Jesaja 8,19-9,6

Gottes Licht

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Jesaja
Wenn man euch sagt: Befragt die Totengeister und Zauberkundigen, die flüstern und murmeln!, (dann erwidert:) Soll ein Volk nicht lieber seinen Gott befragen? Warum soll man für die Lebenden die Toten befragen? Lehre und Warnung: Wer nicht so denkt, für den gibt es kein Morgenrot. Er wandert umher, verdrossen und hungrig. Und wenn er hungert, dann wird er wütend und er verflucht seinen König und seinen Gott. Er blickt nach oben und blickt zur Erde; aber überall sieht er nur Not, Finsternis und beängstigendes Dunkel. (Jes 8,19-22)

Die Kapitel 8 und 9 bilden den Abschluss der Immanuelschrift, die den Abschnitt Jesaja 5,1-9,6 umfasst. Diese großartige Komposition stammt aus der Zeit vor dem babylonischen Exil und bildet den Kern der Botschaft des Propheten Jesaja. Sie beginnt mit einem Blick auf die unheilvolle Situation im Volk Israel, das sich von Gott abgewandt hat und unter der Bedrohung durch äußere Feinde zu leiden hat. Daher beruft Gott Jesaja als Propheten, um dem Volk seine zu vermitteln, die durch diese schwere Zeit führen sollen.
Jesaja hat dem Volk in der Ankündigung des "Immanuel", des "Gott-mit-uns", die Hoffnung übermittelt, dass Gott bei seinem Volk bleiben wird. Zugleich hält der Prophet durch seinen eigenen Sohn "Maher-Schalal-Hasch-Bas", "Schnelle Beute - Rascher Raub", dem Volk ein mahnendes Beispiel vor Augen, was geschieht, wenn sie nicht an Gott glauben. Dann wird ihr Land zur schnellen Beute und zum raschen Raub der Feinde. Das Volk muss sich entscheiden. Will es lieber auf Totengeister und Zauberei vertrauen, die immer mehr in die Finsternis führen, oder will es sich seinem Gott zuwenden, der das Licht schenkt. Tiefste Finsternis und eine Nacht ohne Morgen, das ist das Schicksal derer, die Gott vergessen haben. Doch es gibt Hoffnung:

Doch die Finsternis wird verscheucht; denn wer jetzt in Not ist, bleibt nicht im Dunkel. Einst hat er das Land Sebulon und das Land Naftali verachtet, aber später bringt er die Straße am Meer wieder zu Ehren, das Land jenseits des Jordan, das Gebiet der Heiden. (Jes 8,23)

Die Finsternis wird nicht bleiben, Gott wird Licht ins Dunkel bringen. Als die Assyrer den Norden Israels erobert haben, ging dort sozusagen das Licht des Glaubens aus. Nun leben Heiden im Erbland Israels. Eine unheilvolle Situation, die Gott einmal ändern wird. Diesen Vers zitiert Matthäus zu Beginn des Wirkens Jesu. Das Hochland von Galiläa und die Gegend um den See Gennesaret, das Gebiet, in dem Jesus zum ersten Mal öffentlich aufgetreten ist, ist dieses Land der Stämme Sebulon und Naftali. Matthäus zeigt so, dass Jesus der verkündete Lichtbringer, der Immanuel ist, den Jesaja hier verheißen hat.
Jesus hat das Licht des Glaubens neu gebracht. Nach seiner Auferstehung gehen Menschen in die ganze Welt, um diesen Glauben zu verkünden. Viele Länder sind seither christlich geworden, sie leuchten im Licht des Glaubens. Doch oft wurde dieses Licht durch innere Streitigkeiten unter den Christen und ein Leben, das nicht dem Evangelium entspricht, verdunkelt. Vormals christliche Länder wurden erobert und die Christen sind dort zu einer Minderheit geworden oder ganz verschwunden. Das Licht des Glaubens scheint heute schwächer zu sein als je zuvor. Die Worte des Jesaja scheinen heute wieder besonders aktuell. Wird das Licht des Glaubens wieder stärker werden? Gibt es Hoffnung, dass wir die Menschen wieder für den Glauben an Jesus Christus begeistern können? Hören wir auf Gottes Wort und vertrauen wir auf seine Hilfe!
Gott wird die Not wenden, damals wie heute. Jesaja zeigt, dass das Volk auch aus eigener Schuld in diese Not geraten ist, weil es seinen Gott vergessen hat. Mehr aber als Strafe will Gott seinem Volk Rettung bringen. Das folgende Danklied (Jes 9,1-6) schildert mit freudigen Worten die Herrschaft des Immanuel, des göttlichen Kindes. Er ist ein Licht inmitten des Volkes. Alle freuen sich an ihm. Er macht der Unterdrückung ein Ende, sowohl von außen als auch im Innern. Er beendet Gewalt und Versklavung und schafft Recht und Gerechtigkeit. Er ist mehr als nur ein neuer König, er überbietet alle Könige Israels. Die Attribute, die ihm zugesagt werden, rücken ihn in unmittelbare Nähe zu Gott. Der Immanuel wird etwas nie Dagewesenes verkörpern.

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Jesaja
Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf. (Jes 9,1)

Das Kind, das Jesaja verheißt, bringt Licht in das Dunkel. Dunkel wird es in einem Land, wenn ihm eine gerechte Regierung fehlt, wenn die Starken ihre Macht über die Schwachen ungehindert ausüben können, wenn die Grundlage eines gemeinsamen Wohlstandes zerstört wird zugunsten des Gewinns einiger weniger. In Israel gab es immer wieder Zeiten, in denen das Land nahe am Abgrund stand, bedroht von äußeren Feinden aber besonders auch durch innere Instabilität.
Wir haben in unseren westlichen Ländern eine lange Periode des Friedens und des Wohlstands durchlebt. Anderen Ländern ist es nicht so gut ergangen, teilweise auch, weil wir unseren Wohlstand auf ihre Kosten erlangt haben. Nun holen uns die Fehler der Geschichte ein. Zudem hat der Wohlstand der letzten Jahre eine gefährliche Entwicklung in Gang gesetzt. Viele ruhen sich auf ihrem Wohlstand aus, haben es verlernt, innovativ zu sein und wollen ihren Wohlstand lieber auf bequeme Weise vermehren. Viele haben in einer Welt, in der es alles gibt, keine Perspektive mehr, weil sie alles haben, andere haben keine Perspektive, weil sie zu den Abgehängten der Wohlstandsgesellschaft gehören und nicht von ihren Vorteilen profitieren können. Zudem zieht der nach außen zur Schau getragene Wohlstand Fremde an, die auch an ihm teilhaben möchten. Sie treffen auf eine müde Gesellschaft, deren Wohlstand zu immer mehr Faulheit und Sittenlosigkeit führt.
Auch wenn bei uns immer mehr Lichter leuchten, in den Einkaufszentren und in den Straßen der immer weitläufigeren Wohngebiete, den Innenstädten und Flughäfen und den neuen Gewerbegebieten an den Ortsrändern, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in den Herzen vieler Menschen etwas dunkler geworden ist. Viele vergessen geglaubte Sorgen kehren wieder. Werden wir genug Geld verdienen, um uns weiterhin den gewohnten Lebensstandard leisten zu können? Werden wir im Alter noch genügend Geld haben? In was für einer Gesellschaft werden unsere Kinder aufwachsen? Wie steht es um die Sicherheit in unserem Land? Welche Folgen wird der Klimawandel haben?
Wo ist Gott in dieser Welt? Wie kann ich heute Menschen von Gott begeistern und ihnen zeigen, dass es Licht gibt in den Dunkelheiten dieser Welt?

Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude. Man freut sich in deiner Nähe, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird. (Jes 9,2)

Der Immanuel, der von Jesaja verheißene Lichtbringer, wird jemand sein, in dessen Nähe man gerne ist. Er ist kein Griesgram, kein Moralist, der den Menschen nur ihre Fehler vorhält. Er verbreitet Freude und aus dieser Freude entstehen neue Perspektiven. Das Gute gerne tun. Nicht weil man es muss, weil man Angst hat vor der Strafe, sondern weil es einfach schöner ist, mehr Freude bringt, glücklich macht. Teilen ist schöner als für sich selbst horten, das merkt man aber erst, wenn man sich dazu überwunden hat.

Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers. Jeder Stiefel, der dröhnend daher stampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. (Jes 9,3-4)

Die Hoffnung aller ruht auf dem Immanuel. er macht der Not und Unterdrückung ein Ende. Er steht auf gegen Hass und Gewalt. Er hat den Mut, den Kriegstreibern die Stirn zu bieten, jenen, die Menschen gegeneinander aufhetzen, um an den kriegerischen Konflikten zu verdienen. Er eröffnet Perspektiven des Friedens.
Ja, Frieden ist möglich, Hass zwischen Stämmen und Völkern kann überwunden werden. Der Krieg muss nicht die letzte Lösung aller Konflikte sein. Aber es ist schwer, sich gegen die Übermacht der Machtbesessenen durchzusetzen und gegen die Lobby der Kriegstreiber, die an Waffenlieferungen verdienen. Doch es ist nicht unmöglich. Wo Menschen hartnäckig gegen die Kriegstreiber protestieren und deren Machenschaften aufdecken, werden sie gehört. gerade diese Stelle aus dem Propheten Jesaja kann zu allen Zeiten eine Kraft entfalten, die das Potential dazu hat, eingefahrene Strukturen aufzubrechen und Menschen Freiheit und Frieden zu schenken.

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Jesaja
Ja, ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. (Jes 9,5a)

Dieser Vers wird in der lateinischen Kirche seit alters her als Eröffnungsgesang der Messe am Weihnachtstag gesungen. Nach der modernen Leseordnung hören wir ihn in der Lesung in der Heiligen Nacht. Jesaja verheißt die Geburt eines Kindes, das mehr ist als nur ein besonderer Mensch, ein Königssohn und Thronfolger. Er verheißt die Geburt eines Kindes, in dem Gott selbst mitten unter uns ist, eines Kindes, das Gottes Sohn ist. Als Christen sehen wir in der Geburt Jesu Christi, die wir an Weihnachten feiern, die Erfüllung der Weissagung des Jesaja.
Wir haben uns an die Darstellungen der Krippe von Betlehem, an die Romantik mit Ochs und Esel und Hirten, eingehüllt in ein warmes Licht, vielleicht so sehr gewöhnt, dass uns das Ungeheuerliche, das dahintersteht gar nicht mehr bewusst wird. Gott wird ein Kind. Götter sind doch groß und erhaben, dem Zugriff der Menschen entzogen, vielleicht kommen sie in manchen Mythen als Helden auf die Welt. Dass aber Gott ein kleines, schwaches Kind wird, das hat man noch nie gehört. Zudem ist es auch gar kein Wunderkind, sondern einfach ein ganz normales Kind.
Gott will uns seine Macht in der Machtlosigkeit eines Kindes zeigen. Gott will uns zeigen, dass er so mächtig ist, dass er gerade durch ein hilfloses Kind die Menschen retten kann. Wir Menschen schauen oft nur auf das Äußere, auf imposante Gesten, lassen uns von der Zurschaustellung von Macht beeindrucken. Die Werbung heutzutage gaukelt uns mit schönen Bildern vor, dass jedes noch so wertlose Zeug etwas ist, das wir unbedingt haben müssen und uns zu einem besseren Menschen macht und wir wundern uns, warum wir so unzufrieden sind, obwohl wir doch so vieles haben.
Wertvoll sind Menschen und Dinge nicht durch den äußeren Schein, nicht durch Werbung oder dadurch, dass sie viele "Follower" in den sozialen Netzwerken haben. Wahre Werte, das was Menschen oder Dinge wirklich wertvoll macht, ist etwas, das nicht in Geld gemessen werden kann. Wir können uns Unterhaltung, Dienstleistungen und auch Spaß mit Geld kaufen, aber wahre Liebe gibt es nicht für Geld. Menschen, die in wirklich allen Lebenslagen zu uns stehen, sind unbezahlbar, gerade auch deshalb, weil sie keinen Lohn für ihre Zuwendung erwarten.
Gott hat uns an Weihnachten ein unbezahlbares Geschenk gemacht. Er ist zu uns gekommen als ein kleines Kind. Vielleicht finden wir Gott auch heute wieder am leichtesten in der Betrachtung dieses Kindes. Gott ist uns so nahe, dass wir ihn in die Arme nehmen können, wie ein kleines Kind. Und wie Kinder mit ihrem Lächeln die Menschen verzaubern können und selbst die härtesten Herzen anrühren, so will Gott uns mit seiner Nähe verzaubern und unsere harten Herzen öffnen.

Weihnachten ist das Fest der Nähe. Näher konnte Gott uns nicht kommen als in der Geburt seines Sohnes, der Mensch, der Kind werden wollte für uns. In unserem Bruder Jesus aber sind auch wir einander nahegerückt. (Klaus Hemmerle)

Mit seiner Geburt will Gott auch uns Menschen zusammenführen, dass wir zusammen feiern, Menschen verschiedener Klassen und Schichten, Menschen verschiedener Rassen und Kulturen. In der Gegenwart des göttlichen Kindes soll Frieden sein und Freude. Draußen bleiben alle, die mit Weihnachten nur Geld verdienen möchten, die weihnachtliche Gefühle in den Menschen wecken, um sie zum Konsum zu motivieren. Verbannen wir den Kommerz von unserem Weihnachtsfest. Ja, ein paar kleine Geschenke sind schön, für Erwachsene und ganz besonders auch für Kinder, aber sie sind wertlos, wenn das Wichtigste an Weihnachten fehlt, die Erfahrung, dass Gott zu uns gekommen ist mit seiner Liebe, die Erfahrung, dass Gott uns mehr geschenkt hat, als wir jemals werden schenken können.

Niemand kann Weihnachten feiern, ohne selbst wirklich arm zu sein. Die Selbstgefälligen, Stolzen, diejenigen, die alles haben und auf andere herabblicken, alle, die Gott nicht brauchen, sie werden Weihnachten nicht erleben. Nur die Armen, die Hungrigen, die jemanden brauchen, der für sie eintritt, werden es bekommen. Dies ist Gott, Emmanuel, der Gott-mit-uns. Ohne Armut kann Gott uns nicht erfüllen. (Oscar Romero)
Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Seine Herrschaft ist groß und der Friede hat kein Ende. Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich; er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit, jetzt und für alle Zeiten. Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere wird das vollbringen. (Jes 9,5b-6)

Jesaja nennt hier die Eigenschaften des Kindes, das dem Volk geboren wurde. Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Es trägt die Macht, sie ist ihm praktisch in die Wiege gelegt. Jesus Christus ist Gott und Mensch. In der Schwachheit seiner Menschlichkeit verbirgt sich die Kraft seiner Gottheit. Stärke muss nicht immer nach außen zur Schau getragen werden, sie findet auch andere Wege, um sich durchzusetzen.
Die Übersetzung wunderbarer Ratgeber ist missverständlich. Anhand des hebräischen Textes trifft die Bezeichnung "Wunderplaner" eher das Gemeinte. Wunderbare Taten wird das Kind ersinnen und vollbringen, "was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" (1Kor 2,9/Jes 64,3).
Der Immanuel ist mehr als ein Königskind. Gottes Stärke kommt in der Unscheinbarkeit des Kindes zum Vorschein. Auch die Bezeichnung Vater war in Israel nicht für Könige, sondern nur für Gott gebräuchlich. Er ist der Friedensfürst, der seine Macht nicht durch Kriege beweist und erweitert, sondern andere Wege finden, dass sich die Herzen der Menschen ihm zuwenden. Er wird der wahre Nachkomme Davids sein in dem Gottes Macht ganz anders zum Vorschein kommt als die Menschen es erwarten.