Römerbrief 5,1-21

Gerecht aus Glauben

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Hl. Schrift
Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. (Röm 5,1)

In den vorangegangenen Kapiteln hat Paulus bereits erläutert, was die Gerechtmachung aus Glauben bedeutet und dass diese allen zuteilwird, die an Jesus Christus glauben, sowohl Juden als auch Heiden. Er zeigt damit einen ganz neuen Heilsweg auf, den weder Juden noch Heiden bisher gekannt haben.
Gerecht sein, das war für den frommen Juden das Ziel seines Lebens und die größte Auszeichnung. So wird beispielsweise von Ijob gesagt, dass er "gerecht und gerade" war (vgl. Ijob 1,1). Gerecht wurde man durch die genaue Erfüllung des Gesetzes. Aber wer so lebte, stand vor einem Dilemma: Das Gesetz führte dem Menschen immer wieder seine Fehler vor Augen. Wer bewusst und gewissenhaft nach dem Gesetz leben wollte, erkannte immer mehr seine Sünde und entfernte sich, so sehr er sich auch anstrengen mochte, immer weiter von dem Ziel, wirklich gerecht zu sein. Hier kann nur Gott helfen und er hat es getan, indem er durch Jesus Christus die Gerechtmachung allen schenkt, die an Jesus Christus glauben.
Auch Paulus lebte bis zu seiner Bekehrung als strenger Eiferer für das Gesetz. Nach seiner Bekehrung aber versuchte er die traditionelle Auslegung des mosaischen Gesetzes und das Evangelium, das Jesus Christus gebracht hat, miteinander in Einklang zu bringen. Jesu Lehre steht ja auf dem Fundament des Gesetzes, wie er selbst sagt, dass er nicht gekommen ist, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen. Massiv stellte sich die Frage nach dem Gesetz, als sich das Christentum zu den Heiden hin öffnete. Müssen Heiden, die Christen werden möchten, das ganze jüdische Gesetz befolgen? Das Apostelkonzil in Jerusalem hat über diese Frage entschieden und man kam - unter Mitwirkung des Heiligen Geistes - zu dem Entschluss, dass dies nicht notwendig ist. Mit Jesus Christus hat Gott die Gerechtmachung allen geschenkt, die an Jesus Christus glauben, Juden und Heiden.
Aber warum bedarf es überhaupt der Gerechtmachung des Menschen? Durch den Sündenfall des Menschen im Paradies war das Verhältnis zwischen Gott und Mensch gestört worden. Die Sünde ist zwischen Gott und Mensch getreten. Dabei will die Geschichte vom Sündenfall nicht aufzeigen, dass durch Adam und Eva die Sünde in die Welt gekommen ist. An der Geschichte von Adam und Eva wird vielmehr exemplarisch aufgezeigt, was im Leben jedes Menschen immer wieder geschieht. Der Mensch weiß, was er tun sollte, wird aber in der Versuchung schwach und entscheidet sich gegen das Gebot Gottes. Die Geschichte vom Sündenfall steht für Tendenz aller Menschen, eher das Böse als das Gute zu tun. Adam ist das Bild für den Menschen, der in Sünde lebt, das Bild für die Menschheit bis zum Kommen Jesu Christi.
Der Mensch wird bereits in eine Welt hineingeboren, in der die Sünde herrscht und zugleich macht er sich durch seine eigene, freie und bewusste Abwendung von Gott von einem Freund Gottes zu seinem Feind. Es war dem Menschen nicht möglich, von sich aus die Freundschaft mit Gott wiederherzustellen. In seiner übergroßen Liebe zu uns Menschen hatte Gott aber den Plan zu unserer Rettung und hat seinen Sohn Jesus Christus in die Welt gesandt, um uns mit Gott zu versöhnen und den Frieden mit Gott wiederherzustellen.
In seinem Leben hat Jesus Christus von der Liebe Gottes Zeugnis gegeben und hat diese Liebe bis in den Tod hinein bezeugt. In der Auferweckung Jesu Christi hat Gott gezeigt, dass seine Liebe stärker ist als Sünde und Tod. Christus, das Lamm Gottes, hat alle Sünde der Welt auf sich genommen und sie an das Kreuzesholz getragen. Gott selbst hat in Christus das gestörte Verhältnis zwischen Gott und Mensch wieder in Ordnung gebracht, hat die Gerechtigkeit, das rechte Verhältnis zwischen Gott und Mensch wieder hergestellt.
Somit wird deutlich, dass sich der Mensch nicht selbst erlösen kann, sondern die Erlösung und Wiederherstellung der Gerechtigkeit ganz Geschenk Gottes ist. Der Segen, der uns durch die Erlösung zuteilwird, wird auf wunderbare Weise im Exsultet der Osternacht gepriesen:

O unfassbare Liebe des Vaters: um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin!
O wahrhaft heilbringende Sünde Adams, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat.
O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.

Die Sünde des Menschen hat zwar das Verhältnis zwischen Mensch und Gott gestört, aber sie hat Gottes Liebe zum Menschen nicht ausgelöscht. Gott ist ja in seinem Wesen Liebe und kann nicht anders als lieben. Der scheinbare Triumph des Teufels, der den Menschen zur Sünde verführt hat, wurde zu seiner größten Niederlage. Gott hat in seiner Liebe beschlossen, selbst Mensch zu werden und den Menschen so auf wunderbare Weise zu erneuern. Durch die Erlösungstat Jesu Christi sind wir, von Gott gerecht gemacht, zu Freunden Gottes geworden. Das ist das neue Leben der Christen. Es zeigt sich in dem Frieden, den wir nun mit Gott haben. Vorher war der Mensch ein Feind Gottes und Feindschaft bedeutet Krieg. In seiner Sünde stellte sich der Mensch feindlich gegen Gott. Nun ist der Mensch Gottes Freund und Freundschaft bedeutet Frieden.

Durch ihn haben wir auch den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. (Röm 5,2)

Durch Christus haben wir Zugang zur Gnade erhalten, zur ungeschaffenen Gnade Gottes die nichts anderes ist als seine Liebe. Wenn wir Freunde Gottes sind, kann Gott seine Liebe über uns ausgießen. Diese Liebe ist ganz Geschenk Gottes und wir können sie nur empfangen, wenn wir sie als Geschenk annehmen. Das ist nur möglich, wenn wir nicht unsere Verdienste suchen, sondern wirklich bereit sind, uns beschenken zu lassen. Therese von Lisieux sagt:

Der liebe Gott hat viel Liebe zu verschenken, aber er kann es nicht. Jeder präsentiert ihm seine Verdienste, und das ist so wenig ...

Um Gott eine Freude zu machen stellt sich die kleine Therese daher vor Gott hin und sagt:

Gib mir diese Liebe! Ich bin damit einverstanden, Opfer der Liebe zu sein, das heißt alle Liebe zu empfangen, welche die anderen nicht annehmen, weil sie nicht zulassen, dass du sie liebst, wie du es möchtest.

Opfer der Liebe sein ... Wer kann fassen, was dies bedeutet, ein unergründliches Geheimnis. Nur so viel sei dazu gesagt, dass das Annehmen der Liebe Gottes eben kein Spaziergang ist, sondern auf einen engen, steinigen Weg führt. Liebe zu Gott ist Feindschaft mit der Welt. Die Liebe Gottes führt zum Kampf. Seine Liebe hat Gott ans Kreuz gebracht. Dieses "Risiko" besteht auch für jeden, der sich auf die Liebe Gottes einlässt. Daher schrecken so viele vor ihr zurück. Auch Paulus spricht von der Bedrängnis, in die die Liebe Gottes führt.

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Mehr noch, wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. (Röm 5,3-5)

Gott ist in seinem Wesen Wahrheit. Er ist auch seinem Wesen nach Liebe. Daher sind Erkennen und Lieben dasselbe. Gott erkennen heißt ihn lieben. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt. Daher ist die Liebe das wichtigste Gebot. Liebe und Erkenntnis wachsen gegenseitig aneinander. Die Liebe des Menschen setzt die Liebe Gottes voraus. Der Mensch kann nur lieben, weil Gott ihn schon zuerst geliebt hat. Der Mensch empfängt von Gott Liebe und ist selbst aufgefordert, immer mehr zu Lieben. Die Liebe des Menschen besteht in jener dreifachen Liebe, die mit der der Mensch zuerst Gott liebt und in Gott den Nächsten wie sich selbst. Mit seinem Verstand erkennt der Mensch also Gott, der in seinem Wesen Liebe ist und diese Erkenntnis führt dazu, dass der Verstand den Willen dazu antreibt, zu lieben.
Wie der Mensch durch seinen Verstand Gott ähnlich ist, so zeigt sich diese Ähnlichkeit des Menschen zu Gott auch in der Liebe. Aus dem Reichtum des Heiligen Geistes wird in die Herzen der Heiligen der Reichtum der Liebe eingegossen, damit sie teilhaben an der göttlichen Natur. Wie unendlich groß diese Liebe ist, hat Gott uns gezeigt, indem er seinen eigenen Sohn für unsere Sünden hingegeben hat. Christus ist nicht für uns gestorben weil wir so tolle Menschen sind, sondern gerade weil wir Sünder sind ist er für uns gestorben um uns von unseren Sünden zu erlösen. Ich erinnere hier noch einmal an den oben zitierten Text des Exsultet. Die Liebe Gottes geht all unserem Tun voraus. Unsere Erlösung ist uns von Gott aus Liebe geschenkt. Gott will nicht mehr und nicht weniger als unsere Liebe.
Sehr schön ist das Gesagte in einem Text Papst Benedikt XVI. zusammengefasst:

Die Hoffnung ist die Frucht des Glaubens, so haben wir gesagt; in ihr streckt sich unser Leben nach der Ganzheit alles Wirklichen aus, auf eine grenzenlose Zukunft hin, die uns im Glauben zugänglich wird. Diese erfüllte Ganzheit des Seins, zu der der Glaube den Schlüssel schenkt, ist eine Liebe ohne Vorbehalt - eine Liebe, die ein großes Ja ist zu meiner Existenz und die mir in ihrer Weite und Tiefe die Fülle allen Seins erschließt. In ihr sagt der Schöpfer aller Dinge zu mir: Alles, was mein ist, ist dein (Lk 15,31). Gott aber ist "alles in allem" (1Kor 15,28): wem er all das Seinige mitteilt, für den gibt es keine Grenzen auf Erden mehr. Die Liebe, auf die die christliche Hoffnung im Licht des Glaubens zugeht, ist nichts bloß Privates, Individuelles, sie verschließt mich nicht in eine Eigenwelt hinein. Diese Liebe öffnet mir das ganze All, das durch Liebe zum "Paradies" wird. (Benedikt XVI, Auf Christus schauen, S.81)

Vertrauen wir der Liebe Gottes zu uns, stehen wir fest im Glauben, seinen wir stark in der Hoffnung. Der Herr gebe uns dazu die Kraft. Wir hoffen nicht auf etwas Zweifelhaftes, unser Glaube ist nicht eine rein subjektive Angelegenheit, die Liebe Gottes ist nicht begrenzt. Alles Sichtbare vergeht, das Unsichtbare bleibt. Wir hoffen auf etwas, das real existiert, wenn auch unsichtbar. Wir glauben an einen Gott, der die Wahrheit und die Liebe ist. Seine Liebe ist ohne jedes Maß.
Das Ziel der Liebe ist die Herrlichkeit Gottes, das Einssein mit Gott und untereinander in der Liebe Gottes. Dies wird Gott denen nach diesem irdischen Leben schenken, die er dafür für würdig hält.

Die "Erlösung", das Heil ist nach christlichem Glauben nicht einfach da. Erlösung ist uns in der Weise gegeben, dass uns Hoffnung geschenkt wurde, eine verlässliche Hoffnung, von der her wir unsere Gegenwart bewältigen können: Gegenwart, auch mühsame Gegenwart, kann gelebt und angenommen werden, wenn sie auf ein Ziel zuführt und wenn wir dieses Ziels gewiss sein können; wenn dieses Ziel so groß ist, dass es die Anstrengung des Weges rechtfertigt. (Spe Salvi, 1)

Doch ist uns dieses Ziel nicht deutlich sichtbar. Ein Heiliger hat einmal gesagt: Wenn wir nur ein wenig von der Herrlichkeit Gottes sehen würden, die er für uns bereitet hat, wie leicht würde es uns dann fallen, alle Widerstände zu überwinden und nach dem Willen Gottes zu leben. Doch wir leben in der Hoffnung auf diese Herrlichkeit Gottes und wir dürfen uns dieser Hoffnung rühmen. Sie ist keine Vertröstung auf eine bessere Welt, sondern eine Hoffnung, die eine Realität zur Grundlage hat. Das soll uns Ansporn sein, wenn wir in dieser Welt für das Evangelium leiden müssen, wenn wir leiden müssen an der Liebe Gottes - ein so leicht gesagtes Wort, das in seiner Tiefe wohl nur sehr wenige fassen können. Paulus sagt ganz deutlich, dass wir uns auch unserer Bedrängnis zu rühmen haben. Freundschaft mit Gott ist Feindschaft mit der Welt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis, das sagt uns Jesus deutlich, aber auch: Habt Mut, ich habe die Welt besiegt. Wir haben jetzt schon Anteil an diesem Sieg, müssen uns aber immer noch im Kampf bewähren um dereinst den unvergänglichen Siegespreis zu empfangen.
In Jesus Christus hat sich Gott uns Menschen offenbart, in ihm haben wir alles von Gott erfahren. Der Heilige Geist ist es, der das, was wir von Jesus über Gott erfahren haben, in uns bewahrt und es uns erklärt. Der befreiende Sinn des Evangeliums besteht nicht in erster Linie darin, dass Jesus uns eine neue Lehre über das menschliche Zueinander gebracht hat, sondern dass er eine neue Beziehung zwischen Mensch und Gott gestiftet hat. Der Mensch ist nun wieder Freund Gottes. Freilich hat dies dann auch Auswirkungen auf das Leben des Menschen und das menschliche Zueinander. Aber dieses neue Zueinander der Menschen untereinander hat seine Grundlage in dem neuen Zueinander von Gott und Mensch. In Jesus Christus hat Gott den Menschen das Heil gebracht. Wer dem Evangelium Jesu Christi glaubt, nimmt dieses Heil für sich an.

So können wir jetzt sagen: Christentum war nicht nur "gute Nachricht" - eine Mitteilung von bisher unbekannten Inhalten. Man würde in unserer Sprache sagen: Die christliche Botschaft war nicht nur "informativ", sondern "performativ" - das heißt: Das Evangelium ist nicht nur Mitteilung von Wissbarem; es ist Mitteilung, die Tatsachen wirkt und Leben verändert. (Benedikt XVI., Spe Salvi, 2)

Das ist die Kraft des Evangeliums, die durchschlagende Botschaft, die den Menschen die Kunde bringt von seiner Größe, die den Menschen deutlich macht, wie groß Gott von ihm denkt, dass Gott den Menschen zu seinem Freund macht. Im Glauben nimmt der Mensch diese Botschaft an. Das bedeutet, dass der Mensch sein ganzes Leben auf den Glauben an Jesus Christus aufbaut. Der Mensch vertraut voll und ganz auf die Zusage Gottes, er glaubt fest daran, dass Gott ihn erlöst hat und ihn nie verlässt. Das ist die Substanz, die hinter dem Glauben steht und das sind nicht nur leere Worte, die jeder für sich annehmen oder ablehnen kann.
Die Annahme des Evangeliums führt zur Taufe und in der Taufe wirkt Gott die Gerechtmachung des Menschen. Der Mensch wird in seinem Wesen von einem Feind Gottes zu seinem Freund. Dem Menschen werden in der Taufe alle Sünden vergeben und er wird zu einem durch und durch neuen Menschen. Seine Erlösung kann sich der Mensch nicht durch gute Werke verdienen, sie ist allein Geschenk Gottes. Ohne Zweifel bringt aber das Leben des erlösten Menschen die Frucht guter Werke hervor.

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Christus ist schon zu der Zeit, da wir noch schwach und gottlos waren, für uns gestorben. Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Röm 5,6-8)

Paulus schreibt im Römerbrief von der Liebe Gotts den Menschen. In dieser Liebe hat Gott seinen Sohn dahingegeben, um die Menschen zu erlösen. Er hat die Sünde der Welt hinweg genommen und den Menschen von einem Feind Gottes zu einem Freund Gottes gemacht. All dies hat Gott für uns getan, als wir noch Sünder waren. Jetzt aber, nachdem er uns durch den Tod Jesu Christi gerecht gemacht hat und wir Freunde Gottes sind, wieviel mehr Liebe wird er uns da noch schenken! Versuchen wir uns immer wieder neu, Gottes grenzenlose Liebe zu uns Menschen vorzustellen. Johannes Chrysostomus sagt:

Man muss also, will der Apostel sagen, um den Glauben an Gottes Liebe zu festigen, nicht an den Tod Christi allein denken, sondern auch an das, was uns durch diesen Tod zuteil geworden ist. Schon das allein, dass er für uns, die wir im Zustand der Sünde waren, gestorben ist, war der höchste Erweis von Liebe. Wenn aber klar wird, dass er in seinem Tod uns noch beschenkt, so reich beschenkt, uns, solch unwürdige Menschen beschenkt, dann offenbart das ein Übermaß von Liebe und muss den Schwachgläubigsten zum Glauben bringen. Denn kein anderer ist es ja, der uns retten soll, als der, welcher uns, als wir noch Sünder waren, so geliebt hat, dass er sich selbst dahingab. ...
Jetzt aber sind wir Gottes Freunde geworden, und wenn Gott mit uns als Feinden so schonend verfuhr, dass er seinen Sohn nicht verschonte, wie sollte er nicht auf unserer Seite stehen, nachdem wir seine Freunde geworden sind und es nicht mehr gilt, den Sohn dahinzugehen? Dass einer einen andern oft nicht rettet, kommt daher, dass er es entweder nicht will, oder, wenn er es will, nicht kann. Keines von beiden lässt sich von Gott sagen, nachdem er seinen Sohn dahingegeben hat. Dadurch hat er gezeigt, dass er uns retten will und dass er es auch kann. Er hat es dadurch gezeigt, dass er uns als Sünder gerechtfertigt hat. Was kann uns also noch ein Hindernis sein, die zukünftigen Güter zu erlangen? Gar nichts.
Die Liebe Gottes, die uns Jesus Christus offenbart hat,
sei vor unseren Augen ein lockendes Ziel,
in unseren Herzen die treibende Kraft
und unter unseren Füßen der tragende Grund.
Nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht gemacht sind, werden wir durch ihn erst recht vor dem Gericht Gottes gerettet werden. Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch (Gottes) Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben. Mehr noch, wir rühmen uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben. (Röm 5,9-11)

Jesus Christus hat durch seinen Tod und seine Auferstehung die Versöhnung des Menschen mit Gott gewirkt. Das Verhältnis des Menschen zu Gott war gestört durch die Sünde. Der Mensch konnte sich nicht aus eigener Kraft von der Verstrickung in die Sünde befreien und sich zu einem Gerechten machen, vielmehr wird ihm die Gerechtmachung von Gott geschenkt. Dies alles war nötig durch die Sünde Adams:

Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten. (Röm 5,12)

Die Geschichte vom Sündenfall des Menschen auf den ersten Seiten der Bibel zeigt exemplarisch, dass der Mensch immer wieder der Versuchung ausgesetzt ist und auch immer wieder der Versuchung erliegt. Dadurch kommt es zu einer Schieflage im Verhältnis des Menschen zu Gott, zu seiner Umwelt und zu seinen Mitmenschen. Die Theologie nennt diese Schieflage Sünde. Sünde schränkt den Lebensraum und die Lebensqualität des Menschen ein und führt letztlich zum Tod. So drastisch schildert es Paulus hier. Die Sünde des Menschen bringt dem Menschen den Tod und aus diesem Tod kann sich der Mensch nicht aus eigener Kraft befreien.
Typisch Kirche, werden da viele denken. Sie will den Menschen niederhalten, indem sie ihn als Sünder zeigt. Wer dann noch etwas theologisch gebildet ist, der weiß, dass der heilige Augustinus auf diesem Zitat aus dem Römerbrief seine Erbsündenlehre aufgebaut hat, die noch dazu auf einem Übersetzungsfehler zu beruhen scheint, denn Augustinus las statt "weil alle sündigten" den Satz "in dem alle sündigten", der sich dann auf den einen Menschen Adam bezieht. Augustinus ist auch nicht ganz unschuldig daran, dass in dieser ersten Sünde vornehmlich eine sexuelle Verfehlung gesehen wird. Näher auf die Erbsündenlehre einzugehen, würde eine längere Diskussion erfordern. Dazu sei deshalb nur so viel gesagt, dass die Erbsündenlehre nicht allein an diesem Übersetzungsfehler bei Augustinus festzumachen ist. Auch moderne Forscher bestätigen, dass der Mensch nicht als unbeschriebenes Blatt zur Welt kommt und dass es nicht zu leugnen ist, dass dem Menschen an sich eine Tendenz zum Bösen innewohnt.
Beim Menschen scheint sich alles nur um die Sünde zu drehen. Wie das, werden Sie fragen, wo wir doch im Schöpfungsbericht lesen, dass Gott die ganze Welt und auch den Menschen gut, ja sehr gut geschaffen hat? Es gibt also etwas, das den guten Menschen zum Bösen verführt. Wir nennen das die böse Schlange, die Teufel oder Satan heißt (vgl. Offb 20,2). Kurz gesagt ist darunter ein geistiges Wesen zu verstehen, ein gefallener Engel, der von Gott gut geschaffen wurde, der wie der Mensch Freiheit hat, aber seine Freiheit gegen Gott gewandt hat. Weil Gott aber die Freiheit respektiert, auch wenn sie gegen ihn gerichtet ist (sonst wäre es ja keine wahre Freiheit), lässt er zu, dass der Böse auch den Menschen versucht.
Worin besteht die Versuchung? Das mit dem Apfel im Paradies ist zu wenig und die Beschränkung auf die Sexualität ist zu einseitig. Es geht um viel mehr. Der Mensch hat von Gott Freiheit bekommen, damit er sich frei aus Liebe Gott zuwendet und in dieser Zuwendung zu Gott hin glücklich wird. Die Hinwendung zu Gott kommt darin zum Ausdruck, dass der Mensch die Gebote Gottes hält.
Jetzt halten Sie einmal kurz inne und spüren Sie in sich hinein, welche Empfindungen Ihnen bei dem Wort Gebote Gottes gekommen sind. Ich muss selbst zugeben, dass das Wort Gebote Gottes negativ belegt ist. Die Gebote sind schwer, da kann sich doch niemand dran halten, wir wollen doch ein freies Leben haben und nicht durch solche Gebote eingeschränkt sein, wir wollen Spaß und Freude und das wollen uns die Gebote nur vermiesen. Die Gebote Gottes scheinen also dem zu widersprechen, was sich viele Menschen vom Leben erwarten.
Genau dieses Denken zeigt deutlich, was Versuchung ist. Das war es, was im Paradies vor sich ging. Gott hatte gesagt, es ist besser für euch, wenn ihr von dem einen Baum nicht esst. Der Teufel aber sagt, nur weil Gott euch nieder halten will und euch gängeln will hat er das gesagt. Der Teufel will uns glauben machen, dass die Gebote Gottes für uns nicht gut sind. Der Mensch fällt auf die List des Teufels herein. Und was passiert? Der Mensch verliert dadurch so ziemlich alles, was sein Leben angenehm gemacht hat. In den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte haben die Menschen nichts dazu gelernt. Es ist immer wieder dasselbe Spiel. Der Mensch meint, ohne Gottes Gebote glücklich werden zu können und stürzt damit sich und andere ins Unglück, oft nur im Kleinen, aber manchmal auch im Großen.
Doch auch das Gesetz, das Gott den Menschen gegeben hat, konnte den Menschen nicht aus seiner Verfallenheit an Tod uns Sünde retten. Das Gesetz machte die Sünde des Menschen offenbar, aber es hatte nicht die Kraft, ihn vor Gott gerecht zu machen.

Sünde war schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht wie Adam durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten; Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist. (Röm 5,13-14)

Adam weist auf den Kommenden hin, auf Jesus Christus. Auch Jesus bleibt vor der Versuchung Satans nicht verschont. Reichtum, Ehre und Macht verbergen sich hinter den drei Versuchungen Jesu, und vor allem der Eigennutz. Jesus soll es allein für sich machen. Der Teufel will ihn vor dem Volk groß machen, aber auf seine Weise. Doch Jesus erkennt, was dahinter steckt. Der Preis für Reichtum, Ehre und Macht, die auf der Gunst des Teufels beruhen, ist hoch, was der Blick auf die Versuchungsgeschichte im Paradies zeigt. Wer nach dem Willen Gottes leben möchte, hat ständig mit Versuchungen im Inneren und von außen und mit viel Gegenwind zu rechnen. Es gibt wohl keinen Menschen, der ganz der Versuchung widerstehen kann. Doch Jesus hat es uns gezeigt, wie es geht. Jesus Christus war dem Vater gehorsam - und wir wissen wie der Satz weitergeht - bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Jesus hat uns gezeigt, wie ein Leben ohne Sünde aussieht. Er hat die Versuchungen des Teufels durchschaut und überwunden. Durch sein stellvertretendes Handeln für uns Menschen hat er uns vor Gott gerecht gemacht und aus dem Tod ins Leben geführt.

Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden. Anders als mit dem, was durch den einen Sünder verursacht wurde, verhält es sich mit dieser Gabe: Das Gericht führt wegen der Übertretung des einen zur Verurteilung, die Gnade führt aus vielen Übertretungen zur Gerechtsprechung. Ist durch die Übertretung des einen der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurde, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus.
Wie es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt. Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden. Das Gesetz aber ist hinzugekommen, damit die Übertretung mächtiger werde; wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden. Denn wie die Sünde herrschte und zum Tod führte, so soll auch die Gnade herrschen und durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben führen, durch Jesus Christus, unseren Herrn. (Röm 5,15-21)