Numeri 10,11-36,13

Wüstenwanderung

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Heilige Schrift
Am zwanzigsten Tag des zweiten Monats im zweiten Jahr erhob sich die Wolke über der Wohnung des Bundeszeugnisses. Da brachen die Israeliten von der Wüste Sinai auf, wie es die Ordnung für den Aufbruch vorsah, und die Wolke ließ sich in der Wüste Paran nieder. So brachen sie zum ersten Mal auf, wie ihnen der Herr durch Mose befohlen hatte. (Num 10,11-13)

Das Buch Numeri schildert die Wüstenwanderung des Volkes vom Sinai bis an die Grenze des verheißenen Landes. Am Sinai hat das Volk die Gebote Gottes erhalten. Vor dem Aufbruch hat Mose eine Volkszählung durchgeführt und weitere Gebote vermittelt, die eine geregelte Ordnung im Volk sicherstellen sollen. Nun zieht das Volk zum ersten Mal nach dieser Ordnung in der Wüste weiter. Die Wolkensäule zeigt dabei die Führung und Gegenwart Gottes unter seinem Volk. Doch schon bald fängt das Volk wieder an zu murren. Das Manna ist ihnen als Nahrung zu eintönig, sie wollen auch Fleisch zu essen. Mose klagt vor Gott, dass ihm die Führung dieses Volkes allein zu viel wird.

Woher soll ich für dieses ganze Volk Fleisch nehmen? Sie weinen vor mir und sagen zu mir: Gib uns Fleisch zu essen! Ich kann dieses ganze Volk nicht allein tragen, es ist mir zu schwer. Wenn du mich so behandelst, dann bring mich lieber um. Wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, werde ich mein Unheil nicht mehr schauen. (Num 11,13-15)

Gott findet eine Lösung. Mose soll fortan die Führung mit siebzig Ältesten teilen und ein Schwarm Wachteln bringt die nötige Ration Fleisch. Gott kann immer helfen, auch in verfahrenen und ausweglos erscheinenden Situationen.

Da sprach der Herr zu Mose: Versammle mir siebzig von den Ältesten Israels, die du kennst, weil sie die Ältesten des Volkes und seine Listenführer sind; bring sie zum Offenbarungszelt! Dort sollen sie mit dir zusammen hintreten. Dann komme ich herab und rede dort mit dir. Ich nehme etwas von dem Geist, der auf dir ruht, und lege ihn auf sie. So können sie mit dir zusammen an der Last des Volkes tragen und du musst sie nicht mehr allein tragen.
Zum Volk aber sollst du sagen: Heiligt euch für morgen, dann werdet ihr Fleisch zu essen haben. Denn ihr habt dem Herrn die Ohren vollgeweint und gesagt: Wenn uns doch jemand Fleisch zu essen gäbe! In Ägypten ging es uns gut. Der Herr wird euch Fleisch geben und ihr werdet essen. Nicht nur einen Tag werdet ihr es essen, nicht zwei Tage, nicht fünf Tage, nicht zehn Tage und nicht zwanzig Tage, sondern einen Monat lang, bis es euch zur Nase herauskommt und ihr euch davor ekelt. Denn ihr habt den Herrn, der mitten unter euch ist, verworfen und habt vor ihm geweint und gesagt: Warum sind wir aus Ägypten weggezogen?
Da entgegnete Mose: Sechshunderttausend Mann zu Fuß zählt das Volk, in dessen Mitte ich bin, und du sagst: Ich gebe ihnen Fleisch, sodass sie einen Monat lang zu essen haben? Soll man etwa alle Schafe, Ziegen und Rinder für sie schlachten, dass es für sie ausreicht? Oder kann man alle Fische des Meeres für sie fangen, dass es für sie ausreicht?
Der Herr antwortete Mose: Ist etwa die Hand des Herrn zu kurz? Jetzt wirst du sehen, ob mein Wort für dich eintrifft oder nicht. (Num 11,17-23)

Gottes Hand ist nicht zu kurz. Er reicht sie den Menschen, die in ihren Nöten feststecken und zieht sie heraus. Gott ist mitten unter seinem Volk, damals wie heute.

Mose ging hinaus und teilte dem Volk die Worte des Herrn mit. Dann versammelte er siebzig von den Ältesten des Volkes und stellte sie rings um das Zelt auf. Der Herr kam in der Wolke herab und redete mit Mose. Er nahm etwas von dem Geist, der auf ihm ruhte, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Sobald der Geist auf ihnen ruhte, redeten sie prophetisch. Danach aber nicht mehr. Zwei Männer aber waren im Lager geblieben; der eine hieß Eldad, der andere Medad. Auch über sie kam der Geist. Sie gehörten zu den Aufgezeichneten, waren aber nicht zum Offenbarungszelt hinausgegangen. Auch sie redeten prophetisch im Lager. Ein junger Mann lief zu Mose und berichtete ihm: Eldad und Medad sind im Lager zu Propheten geworden. (Num 11,24-27)

Die Gabe, das Volk zu führen, schenkt Gottes Geist. Bisher war nur Mose mit dieser Gabe der Führung ausgestattet. Nun teilt er diese mit siebzig Ältesten. Und auch ein anderer Mann, der für die Führung des Volkes wichtig wird, erscheint hier zum ersten Mal auf der Bildfläche: Josua der Sohn Nuns. Er wird als Diener des Mose vorgestellt und wird nach dem Tod des Mose die Führung des Volkes hinein in das verheißene Land übernehmen.

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Heilige Schrift
Da ergriff Josua, der Sohn Nuns, der von Jugend an der Diener des Mose gewesen war, das Wort und sagte: Mose, mein Herr, hindere sie daran! Doch Mose sagte zu ihm: Willst du dich für mich ereifern? Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte! (Num 11,28-29)

Zwei der siebzig Ältesten sind nicht vor Mose erschienen, als Gott seinen Geist auf sie gelegt hat. Sie haben aber den Geist erhalten, wie die anderen auch, und sind dann im Lager in prophetische Verzückung geraten. Obwohl sie der Anordnung Gottes nicht Folge geleistet haben, wurde ihnen dennoch die verheißene Gabe zuteil und Josua, der sich gegen sie ereifert, wird von Mose in seinem Tatendrang gebremst.
Wir hören diese seltsam anmutende Geschichte als Schriftlesung an dem Sonntag, an dem Jesus im Evangelium sagt:

Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. (Mk 9,40)

Ein fremder Wundertäter hat im Namen Jesu Wunder getan und die Jünger haben sich darüber ereifert, dass er dies tut, ohne zu ihnen zu gehören.
Sowohl das Volk Israel als auch die Kirche hat immer wieder genau darauf geschaut, wer dazu gehört und wer nicht. Das Alte Testament kennt klare Regeln, wer zum Volk gehört und wer nicht, die Kirche hat sich immer wieder gegen Irrlehrer abgegrenzt. Wir Menschen stellen immer wieder regeln auf, wer dazu gehören darf und wer nicht. Interessensgruppen grenzen sich voneinander ab, Cliquen und Klans haben oft harte Auswahlkriterien und wer gegen den Ehrenkodex verstößt, der wird oft schmerzhaft ausgegrenzt.
Das Wirken Gottes ist aber nicht an diese engen menschlichen Vorgaben gebunden. Gott lässt seinen Geist auch über die Männer kommen, die nicht der Weisung des Mose gefolgt sind und er lässt den fremden Wunderheiler im Namen Jesu Wunder tun. Dennoch sollten wir diese beiden Stellen nicht überbewerten. Sie bedeuten nicht, dass es keine Ordnung braucht. Menschliche Gemeinschaft muss in irgendeiner Weise organisiert sein, damit menschliches Zusammenleben funktionieren kann.
Aber es gibt auch immer Ausnahmen. Das Wirken des Geistes Gottes geht über menschliche Grenzen hinaus. Gerade auch heute in einer Zeit, in der wir erleben, dass die Kirchenverbundenheit und auch der Glaube bei vielen Menschen zurückgeht, dürfen wir darauf vertrauen, dass Gottes Geist Menschen beruft, die sein Werk auf Erden vollbringen. Immer sollte uns der Wunsch des Mose ein Herzensanliegen sein:

Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte! (Num 11,29)
Herr,
sende deinen Geist
auf die Menschen herab,
die du erwählt hast.
Berufe stets Menschen,
die bereit sind,
deinen Willen zu tun.
Lass so dein Licht leuchten
in die Dunkelheit dieser Zeit.
Amen.
Dann zog sich Mose mit den Ältesten Israels in das Lager zurück. Darauf erhob sich ein Wind vom Herrn her und trieb Wachteln vom Meer herüber. Er warf sie auf das Lager, etwa einen Tagesmarsch weit in der einen Richtung und einen Tagesmarsch weit in der anderen Richtung rings um das Lager; ungefähr zwei Ellen hoch lagen sie auf dem Erdboden. Da stand das Volk auf und sammelte die Wachteln ein, den ganzen Tag und die ganze Nacht und den ganzen folgenden Tag. (Num 11,30-32)

Kapitel 12 berichtet von einer Auflehnung Aarons und Miriams gegen Mose. In den Kapiteln 13 und 14 ist von Kundschaftern die Rede, die das Volk von Süden aus in das verheißene Land ausgesandt. Als diese zurückkehren, berichten sie von der großen Fruchtbarkeit des Landes, machen aber zugleich dem Volk Angst, da sie von der Begegnung mit Riesen berichten. Ihr Bericht führt dazu, dass sich Israel nach dem ägyptischen Frondienst zurücksehnt, statt auf das verheißene Land zu hoffen. Dieses mangelnde Vertrauen auf Gott hat zur Folge, dass Israel nun 40 Jahre Wüstenzeit zu bestehen hat, ehe es das verheißene Land betreten darf.
Kapitel 15 beinhaltet Opfervorschriften. Die Kapitel 16 und 17 berichten vom Aufstand Korachs, Datans und Abirams. Letztlich geht es dabei darum, wer in Israel zur Ausübung des Kultes berechtigt ist. Das Kapitel 18 berichtet daran anschließend von der Entlohnung der Priester und Leviten. Das Kapitel 19 gibt Anordnungen, die das Reinigungswasser betreffen. In Kapitel 20 wird vom Streit wegen des Wassers aus dem Felsen von Meriba berichtet. Aaron stirbt und wird begraben.
Das Kapitel 21 berichtet von verschiedenen Ereignissen der Wüstenwanderung, unter anderem von der Erhöhung der kupfernen Schlange, ein Thema, das auch in Bezug auf die Erhöhung Jesu Christi zum Vergleich herangezogen wird (vgl. Joh 3,14: "Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.") Als die Israeliten in der Wüste gesündigt hatten, wurden sie von Giftschlangen gequält und viele kamen dadurch um. Im Auftrag Gottes machte Mose eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wer nun diese Schlange anblickte, der entging der tödlichen Wirkung des Schlangengiftes. Die Rettung vor den Schlangen wurde so ganz als von Gott gewirkt gesehen.

Die Israeliten brachen vom Berg Hor auf und schlugen die Richtung zum Schilfmeer ein, um Edom zu umgehen. Unterwegs aber verlor das Volk den Mut, es lehnte sich gegen Gott und gegen Mose auf und sagte: Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser. Dieser elenden Nahrung sind wir überdrüssig. Da schickte der Herr Giftschlangen unter das Volk. Sie bissen die Menschen und viele Israeliten starben. Die Leute kamen zu Mose und sagten: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit. Da betete Mose für das Volk. Der Herr antwortete Mose: Mach dir eine Schlange und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht. Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben. (Num 21,4-9)

Die Schlange steht als Symbol für das Böse. Satan ist ja schon im Paradies in Gestalt einer Schlange aufgetreten, um Adam und Eva zu verführen. In der Wüste haben sich die Israeliten vom Bösen verführen lassen und gegen Mose und Gott gemurrt. Mose bezwingt die Schlange, die für das Böse steht, indem er sie an einer Fahnenstange aufhängt. Damit macht er den Sieg Gottes über die Macht des Bösen deutlich. Auf vollkommene Weise wird der Sieg Gottes über das Böse durch den Tod Jesu am Kreuz verwirklicht. Jesus trägt alle Sünden der Menschen, damit sie getilgt werden, an das Holz des Kreuzes. Nun ist jeder, der an Jesus Christus glaubt, der Macht des Bösen entrissen und zu neuem Leben geboren.

Die Kapitel 22 bis 24 berichten vom Seher Bileam. Dieser nichtisraelitische Prophet muss gegen seinen Willen Segenssprüche über Israel sprechen. Im vierten Segensspruch findet sich eine Verheißung, die von Juden auf den Messias und von Christen auf die Geburt Jesu gedeutet wird:

Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel. (Num 24,17)

Kapitel 25 berichtet davon, dass sich die Israeliten entgegen des Verbots mit den Midianitern eingelassen haben. Der Priester Pinhas ragt in diesem Streit durch seine Gerechtigkeit hervor und wendet dadurch größeres Unheil ab. Dennoch wurde das Volk durch eine Seuche dezimiert, was eine neuerliche Volkszählung notwendig werden ließ, von der Kapitel 26 berichtet.
Die Kapitel 27 bis 30 geben weitere kultische und soziale Vorschriften. In Kapitel 27 wird von der Berufung Josuas als Nachfolger des Mose berichtet. Kapitel 31 befasst sich mit dem Krieg gegen die Midianiter. Das zum Land Israel gehörige Ostjordanland ist nun erobert und wird in Kapitel 32 unter die betreffenden Stämme verteilt. In Kapitel 33 werden die Lagerstätten der Israeliten aufgelistet und im Folgenden bis Kapitel 36 Anweisungen gegeben, die die Landnahme betreffen. Der Blick öffnet sich also bereits für die nahe bevorstehende Überschreitung des Jordan. Doch bevor das Buch Josua dann von der Landnahme berichtet, blickt Mose, dem es nicht gestattet ist, den Jordan zu überschreiten, im Buch Deuteronomium nochmals auf die Wüstenwanderung und den Bund zwischen Gott und seinem Volk zurück.