1Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. 2Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füße und mit zwei flogen sie.
3Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt. 4Die Türschwellen bebten bei ihrem lauten Ruf und der Tempel füllte sich mit Rauch.
5Da sagte ich: Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen.
6Da flog einer der Serafim zu mir; er trug in seiner Hand eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. 7Er berührte damit meinen Mund und sagte: Das hier hat deine Lippen berührt: Deine Schuld ist getilgt, deine Sünde gesühnt.
8Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich! (Jes 6,1-8)
Das Kapitel 6 des Jesajabuches schildert die Berufung des Propheten. In den vorangegangenen Kapiteln hat der Leser des Buches bereits Wesentliches über die Verkündigung des Propheten erfahren. Diese Worte sind wichtiger als die Berufung des Propheten an sich, der auch sonst als historische Person ganz hinter seinen Worten zurücktritt. Das Todesjahr des Königs Usija, in dem die Berufung des Jesaja erfolgte, lässt sich auf das Jahr 739 v.Chr. (nach anderen Berechnungen 734 v.Chr.) datieren.
Jesaja erfährt Gott als den großen und erhabenen Herrscher. Er sitzt auf einem mächtigen Thron. Allein der Saum seines Gewandes füllt den Tempel aus. Für die Menschen der damaligen Zeit war der Tempel in Jerusalem ein Bauwerk von alles überragender Größe. Und wie groß muss dann erst Gott sein, wenn ein kleiner Teil seines Gewandes schon diesen riesigen Tempel füllt.
Gottes Erscheinen ist begleitet von mächtigen Engeln. Die Seraphim bilden den obersten der neun Chöre der Engel. Ihr Name bedeutet „die Brennenden“. Sie befinden sich in unmittelbarer Nähe Gottes. Sie besitzen sechs Flügel, mit zweien bedecken sie ihr Gesicht, denn wie alle Wesen dürfen auch sie das Angesicht Gottes nicht schauen, mit zweien bedecken sie ihre Füße, was wohl bedeutet, dass sie sich von Kopf bis Fuß mit den Flügeln bedecken, und mit zweien fliegen sie. Ihr Lobpreis Gottes erschallt so laut, dass die Türschwellen des Tempels erbeben. Es ist ein dreifaches „Heilig, heilig, heilig“, das Gottes erhabene Größe jubelnd besingt.
Angesichts der Erhabenheit Gottes erkennt Jesaja seine Niedrigkeit und Sündigkeit. Er hält sich für unwürdig, vor Gott zu stehen. Vor Gott kann kein Mensch bestehen, jeder wäre verloren, würde Gott sich nicht dem Menschen zuwenden in seiner übergroßen Huld. Gott tilgt die Schuld des Propheten, indem ein Engel mit einer glühenden Kohle seine Lippen berührt. Jetzt ist Jesaja geläutert und bereit zum Dienst der Verkündigung: "Hier bin ich, sende mich!"