Genesis 1,2-2,3

Das Siebentagewerk

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Schoepfung
Die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. (Gen 1,2)

Der erste Schöpfungsbericht schildert die Erschaffung der Welt durch Gott in sieben Tagen. Gott schafft, indem er durch sein Wort Ordnung schafft. Zunächst herrscht das Chos und die ganze Welt besteht aus ungeordneten Wassermassen und Finsternis. Gott schafft zuerst das Licht, das von der Finsternis geschieden wird und dann trennt er die Wassermassen in einen irdischen und einen überirdischen Teil. Der irdische Teil des Wassers wird noch einmal getrennt, so dass inmitten dieses Wassers das Land entsteht, die Erde als der Ort, auf dem Gott dann Pflanzen, Tiere und Menschen ansiedeln wird.
Wir müssen uns hier ein Weltbild vor Augen stellen, das die Erde als Scheibe denkt, umgeben von Wasser und umspannt vom Himmelszelt. Das Wasser oberhalb des Himmels ist das Reservoir, aus dem der Regen kommt. Man wusste damals noch nichts vom Kreislauf des Wassers, der über Verdunstung und Wolkenbildung zu Niederschlag führt. Indem Gott die Wasser trennt, schafft er einen Raum des Lebens. Bei der Sintflut wird Gott diese Ordnung der Wasser aufheben, so dass erneut eine Wasserflut die Erde bedecken kann.
Der Bericht über die Schöpfung der Welt als Siebentagewerk ist wahrscheinlich in Priesterkreisen entstanden. Die Ordnung der Schöpfung wird später ihre Entsprechung finden im Bundeszelt, das Mose bei der Wüstenwanderung des Volkes Israel als Heiligtum errichtet und im Tempel, der das Bundeszelt ablösen wird. Zudem wird hier die Ordnung der Woche mit dem Sabbat als heiligen Ruhetag durch Gottes Schöpfungshandeln legitimiert. Die Absicht, die hinter dem Schöpfungsbericht steht, ist also nicht, eine naturwissenschaftliche Erklärung über die Entstehung von Himmel und Erde zu geben, sondern den tiefen Zusammenhang zwischen Schöpfungsordnung Gottes und Lebensordnung des Volkes Israel aufzuzeigen.

Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag. (Gen 1,3-6)

Gott bringt Licht in die Finsternis und mit dem Wechsel von Licht und Finsternis schafft er die Ordnung der Tage.

Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag. (Gen 1,6-8)

Mit dem Himmel schafft Gott einen freien Raum zwischen den Wassern.

Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es. Das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es. Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin. Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag. (Gen 1,9-13)

Zwischen den Wassern unterhalb des Himmels lässt Gott trockenes Land entstehen und sogleich Pflanzen und Bäume dort wachsen.

Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen; sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, die über die Erde hin leuchten. So geschah es. Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne. Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag. (Gen 1,14-19)

Bevor Gott das Land mit Lebewesen bevölkert, schafft er Lichter am Himmel, Sonne, Mond und Sterne. Diese sollen vor allem zur Bestimmung von Festzeiten dienen, ein weiterer Hinweis auf die priesterliche Entstehung dieser Erzählung, denn gerade die Priesterschaft hatte durch genaue Himmelsbeobachtung für die Bestimmung der Festtermine Sorge zu tragen.

Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von lebendigen Wesen und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen. Gott schuf alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, und alle Arten von gefiederten Vögeln. Gott sah, dass es gut war. Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und vermehrt euch und bevölkert das Wasser im Meer und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren. Es wurde Abend und es wurde Morgen: fünfter Tag. (Gen 1,20-23)

Gott bevölkert zunächst das Meer und den Himmel mit Lebewesen. Er schafft die Meerestiere und die Vögel am Himmel.

Dann sprach Gott: Das Land bringe alle Arten von lebendigen Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes. So geschah es. Gott machte alle Arten von Tieren des Feldes, alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden. Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. Allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, was Lebensatem in sich hat, gebe ich alle grünen Pflanzen zur Nahrung. So geschah es. (Gen 1,24-30)

Erst am sechsten Tag bevölkert der Mensch die Erde mit Lebewesen. Nach den verschiedenen Tieren macht er dann als letztes seiner Werke den Menschen. Der Mensch wird somit als Höhepunkt der Schöpfung herausgestellt. Er steht über den anderen Lebewesen und ist Gott besonders nahe. Der Mensch ist als Abbild Gottes geschaffen. Anders als im folgenden Schöpfungsbericht wird hier nicht zuerst Adam und dann Eva erschaffen, sondern der Mensch ist von Anfang an als Mann und Frau in der Welt. Die Schöpfungsordnung liefert also keinerlei Grundlage für eine Unterordnung der Frau. Beide wurden gleichwertig von Gott gemeinsam geschaffen.
Ein kleines Detail wird hier noch sichtbar. Wenn wir genau hinsehen, erkennen wir, dass nur die Pflanzen Nahrung sind für Mensch und Tier. Es gab damals noch keine Fleischfresser und auch der Mensch ernährte sich nur von Pflanzen. Erst im Noachbund (Gen 9,1-7) wird dem Menschen erlaubt, auch Fleisch zu essen.

Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag. (Gen 1,31)

Die Schöpfung ist das Werk Gottes, er hat alles sehr gut gemacht. Die Schöpfung ist dem Menschen von Nutzen und er darf sich an ihr erfreuen. Für uns Christen ist die Schöpfung aber noch mehr. Sie trägt die Spuren Gottes in sich und ihre Schönheit weist uns hin auf den, der alles gut gemacht hat und der das Leben schenkt. Die ganze Schöpfung kündet Gottes Lob:

Lobet den Herrn, Sonne und Mond, lobt ihn all ihr leuchtenden Sterne!
Lobet den Herrn, ihr auf der Erde, ihr Berge und all ihr Hügel, ihr Pflanzen und ihr Tiere!
Lobet den Herrn, ihr jungen Männer und auch ihr Mädchen, ihr Alten mit den Jungen!

So heißt es in Psalm 148, dem großen Lobgesang auf die Schöpfung. Himmel und Erde, Pflanzen, Tiere und Menschen vereinen sich zum Lobe Gottes. Alles hat er geschaffen und alles kündet von seiner Macht und Herrlichkeit. Alles Leben ist ein Geschenk Gottes. Wir Menschen aber achten die Schöpfung manchmal zu gering und vergessen leicht, dass Gott mit ihr in einer ganz engen Beziehung steht. Thomas von Aquin sagt:

Wie die Seele ganz in jedem Teil des Körpers ist, so ist auch der ganze Gott in allen Geschöpfen und in jedem einzelnen.

Die Schöpfung trägt die Spuren Gottes, ihres Schöpfers, und der Mensch als besonderer Teil der Schöpfung ist sogar Bild Gottes. Gott ist der Schöpfung so nahe, dass er selbst in ihr Mensch geworden ist. Gott kann die Gaben der Schöpfung, Brot und Wein, in der Eucharistie in Christi Leib und Blut verwandeln und ist so unter uns gegenwärtig. Die Eucharistie ist der Anfang der neuen Schöpfung, wenn Gott einst alles verwandeln wird und er selbst dann sein wird alles und in allem. Was wir jetzt nur verborgen sehen können, wird uns dann offenbar sein und Gott wird uns das unvorstellbare Glück seiner Gegenwart schenken.

Gott, du weiser Schöpfer, dankbar stehen wir vor all dem, was du erschaffen hast. Lass uns staunen lernen darüber, wie wunderbar du alles gemacht hast. Schenke uns Ehrfurcht, damit wir dich als den Schöpfer ehren und all das, was du uns schenkst, mit Liebe pflegen.
Herr, lass uns in all deinen staunenswerten Werken dich erkennen. Du bist der Schöpfer und Erhalter von allem, was uns umgibt. In deiner Liebe hast du alles geschaffen und in deiner Güte hast du uns die Schöpfung anvertraut. Lass uns erkennen, dass wir deine Kinder sind. Lass uns die Liebe erkennen, die du bist und die du uns, einen Geschöpfen, eingepflanzt hast.
Lass uns dich allezeit Loben, in unserem Leben und Tun, in deiner Schöpfung und vor allem in der Eucharistie, in der du uns in einzigartiger Weise deine Nähe und Liebe zeigst. Amen.
So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefüge. Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte. (Gen 2,1-3)

Mit dem Halten des Sabbat-Tages kann der Mensch Gottes sehr gute Schöpfung anerkennen.

Eindrucksvoll ist die Übersetzung des ersten Schöpfungsberichts nach den Worten von Martin Buber:

Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.

Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal.
Finsternis über Urwirbels Antlitz.
Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.

Gott sprach:
Licht werde! Licht ward.Gott sah das Licht: daß es gut ist.
Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis.
Gott rief dem Licht: Tag! und der Finsternis rief er: Nacht!
Abend ward und Morgen ward: Ein Tag.

Gott sprach:
Gewölb werde inmitten der Wasser
und sei Scheide von Wasser und Wasser!
Gott machte das Gewölb
und schied zwischen dem Wasser,
das unterhalb des Gewölbs war
und dem Wasser, das oberhalb des Gewölbs war.
Es ward so.
Dem Gewölb rief Gott: Himmel!
Abend ward und Morgen ward: zweiter Tag.

Gott sprach:
Das Wasser unterm Himmel staue sich an einem Ort,
und das Trockne lasse sich sehn!
Es ward so.
Dem Trocknen rief Gott: Erde!
und der Stauung der Wasser rief er: Meere!
Gott sah, daß es gut ist.

Gott sprach:
Sprießen lasse die Erde Gesproß,
Kraut, das Samen samt,
Fruchtbaum, der nach seiner Art Frucht macht
darin sein Same ist,
auf der Erde!
Es ward so.
Die Erde trieb Gesproß,
Kraut, das nach seiner Art Samen samt,
Baum, der nach seiner Art Frucht macht
darin sein Same ist.
Gott sah, daß es gut ist.
Abend ward und Morgen ward: dritter Tag.

Gott sprach:
Leuchten seien am Gewölb des Himmels,
zwischen dem Tag und der Nacht zu scheiden,
daß sie werden zu Zeichen, so für Gezeiten so für Tage und Jahre,
und seien Leuchten am Gewölb des Himmels, über die Erde zu leuchten!
Es ward so.
Gott machte die zwei großen Leuchten,
die größre Leuchte zur Waltung des Tags
und die kleinere Leuchte zur Waltung der Nacht,
und die Sterne.
Gott gab sie ans Gewölb des Himmels,
über die Erde zu leuchten, des Tags und der Nacht zu walten,
zu scheiden zwischen dem Licht und der Finsternis.
Gott sah, daß es gut ist.
Abend ward und Morgen ward: vierter Tag.

Gott sprach:
Das Wasser wimmle, ein Wimmeln lebender Wesen,
und Vogelflug fliege über der Erde
vorüber dem Antlitz des Himmelgewölbs!
Gott schuf die großen Ungetüme
und alle lebenden regen Wesen, von denen das Wasser wimmelt,
nach ihren Arten,
und allen befittichten Vogel nach seiner Art.
Gott sah, daß es gut ist.
Gott segnete sie, sprechend:
Fruchtet und mehret euch und füllt das Wasser in den Meeren,
und der Vogel mehre sich auf Erden!
Abend ward und Morgen ward: fünfter Tag.

Gott sprach:
Die Erde treibe lebendes Wesen nach seiner Art,
Herdentier, Kriechgerege und das Wildlebende des Erdlandes nach seiner Art!
Es ward so.
Gott machte das Wildlebende des Erdlands nach seiner Art
und das Herdentier nach seiner Art
und alles Gerege des Ackers nach seiner Art.
Gott sah, daß es gut ist.

Gott sprach:
Machen wir den Menschen in unserem Bild nach unserem Gleichnis!
Sie sollen schalten über das Fischvolk des Meeres,
den Vogel des Himmels, das Getier, die Erde all,
und alles Gerege, das auf Erden sich regt.
Gott schuf den Menschen in seinem Bilde,
männlich, weiblich schuf er sie.

Gott segnete sie,
Gott sprach zu ihnen:
Fruchtet euch und mehret euch und füllet die Erde
und bemächtigt euch ihrer!
Schaltet über das Fischvolk des Meers, den Vogel des Himmels
und alles Lebendige, das auf Erden sich regt!
Gott sprach:
Da gebe ich euch
alles samensäende Kraut, das auf dem Antlitz der Erde all ist,
und alljedem Baum, daran samensäende Baumfrucht ist,
euch sei es zum Essen,
und allem Lebendigen der Erde, allem Vogel des Himmels,
alles, was auf Erden sich regt, darin lebendes Wesen ist,
alles Grün des Krauts zum Essen.
Es ward so.
Gott sah alles, was er gemacht hatte,
und da, es war sehr gut.
Abend ward und Morgen ward: der sechste Tag.

Vollendet waren der Himmel und die Erde und all ihre Schar.
Vollendet hatte Gott am siebenten Tag seine Arbeit, die er machte,
und feierte am siebenten Tag von all seiner Arbeit, die er machte.
Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn,
denn an ihm feierte er von all seiner Arbeit, die machend Gott schuf.

Dies sind die Zeugungen des Himmels und der Erde: ihr Erschaffensein.

(Gen 1,1-2,4a - Übersetzung nach Marin Buber)