Ich danke meinem Gott jedes Mal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, dass ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt vom ersten Tag an bis jetzt. (Phil 1,3-5)
Wie bei manch anderen Briefen auch folgt auf den Gruß die Danksagung. Diese Danksagung betont das herzliche Verhältnis, das Paulus zur Gemeinde in Philippi hat. Die Gemeinde ist für ihn ein Anlass zur Freude. Auch wenn es, wie im Laufe des Briefes deutlich wird, einige Themen gibt, um die Paulus sich in Bezug auf die Gemeinde sorgt, ist er doch sehr zuversichtlich, dass die Gemeinde wachsen wird und die anstehenden Hindernisse sicher überwindet. Dieses Vertrauen des Paulus in die Gemeinde wird vor allem im folgenden Vers deutlich:
Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu. (Phil 1,6)
Gott hat sein Werk in der Gemeinde begonnen. Der Glaube ist nicht Menschenwerk, sondern ein Geschenk Gottes. Er ist eine Ehre, die durch die Verkündigung des Evangeliums allen Menschen zu Teil werden soll. Glaube ist keine lästige Pflicht, keine zusätzliche Belastung für unser Leben, sondern Gottes Werk an uns, der seine Heiligkeit an uns vollenden will zu unserer Freude und zu unserem Heil.
Wie weit weicht die Einstellung vieler Menschen zum Glauben von dieser Aussage ab. Glaube wird als unnützer Ballast gesehen, dessen man sich entledigt. Vielleicht hat die Kirche hier selbst in ihrer Verkündigung etwas falsch gemacht. Gebote und Moral wurden den Menschen oft als Ziel vor Augen gestellt, das mit viel Mühe erreicht werden soll. Aber Gebote und Moral sind nicht Selbstzweck, sondern Weg zu einem Ziel, das viel größer und schöner ist, als wir es uns erdenken können.
Glaube führt uns auf den Weg der Heiligkeit, dessen Ziel unsere Vollendung ist. Wir reden heute viel von Selbstverwirklichung. Gerade das ist es, was Gott in uns wirken will, dass jeder Mensch voll und ganz zu dem wird, was in ihm steckt. Gott handelt an uns wie ein Künstler, der aus einem unförmigen Stück Holz oder Stein ein wundervolles Kunstwerk schafft. An uns liegt es, all die Teile abzugeben, die der Künstler aus uns herausschlägt. Das Bild, das Gott von uns schafft, ist schon in uns, aber es ist verdeckt. Wir halten so vieles von dem fest, was unser Bild entstellt, so dass es nicht zur Geltung kommen kann. Lassen wir Gott an uns wirken. Lassen wir uns von ihm „bearbeiten“. Gott verunstaltet uns nicht, sondern holt das Beste aus uns heraus.
In dem sehr zu empfehlenden Kalender „Der andere Advent“ habe ich eine schöne Geschichte gelesen, die deutlich machen kann, was hier gemeint ist. Es geht um einen ganz normalen Mann mittleren Alters, der sich eines Tages die Frage stellt: Wozu das alles? Wozu jeden Morgen aufstehen, der gewohnte Tagesablauf mit Arbeit, Essen, Freizeit, Schlaf? Und er beschließt, Gott in einem kurzen Gebet zu fragen. "Herr, Gott, was soll ich tun mit meinem Leben? Bitte sei so gut und gib mir ein Zeichen. Danke."
Doch die Antwort bleibt aus. Warum antwortet Gott nicht? Der Beter überlegt und findet schließlich die Antwort: Gott denkt nach, um auf seine Frage eine perfekte und vollkommene Antwort zu finden. Der Mann erkennt, dass er für Gott von großer Bedeutung ist, weil Gott ihm nicht eine schnelle und vorgeformte Antwort gibt, sondern sich Zeit lässt. Nun geht auch er selbst mit sich sorgsamer um, als zuvor, er denkt immer wieder daran, wie wichtig er für Gott ist, und das verändert schließlich sein Leben.
Wir sind wichtig für Gott, jeder einzelne Mensch. Gott kennt jeden Menschen, hat mit jedem einzelnen einen ganz besonderen Plan. Mir fällt hier der Vers Psalm 68,29f. ein, in dem es heißt:
Festige das, o Gott, was du in uns gewirkt hast, von deinem heiligen Tempel aus, der in Jerusalem ist.
Gott ist es, der in uns wirkt. Glaube ist ein Geschenk. Wir dürfen glauben, wir dürfen Gott an uns wirken lassen. Er macht uns heilig, macht uns strahlend schön. Vertrauen wir uns ihm an!
Es ist nur recht, dass ich so über euch alle denke, weil ich euch ins Herz geschlossen habe. Denn ihr alle habt Anteil an der Gnade, die mir durch meine Gefangenschaft und die Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums gewährt ist. (Phil 1,7)
Paulus weist hier auf seine Gefangenschaft hin, die er um der Verkündigung des Evangeliums willen zu erdulden hat. Es ist nicht klar, wo Paulus genau gefangen gehalten wird. Die Lokalisierung der Gefangenschaft gibt uns aber Rückschlüsse auf die Entstehungszeit des Briefes. Viele Exegeten gehen davon aus, dass es sich hier um die Gefangenschaft des Paulus in Rom handelt. Somit wäre der Philipperbrief, um das Jahr 65 entstanden, der letzte Paulusbrief und ein Abschiedsbrief des Apostels, der seinen Tod vor Augen sieht, an seine geliebte Gemeinde. Andere Exegeten gehen von einer Abfassung des Briefes um das Jahr 55 in Ephesus aus.
Die Philipper haben Paulus von Anfang an materiell unterstützt (vgl. Phil 4,10-20) und auch jetzt haben sie Epaphroditus zu Paulus geschickt, der die Gaben der Gemeinde überbracht hat (vgl. Phil 2,25-30). Dies zeigt das innige Verhältnis der Gemeinde zu Paulus, selbst über eine längere Zeit seiner Abwesenheit hinweg (Paulus hat um das Jahr 50 die Gemeinde gegründet). In den folgenden Versen bezeugt Paulus, wie auch er sich nach den Philippern sehnt: