timotheus folgt ein Appell an alle Reichen, sich der Gefahren des Reichtums bewusst zu sein und sich nicht an diesen zu hängen. Reichtum ist nur dann wertvoll, wenn er mit den Bedürftigen geteilt wird. Nur so wird aus dem trügerischen und vergänglichen irdischen Reichtum ein bleibender Schatz, dessen Wert den Tod des Besitzers überdauert.

Timotheus, bewahre, was dir anvertraut ist! Halte dich fern von dem gottlosen Geschwätz und den Widersprüchen der fälschlich sogenannten Erkenntnis! Einige, die sich darauf eingelassen haben, sind vom Weg des Glaubens abgekommen. Die Gnade sei mit euch! (1Tim 6,20-21)

Der Brief schließt mit einer letzten Mahnung an Timotheus, das ihm anvertraute zu bewahren. Von nutzlosem Geschwätz und unfruchtbaren Diskussionen, die insbesondere von den Irrlehrern ausgehen, soll er sich fernhalten. Sie haben bereits einige Gläubige vom rechten Weg abgebracht. Diese Aussage zeigt, wie bedroht die Gemeinde zur damaligen Zeit war und wie bedroht christlicher Glaube auch heute ist. Immer wieder kommen Lehren auf, die auf den ersten Blick fromm aussehen, aber der wahren Frömmigkeit widersprechen. Hier gilt es zu allen Zeiten wachsam zu sein und auf Gottes Gnade zu vertrauen, die uns den rechten Weg führt.