1[Ein Psalm Davids.] Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, / der Erdkreis und seine Bewohner.
2Denn er hat ihn auf Meere gegründet, / ihn über Strömen befestigt. (Ps 24,1-2)
Der erste Vers des Psalms benennt eine Tatsache: Die Erde gehört dem Herrn. Gott hat die Welt geschaffen. Sie ist in seiner Hand. Gott ist Herr des Universums. Alles, was auf der Erde lebt, gehört Gott. Er hat Meer und Land getrennt, hat den fruchtbaren Boden und die Pflanzen und Tiere darauf geschaffen. Er hat dem Menschen, den er mit Geist und Freiheit ausgestattet hat, die Erde anvertraut, sie zu nutzen und zu verwalten.
Er ist der Gott der Ordnung ... der das Ich aus dem gestaltlosen Urgrund herausruft und über ihm befestigt. Darum ist auch ... nur die Lebensweise des Menschen göttlich, die in einem spezifischen Sinne menschlich, gottebenbildlich ist, eine vernunftgeleitete, verantwortliche Lebensweise, die ihrerseits das Erdreich über den Wassern befestigt, ohne deshalb das Wasser, den unersetzlichen Urgrund des Lebens, auszutrocknen. (Robert Spaemann)
In den folgenden Versen schildert der Psalmist die Zutrittsbedingungen für das Heiligtum:
3Wer darf hinaufziehn zum Berg des Herrn, / wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?
4Der reine Hände hat und ein lauteres Herz, / der nicht betrügt und keinen Meineid schwört.
Unschuldige Hände und ein reines Herz heißt es wörtlich übersetzt. Hände, an denen kein Blut klebt und die nicht gierig zusammenraffen, sondern Hände, die sich dem anderen helfend entgegen strecken, die selbstlos schenken und zum Gebet zu Gott erhoben sind.
Ein Herz, das nicht zur Mördergrube geworden ist und voll ist von Hass und bösen Gedanken, sondern ein Herz, das voller Liebe ist, ehrlich und wahrhaftig. Diesen Menschen spricht der Psalmist den Segen Gottes zu.
5Er wird Segen empfangen vom Herrn / und Heil von Gott, seinem Helfer.
6Das sind die Menschen, die nach ihm fragen, / die dein Antlitz suchen, Gott Jakobs. [Sela]
Menschen mit reinen Händen und lauterem Herzen empfangen Gottes Segen und werden so zu Menschen, die Gott suchen. Ist diese Reihenfolge nicht unlogisch? Steht nicht am Anfang die Suche nach Gott, unser Bemühen, ihn zu finden? Müssen wir uns nicht zuerst um das reine Herz mühen, damit Gott zu uns kommen kann?
Wenn es so wäre, bliebe Gott den Menschen fremd. Kein Mensch kann aus eigener Anstrengung so rein und heilig werden, dass er Gott gleich wäre. Es ist vielmehr Gott, der die Initiative ergreift und uns rein und heilig macht durch seine Gnade. Gott kommt dem Menschen entgegen, um ihn zu sich zu führen. Wenn ein Mensch von Gottes Gnade angerührt wurde, dann ist er bereit, sich auf dem Weg zu Gott zu machen. Doch viele Menschen nutzen das Geschenk Gottes nicht und bleiben lieber in ihrer kleinen Welt, als sich auf den Weg zu machen zum Tempel Gottes - sie bleiben lieber armselige Menschen, als ihre Leib zum Tempel Gottes zu machen.