Prophet Habakuk

Übersicht

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Habakuk
Ausspruch, den der Prophet Habakuk in einer Vision hörte. (Hab 1,1)

Über den Propheten Habakuk wissen wir nicht viel. Neben der zweifachen Erwähnung im Buch Habakuk begegnen wir ihm nur noch im Buch Daniel (Dan 14,33-39) in einer Wundergeschichte, die wahrscheinlich nichts mit seinem konkreten Leben zu tun hat. Dort bringt er Daniel, der in Babylon in einer Löwengrube sitzt, auf wundersame Weise mit Hilfe eines Engels etwas zu Essen.
Die moderne Forschung geht davon aus, dass der Prophet Habakuk um das Jahr 600 v.Chr. in Jerusalem aufgetreten ist. In seinem Worten spiegelt sich die unruhige Zeit vom Beginn der Eroberungen des neubabylonischen Reiches im Vorderen Orient bis kurz vor dem Untergang Jerusalems wieder. Nach der Schlacht bei Karkemisch im Jahr 605 v.Chr. fiel Nebukadnezzar der ganze Vordere Orient zu und seine Vormachtstellung war nun gesichert. Im Jahr 597 v.Chr. kam es dann zur ersten Belagerung Jerusalems.
In dieser Zeit ist das Ende der alten Ordnung deutlich erkennbar und die Menschen blicken auf eine ungewisse Zukunft, von der man nicht weiß, ob sie das Ende alten Unrechts oder noch größeres Unrecht bringen wird. Während der König und die Oberschicht in Jerusalem noch relativ sorglos leben und sich durch Ausbeutung des Volkes bereichern, kommt der Untergang immer näher. Die Rufe des Propheten nach Recht und Gerechtigkeit, die in der nur wenige Jahre zurückliegenden Kultreform des Königs Joschija wieder aufgerichtet wurden, verhallen ins Leere.
Der Prophet stellt sich die Frage nach dem Warum. Warum muss Jerusalem, Gottes geliebte Stadt, so leiden, warum lässt Gott ihren Untergang zu. Warum dürfen die Feinde mit solch gewaltiger Macht und Brutalität gegen Gottes Volk vorgehen? Gott lässt das Strafgericht zu, doch auch die Neubabylonier als Vollstrecker dieses Gerichts werden bestraft werden.

Lastwort, das Chabakkuk der Künder schauend empfing.

So übersetzt Martin Buber näher am Urtext die Überschrift zum Buch Habakuk. Habakuk hat geschaut, was er verkündet. Das Wort Ausspruch wird korrekter mit dem Begriff Lastwort oder Lastspruch wiedergegeben, ein Wort, das auch bei Jeremia auftaucht. Beide Propheten sind etwa zeitgleich aufgetreten, erwähnen einander jedoch nicht. Bei Jeremia hat der Begriff eine negative Bedeutung, die wohl daher rührt, dass er von falschen Propheten missbraucht wurde. Bis dahin scheint er aber durchaus korrekt gewesen zu sein.

Fragt dich dieses Volk oder ein Prophet oder ein Priester: Was ist der "Last-Spruch" des Herrn?, so antworte ihnen: Ihr selbst seid die Last und ich werfe euch ab - Spruch des Herrn. Den Propheten aber, den Priester und das Volk, jeden, der sagt: "Last-Spruch des Herrn", den ziehe ich samt seinem Haus zur Rechenschaft - Spruch des Herrn. Vielmehr sollt ihr so zueinander und untereinander sagen: Was hat der Herr geantwortet?, oder: Was hat der Herr gesagt? Aber den Ausdruck «Last-Spruch des Herrn» sollt ihr nicht mehr gebrauchen. Denn "die Last" ist für jeden sein eigenes Wort, weil ihr die Worte des lebendigen Gottes, des Herrn der Heere, unseres Gottes, verdreht habt. (Jer 23,33-36)

Es ist nicht klar, ob das Buch Habakuk in eindeutigem Kontrast zu dieser Stelle das Wort Lastspruch verwendet, oder ob man die negative Gewichtung dieses Wortes einfach noch nicht kennt. Auch ist es schwierig, die Bedeutung dieses Wortes eindeutig zu bestimmen. Das Wort Gottes lastet auf den Propheten, der Prophet leidet unter Gottes Wort, es ist aber auch eine Last für das Volk, wenn der Prophet durch Gottes Wort Unheil verkündet. Dach letztlich bürden sich die Menschen die Lasten einander selbst auf, durch das Unrecht, das sie wirken. Gottes Gericht wird auch dann auch denen zur Last, die in falscher Freiheit anderen Lasten aufbürden. Eine Befreiung von der Last des Herrn ist nur möglich, wenn die Menschen aufhören, einander Lasten aufzubürden, und in Frieden und Gerechtigkeit miteinander leben.
So beginnt das Buch Habakuk auch solgleich mit der Klage über die Lasten, über Unrecht und Gewalt, in die in der Umgebung des Propheten herrschen:

Wie lange, Herr, soll ich noch rufen und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt! Aber du hilfst nicht. Warum lässt du mich die Macht des Bösen erleben und siehst der Unterdrückung zu? Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung, erhebt sich Zwietracht und Streit. Darum ist das Gesetz ohne Kraft und das Recht setzt sich gar nicht mehr durch. Die Bösen umstellen den Gerechten und so wird das Recht verdreht. (Hab 1,2-4)
"Bis wann noch, DU!" habe ich gefleht und du hörst nicht, ich schreie zu dir: "Gewalt !" und du befreist nicht.

So klingt Hab 1,2 noch eindrücklicher in den Worten Martin Bubers. Was als Klage an Gott gerichtet ist, ist eine Klage über das Tun der Menschen. Nicht Gott übt Gewalt. Die Menschen tun einander Gewalt an. Das Böse hat die Macht und drückt mit gnadenloser Grausamkeit die Hilflosen und Schwachen nieder. Warum lässt Gott das zu? Warum lässt er in seinem Volk das zu? Warum lässt er zu, dass die Gerechtigkeit, für die Gottes Gesetz steht, unwirksam, ja machtlos ist?
Doch Gottes Strafgericht naht:

Seht auf die Völker, schaut hin, staunt und erstarrt! Denn ich vollbringe in euren Tagen eine Tat - würde man euch davon erzählen, ihr glaubtet es nicht. Denn seht, ich stachle die Chaldäer auf, das grausame, ungestüme Volk, das die Weiten der Erde durchzieht, um Wohnplätze zu erobern, die ihm nicht gehören, ein furchtbares und schreckliches Volk, das selbst sein Recht und seinen Rang bestimmt. Seine Pferde sind schneller als Panther, wilder als die Wölfe der Steppe. Seine Rosse und Reiter stürmen heran, sie kommen aus der Ferne, sie fliegen herbei wie ein Geier, der sich auf seinen Fraß stürzt. Sie rücken an, entschlossen zu roher Gewalt, alle Gesichter vorwärts gerichtet. Gefangene raffen sie zusammen wie Sand. Sie machen sich sogar über Könige lustig und lachen über mächtige Fürsten; ja, sie spotten über jede Festung, sie schütten einen Erdwall auf und nehmen sie ein. Dann ziehen sie weiter, wie der Sturmwind sausen sie dahin. Doch sie werden es büßen, denn sie haben ihre Kraft zu ihrem Gott gemacht. (Hab 1,5-11)

Eindrucksvoll schildert dieser Abschnitt die heranrückenden Reiterheere des neubabylonischen Reiches unter der Führung Nebukadnezzars. Doch auch sie verhelfen keineswegs der Gerechtigkeit zum Sieg. Sie haben ihr eigenes Recht, das nur ihrem Vorteil dient und die Besiegten gnadenlos niederdrückt. Was bringt es Gott, wenn er sein Volk so straft? Was ist damit gewonnen?
Der Prophet versucht zu verstehen. Nur, wenn Gott Herr ist über alle Völker, ergibt das alles einen Sinn. Dann hat er die Macht, fremde Völker zu rufen, um das Strafgericht über sein Volk auszuführen, aber er hat auch die Macht, die fremden Völker in ihre Schranken zu weisen und sein Volk wieder aufzurichten.

Herr, bist nicht du von Ewigkeit her mein heiliger Gott? Wir wollen nicht sterben. Herr, du hast sie doch nur dazu gerufen, an uns das Gericht zu vollziehen: Du, unser Fels, du hast sie dazu bestimmt, uns zu bestrafen. Deine Augen sind zu rein, um Böses mit anzusehen, du kannst der Unterdrückung nicht zusehen. Warum siehst du also den Treulosen zu und schweigst, wenn der Ruchlose den Gerechten verschlingt? Warum behandelst du die Menschen wie die Fische im Meer, wie das Gewürm, das keinen Herrn hat? Mit der Angel holt er sie alle herauf, er schleppt sie weg in seinem Netz und rafft sie fort in seinem Fischgarn; er freut sich darüber und jubelt. Deshalb opfert er seinem Netz und bringt seinem Fischgarn Rauchopfer dar; denn durch sie hat er reichen Gewinn und ein üppiges Mahl. Darum zückt er unablässig sein Schwert, um ohne Erbarmen die Völker zu morden. (Hab 1,12-17)

Gott als Weltenrichter, dem alle Völker unterworfen sind, die aufstehen und fallen, weil sie die Gerechtigkeit vergessen. Das ist ein Bild der Weltgeschichte, das wir auch heute gerne malen. Warum sind die großen Reiche zugrunde gegangen? Weil sie Ordnung und Disziplin, Recht und Gerechtigkeit, aufgegeben haben und mit Reichtum und Luxus verweichlicht sind und die innere Gerechtigkeit zerstört haben. Aber ist Weltgeschichte wirklich so einfach?
Es bleibt die Warnung, es mit der Gerechtigkeit ernst zu nehmen. Der Prophet denkt hier in erste Linie an die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz Gottes kommt. Wir dürfen Gerechtigkeit aber auch weiter gefasst sehen. Gott steht für Gerechtigkeit ein. Auch wenn zunächst die Mächte der Gewalt erfolgreich zu sein scheinen, wenn der ungerechte Reichtum immer mehr wächst, so geht das nicht endlos so weiter. Es wird eine Zeit kommen, in der ein gerechter Zustand wiederhergestellt wird, auch wenn es dazu zunächst einer Phase noch größerer Gewalt bedarf. Gottes Zusage an den Gerechten bleibt unerschütterlich bestehen.

Ich will auf meinem Wachtturm stehen, ich stelle mich auf den Wall und spähe aus, um zu sehen, was er mir sagt, was er auf meine Klage entgegnet. Der Herr gab mir Antwort und sagte: Schreib nieder, was du siehst, schreib es deutlich auf die Tafeln, damit man es mühelos lesen kann. Denn erst zu der bestimmten Zeit trifft ein, was du siehst; aber es drängt zum Ende und ist keine Täuschung; wenn es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus. Sieh her: Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben. Wahrhaftig, der Reichtum ist trügerisch, wer hochmütig ist, kommt nicht ans Ziel, wenn er auch seinen Rachen aufsperrt wie die Unterwelt / und unersättlich ist wie der Tod, wenn er auch alle Völker zusammentreibt und alle Nationen um sich vereinigt. (Hab 2,1-5)

Es folgen vier Wehrufe des Propheten über den Habsüchtigen, den Ausbeuter, den Gewalttätigen und den Götzendiener. Sie alle werden ihre Strafe erhalten. Gottes Recht und Gerechtigkeit aber werden triumphieren.
Das dritte Kapitel beinhaltet das eindrucksvolle Gebet des Habakuk.