Exodus 20,1-17

Die Zehn Gebote

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Zehn Gebote
1Dann sprach Gott alle diese Worte:
2Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
3Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
4Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.
5Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; 6bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
7Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
8Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! 9Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. 10Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinem Stadtbereich Wohnrecht hat. 11Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Mond gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.
12Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.
13Du sollst nicht morden.
14Du sollst nicht die Ehe brechen.
15Du sollst nicht stehlen.
16Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.
17Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört. (Ex 20,1-17)

Die beiden Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten, die Gott dem Volk Israel durch Mose übergeben hat, werden hier und in Dtn 5,6-22 überliefert. Sie sind die wichtigsten Vorschriften des Bundes zwischen Gott und seinem Volk und werden im Weiteren durch einzelne Vorschriften noch näher ausgeführt. Im Laufe der Geschichte haben sich verschiedene Einteilungen der Zehn Gebote entwickelt. In der katholischen Kirche ist folgende Zählweise gebräuchlich, auf die ich mich auch in meinen Texten beziehe.

1. Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.
2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren.
3. Gedenke, dass du den Sabbat heiligst.
4. Du sollst Vater und Mutter ehren.
5. Du sollst nicht morden.
6. Du sollst nicht die Ehe brechen.
7. Du sollst nicht stehlen.
8. Du sollst kein falsches Zeugnis geben über deinen Nächsten.
9. Du sollst nicht die Frau deines Nächsten begehren.
10. Du sollst nicht das Hab und Gut deines Nächsten begehren.

Manchmal wird das zweite Gebot aufgeteilt in das Bilderverbot und das Verbot, den Namen Gottes zu verunehren. afür wird dann meist beim zehnten Gebot nicht zwischen dem Begehren nach der Frau des Nächsten und dem Begehren nach dem Besitz des Nächsten unterschieden. Gerade aber die Würde der Frau, die auch Jesus besonders herausstellt, erfordert es, dass sie nicht dem Besitz des Mannes zugeordnet wird.
Man unterscheidet zwischen den zwei Tafeln der Gebote, die ersten drei Gebote beziehen sich auf das Verhältnis des Menschen zu Gott, die weiteren sieben auf das Verhältnis der Menschen untereinander.
Nach der Übersicht über den Gesamttext der Zehn Gebote aus der Einheitsübersetzung möchte ich nun die einzelnen Gebote in der Übersetzung von Martin Buber näher auslegen. dabei habe ich habe die Gebote fünf bis zehn in drei Gruppen zusammengefasst: Das sechste und das neunte Gebot stehen unter dem Aspekt der Achtung vor Ehe und Familie als Raum des Lebens und der Partnerschaft, das fünfte und das achte Gebot schützen die körperliche und geistige Freiheit des Menschen und das siebte und zehnte Gebot sichern die Lebensgrundlage des Menschen.

ICH
bin dein Gott,
der ich dich führte
aus dem Land Ägypten, aus dem Haus der Dienstbarkeit. (Ex 20,1-2)

Diese Worte Gottes stehen als Überschrift über die Zehn Gebote. Gott spricht sie zum Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste, auf dem Weg, der von Ägypten in das Gelobte Land führt. Vorausgegangen ist die unüberbietbare Rettungstat Gottes. Unter der Führung von Mose sind die Israeliten der Herrschaft des mächtigen Pharao und damit der Sklaverei Ägyptens entkommen. Sie haben nun einen weiten Weg vor sich, doch sie haben als Ziel eine Verheißung: Ein eigenes Land zu besitzen, das allen Nahrung und Wohlstand bietet.
Ein Volk kann nicht ohne Regeln zusammen leben. In ihrem zweiten Teil geben die Zehn Gebote Grundregeln menschlichen Miteinanders. Die ersten drei Gebote aber betreffen das Verhältnis des Volkes zu seinem Gott. Er ist es, der Israel befreit hat, und wenn Israel seinem Gott treu bleibt, wird er dessen Freiheit garantieren. Nicht, weil Gott das Volk in eine neue Abhängigkeit führen möchte, sondern weil er will, dass sie wirklich frei bleiben und sich nicht in neue Zwänge stürzen, gibt er ihnen das Gebot:

Nicht sei dir
andere Gottheit
mir ins Angesicht. (Ex 20,3)

Gott will nicht sehen, dass Israel andere Götter außer ihm verehrt. Ein solcher Absolutheitsanspruch eines Gottes war in der damaligen Zeit ungewöhnlich. Oft nahm ein Volk die Götter anderer Völker in seinen Götterhimmel mit auf. Wie selbstverständlich wurde der Gott der Sieger zum höchsten Gott erklärt. Bei Israel soll es anders sein. Es soll keinen anderen Gott haben. Die Götter der anderen Völker sollen Israel wie ein Nichts erscheinen im Vergleich zum eigenen Gott.
Dafür darf sich Israel aber auch als das Volk seines Gottes sehen, als Gottes besonderes Eigentum, das die Erwählung in sich trägt und der Welt den Segen Gottes vermittelt. Israel steht in einer besonderen Beziehung zu seinem Gott, die nicht anderes als eine Liebesbeziehung ausgedrückt werden kann.
Jede Liebesbeziehung ist etwas Einmaliges. Wenn Mann und Frau sich lieben, so dass sie zusammen sein wollen, so werden sie sich nicht noch andere Liebespartner suchen. Das zerstört die Liebe. So kann auch Israel keinen anderen Gott haben, ohne dass die innige Liebesbeziehung, in der es mit seinem Gott steht, zerstört würde.
Jeder Mensch ist zu einer solchen innigen Liebesbeziehung mit Gott berufen. So wird die Beziehung jedes Menschen zu Gott zu etwas Einmaligem. Wenn ich mich auf Gott einlasse, muss ich mich vorher fragen, ob ich es ernst mit ihm meine. Nur, wenn ich bereit bin, Gott zum alleinigen Herrn meines Lebens zu machen, werde ich die Freiheit erfahren, die Gott allen schenken will, die sich ihm ganz hingeben.
Das mag zunächst paradox erscheinen. Es ist ein Wagnis und es fordert Disziplin und Überwindung. Doch die Hingabe an Gott öffnet mir auch den Weg zu einer Verheißung, ein Glück zu erlangen, wie es sonst nichts und niemand geben kann.

Nicht mache dir Schnitzgebild, -
und alle Gestalt,
die im Himmel oben,
die auf Erden unten,
die im Wasser unter der Erde ist,
neige dich ihnen nicht,
diene ihnen nicht. (Ex 20,4-5)
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Zehn Gebote

Wem mache ich mich dienstbar? Wie schnell begibt sich der Mensch unter die Herrschaft irdischer Zwänge. Geld und Macht bekommen ein solches Gewicht, dass sie als die höchsten Güter gelten. Der Mensch formt sich selbst etwas und macht daraus seinen Gott.
Wie schwer fällt es den Menschen oft, einen Gott, der nicht von dieser Erde ist, anzuerkennen. Viele können die Andersheit Gottes nicht begreifen oder wollen nicht akzeptieren, dass sich Gott so ganz der Verfügungsgewalt des Menschen entzieht. Daher machen die Menschen sich eigene Götter, die ihnen ähnlich sind oder deren Gunst sie sich mit Opfern und Ritualen erzwingen zu können meinen.
Der Gott Israels aber ist der ganz andere. Nicht er ist den Menschen ähnlich, sondern er hat die Menschen nach seinem Bild geschaffen. Er handelt allein nach seinem Willen und lässt sich in nichts Irdischem darstellen. Und doch ist er den Menschen immer nahe.
Doch viele Menschen können diese Nähe Gottes nicht erfahren. Wen wundert es, dass das Volk sich ein Stierbild zum Gott erhebt, während Mose am Berg ist, um mit Gott zu sprechen? Die Menschen wollen etwas zum Anfassen, zum Anschauen, zu dem sie sagen können: das ist unser Gott.

Spontan und mächtig aber ist das Bedürfnis des Menschen, sich die Gottheit im Bilde nahe, sichtbar und erreichbar zu halten. ... Mit dem Bilderverbot wahrt sich Jahwe das Geheimnis seines unnahbaren, den Augen und Händen des Menschen entrückten Wesens und weist sein Volk auf den Weg, auf dem es lernen soll, Gott "im Geist und in der Wahrheit anzubeten" (Joh 4,24). Fridolin Stier)

Gott will seinem Volk auf ganz andere Weise nahe sein, als es sich viele vorstellen. Wieder können wir hier das Bild der Liebesbeziehung verwenden. Gott sehnt sich nicht nach Kult und Opfer, sondern nach der Liebe des Menschen. Diese Liebe will er erwidern, indem er dem, der ihn liebt, das schenkt, was es braucht, noch ehe er ihn darum bittet.
Der Name Gottes ist zu wertvoll, als dass der Mensch ihn für seine eigenen Zwecke missbrauchen dürfte.

Trage nicht
SEINEN deines Gottes Namen
auf das Wahnhafte. (Ex 20,7)

Gott hat Mose im brennenden Dornbusch seinen Namen geoffenbart. Er ist der "Ich-bin-da". Gott will nicht, dass der Mensch den Namen Gottes zum Fluch oder für magische Praktiken mißbraucht, indem er durch das Nennen der Gottheit dem menschlichen Wort eine Mächtigkeit verleiht, die ihm nicht zukommt.
Gott will der Gott sein, der seinem Volk nahe ist, der mitten unter den Menschen ist, der mit ihnen geht und für sie da ist, der aber dennoch der Verfügungsgewalt der Menschen entzogen bleibt. Das besagt sein Name. Wer seinen Namen in rechter Weise gebraucht, der darf ihn getrost nennen. Doch aus Furcht, gegen dieses Gebot zu verstoßen, war es bald in Israel verboten, überhaupt den Namen Gottes auszusprechen. Doch hat man dadurch nicht Gott wieder zu einem ganz Fernen gemacht, dem der Mensch nicht nahen darf und der auch nicht wirklich den Menschen nahe sein will?
Jesus Christus ist gekommen, um uns neu die Nähe Gottes zu bringen. Er hat uns gezeigt, dass Gott uns wirklich nahe sein möchte, dass Gott die Not des Menschen sieht und diese heilt, dass Gott den Menschen in die Gemeinschaft mit ihm ruft. "Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es," (1Joh 3,1) und als solche Kinder dürfen wir Gott liebevoll unseren Vater nennen und zu ihm kommen. Er sehnt sich nach uns und öffnet seine Arme, um uns zu umfangen.

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Zehn Gebote
Gedenke
des Tags der Feier, ihn zu heiligen.
Ein Tagsechst diene und mache all deine Arbeit,
aber der siebente Tag
ist Feier IHM, deinem Gott. (Ex 20,8)

Es erscheint zunächst ungewöhnlich, wenn wir das gewohnte "Gedenke des Sabbats" hier bei Martin Buber mit "Gedenke des Tags der Feier" übersetzt finden. Tag der Feier - Feiertag - so ungewöhnlich ist es dann aber auf den zweiten Blick doch nicht.
Der Wechsel zwischen Arbeitstagen und Feiertag schafft einen Freiraum im Leben des Menschen, der erst wahres Menschsein möglich macht. Fehlt der Feiertag im Leben, gerät der Mensch immer mehr in die Abhängigkeit von Arbeit und Terminen.
Wofür leben wir? Leben wir nur dafür, um zu arbeiten und Geld zu verdienen, und um dieses dann wieder auszugeben? Was wissen wir mit einem Tag der Feier in der Woche anzufangen?
Im Judentum wurde die Freiheit des Feier-Tags, des Sabbats bald dadurch massiv eingeschränkt, dass man durch genaue Vorschriften regelte, was an diesem Tag erlaubt ist und was nicht. Sicher, es sollte verhindert werden, dass die Menschen den Feiertag zu einem Werktag machten. Dabei hat man aber zu sehr das Negative, das, was nicht getan werden darf, betont und das, wozu dieser Tag befreien sollte, manchmal übersehen. So greift Jesus auch in seinem Tun oft die unsinnigen Sabbatvorschriften an.
Doch auch bei den Christen wurde die Heiligung des Sonntags bald schon auf das Gebot zum Kirchgang und das Verbot der Arbeit reduziert. Du sollst, du darfst nicht ... sieht so ein Geschenk an die Würde des Menschen aus? Warum aber sehen die Menschen die Feier der Hl. Messe immer mehr als Pflicht denn als Geschenk an?
Heiligung eines Tages bedeutet, dass dieser Tag aus der Verfügungsgewalt der Zwänge dieser Welt herausgenommen wird und ganz Gott geweiht ist. Gott aber will den Menschen nicht knechten, sondern er will dem Menschen Freiheit und Heil schenken. Wenn ein Tag ganz für Gott da ist, dann ist dieser Tag auch ganz für den Menschen da.
Heilig, das bedeutet auch Heil. Der Mensch soll einmal abschalten können von den Sorgen des Alltags, den Zwängen der Arbeit. Ganz Mensch sein, weil Gott das Glück und das Heil des Menschen will. Ich darf mich ganz in Gottes Hände legen und einmal ganz ausruhen in seiner Nähe. Ich darf loslassen, was mich beschäftigt und einmal ganz Gott wirken lassen. Dann sehen manche Dinge vielleicht ganz anders aus.
Herr, lass mich heute an diesem Sonntag ruhen in deiner Hand. Lass mich spüren, dass ich bei dir geborgen bin. Ja, du verlangst von mir, dass ich mein Leben in die Hand nehme, aber du hast mich an deiner Hand und führst mich durch mein Leben. Ja, ich muss mich mühen und arbeiten, aber deine Hilfe begleitet auch all mein Tun. Ich darf mich dir ganz anvertrauen.

Ehre
deinen Vater und deine Mutter,
damit sich längern deine Tage
auf dem Ackerboden, den ER dein Gott dir gibt. (Ex 20,12)

Am Schnittpunkt der beiden Tafeln der Gebote, zwischen den Geboten, welche die Beziehung zu Gott regeln und denjenigen, die die Beziehung der Menschen untereinander regeln, steht das Gebot der Elternliebe. Die Eltern sind es, die an Gottes Schöpfungsplan mitwirken und in ihrer Vereinigung neues Leben zeugen. Sie sind es zuerst, die dem Kind den Glauben vermitteln und es zum Leben erziehen.
Wenn dann die Kinder erwachsen werden, müssen sie ihr eigenes Leben leben. Aber sie dürfen nie vergessen, woher sie kommen. Die Eltern, die Jahre ihres Lebens für die Erziehung ihrer Kinder geben, bis diese für sich selbst sorgen können, dürfen auch erwarten, dass ihre Kinder sie an ihrem Lebensabend unterstützen, wenn sie einmal nicht mehr für sich sorgen können.

Das vierte Gebot ist das einzige, dem eine Verheißung folgt. Gott selbst ist der Garant dafür, dass die Sorge um die Eltern nicht ohne Lohn bleibt. Wer durch seine Fürsorge seinen Eltern auch im Alter noch ein schönes Leben ermöglicht, der darf auch selbst mit einem langen und erfüllten Leben rechnen.
Heute wissen wir oft nicht mehr, wie wir den alten Menschen helfen sollen. Berufstätigkeit und andere Verpflichtungen scheinen oft keine Zeit mehr für die Sorge um die alten Menschen zu lassen. Da bleibt als Lösung oft nur der Platz in einem Heim.
Eine Gesellschaft ist nur dann menschlich, wenn nicht nur die produktiven Menschen in ihr einen Platz haben. Gerade die ganz jungen und die ganz alten Menschen bedürfen der Fürsorge. Trotz aller Verpflichtungen die Zeit für diese Sorge zu finden, ist eine Herausforderung. Wenn sie glückt, dann wird sie auch unser eigenes Leben bereichern.
Die folgenden sechs Weisungen sind knapp formuliert, ohne weitere Erläuterungen. Die Menschen wissen, worum es geht. Es gibt kein Schlupfloch, um den Forderungen der Gerechtigkeit zu entkommen. Und doch finden die Menschen immer wieder Wege, die Eindeutigkeit in eine dehnbare Zweideutigkeit aufzulösen.
Es ist interessant, die folgenden Gebote mit den Worten Jesu in der Bergpredigt zu vergleichen. Dort erscheint Jesus als neuer Mose, der auf den Berg der Seligpreisungen steigt, um dem Volk mit göttlicher Vollmacht die Weisung Gottes zu verkünden. Jesus will die Zehn Gebote mit seiner Lehre nicht aufheben. Er zeigt vielmehr deren ursprüngliche Bestimmung auf.

Der Einfachheit halber habe ich die folgenden sechs Gebote in drei Gruppen zusammengefasst:
Das sechste und das neunte Gebot stehen unter dem Aspekt der Achtung vor Ehe und Familie als Raum des Lebens und der Partnerschaft, das fünfte und das achte Gebot schützen die körperliche und geistige Freiheit des Menschen und das siebte und zehnte Gebot sichern die Lebensgrundlage des Menschen.

Buhle nicht. ...
Begehre nicht das Weib deines Genossen.

Schon seit Urzeiten leben Mann und Frau in Partnerschaft zusammen. In nahezu allen Gesellschaften wird diese Beziehung von Mann und Frau aus dem rein privaten Bereich herausgenommen und einer öffentlichen Ordnung unterstellt. Die Ehe ist das öffentliche Versprechen zweier Menschen, ihr Leben gemeinsam zu leben, "einander zu lieben und zu ehren in guten und in schlechten Tagen, bis dass der Tod uns scheidet."
Die Familie ist die Grundlage der Gesellschaft. Sie ist der Lebensmittelpunkt des Menschen und die Keimzelle, aus der neues Leben entsteht. Sie bildet den Raum, in dem Kinder aufwachsen und das Leben lernen. Wegen ihrer Bedeutung im Schöpfungsplan Gottes, hat Ehe auch von jeher eine religiöse Komponente. Doch auch wenn Staat und Religion ihre berechtigten Interessen an der Reglementierung der Ehe haben, so ist sie doch zuerst für die einzelnen Menschen wichtig.
Ein Großteil der Menschen sehnt sich danach, einen Partner fürs Leben zu finden. Am Anfang steht die Liebe. Zwei Menschen finden einander interessant, merken, dass sie zusammen passen und dann schließlich, dass sie sich vorstellen können, gemeinsam durchs Leben zu gehen. Durch die Ehe bekommt die anfängliche Bekanntschaft etwas Verbindliches.
Es ist nicht immer einfach, das Ideal einer lebenslangen glücklichen Partnerschaft zu leben. Im Alltag merkt man schnell, dass eine Beziehung auch viel Arbeit bedeutet. Es gibt Konflikte, die gelöst werden müssen. Wenn die erste Verliebtheit verblasst, sieht man den Partner oft mit anderen Augen. Viele Ehen scheitern und hinterlassen tiefe Wunden bei allen Betroffenen.
Es gibt aber auch eine Liebe zum anderen, die ein Leben lang bleibt. Die Ehepartner bleiben einander treu und kämpfen füreinander, sind bereit, anstehende Probleme zu lösen, auch wenn das viel Zeit und Kraft kostet, weil sie im Herzen die tiefe Liebe zum anderen spüren und diese Liebe zum Wichtigsten in Ihrem Leben zählt.
Eine solche tiefe Beziehung zwischen Mann und Frau wird zum Bild für die Liebe Gottes zu seinem Volk. "Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen." Eine lebenslange Partnerschaft kann nur gelingen, wenn die Ehepartner nicht allein auf sich selbst vertrauen, sondern auch Gott mit in ihre Beziehung hinein nehmen, dass er das Band ihrer Liebe festige und immer wieder erneuere.
In der Kultur des Alten Testamentes hatte die Frau eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Mann. Noch zur Zeit Jesu war es möglich, dass der Mann aus jedem beliebigen Grund der Frau eine Scheidungsurkunde ausstellte und sie so aus der Ehe entließ, was meist auch bedeutete, dass der Frau nun jede Lebensgrundlage entzogen war. Wenn ein verheirateter Mann eine andere Frau nahm, galt dies nur als Ehebruch, wenn diese Frau bereits verheiratet war. Eine verheiratete Frau aber galt immer als Ehebrecherin, sobald sie sich mit einem anderen Mann einließ.
Jesus verurteilt grundsätzlich die Ehescheidung, nicht zuletzt auch aus dem Aspekt, die Frauen zu schützen und ihre Rolle in der Gesellschaft aufzuwerten. Wir wissen nicht, wie Jesus heute urteilen würde, wenn er direkt auf die berechtigten Hilferufe von Menschen, deren Ehe gescheitert ist, antworten könnte. Sicher müssen sich diese Menschen fragen, ob sie wirklich alles versucht haben, um ihre Beziehung zu retten und auch Gott um seine Hilfe gebeten haben. Doch was ist zu tun, wenn eine Beziehung mehr das Leben der Partner behindert, als zum Leben führt?
Gott will das Leben. Die Ehe soll eine Bereicherung für die Partner sein. Dem Mehr an Leben verleiht auch die Fruchtbarkeit der Partner einen sichtbaren Ausdruck. Beziehung kann gelingen. Vertrauen wir mit Gottes Hilfe darauf, dass die Liebe stets stärker ist als jede andere Macht.

Das Ende einer Beziehung beginnt oft damit, dass einer der Partner zulässt, dass ein anderer Mensch interessanter wird als der eigene Partner. In der Bergpredigt sagt Jesus, dass der Ehebruch bereits bei dem begehrlichen Blick auf einen Menschen anderen Geschlechts beginnt.

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. (Mt 5,27f)

In einer Beziehung ist die Treue von großer Wichtigkeit. Die Partner müssen sich darauf verlassen können, das der andere es ernst meint. Gerade, wenn es einmal zu Streit kommt, scheint es einfacher, sich anderswo Trost zu holen, als an der eigenen Beziehung zu arbeiten.
Wenn der Alltag kommt, scheint es interessanter zu sein, einen neuen Menschen kennen zu lernen, als am Partner langsam seine verborgene Schönheit immer mehr zu entdecken.
Die Begierde lockt, zu allen Zeiten ist das, was der Mensch nicht hat, interessanter als das, was er hat. Doch aus der Verlockung entsteht schnell das Unglück und lässt Wunden und Schmerzen zurück.
Treue ist schwer, Verzicht anstrengend. Doch wer standhaft bleibt, der wird das Leben erlangen.

Morde nicht. ...
Aussage nicht gegen deinen Genossen als Lügenzeugen.

Es ist erstaunlich, wie schnell ein Mensch das Leben eines anderen auslöschen kann. Immer wieder erschüttern uns Nachrichten von Mordfällen, Amokläufen und Attentaten. Dies geschieht, obwohl es in unserer Gesellschaft Konsens ist, dass es ein Unrecht ist, einen Menschen zu töten. Doch wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir doch erhebliche Grauzonen, gerade am Beginn und am Ende des Lebens. Ab wann ist der Mensch ein Mensch? Darf ungeborenes Leben getötet werden? Wann endet das Leben eines Menschen? Als Christen müssen wir zu diesen Fragen eindeutig Stellung beziehen und die Würde menschlichen Lebens verteidigen, von der Zeugung bis zum Tod, egal wie gesund oder krank, erwünscht oder unerwünscht ein Mensch auch sein mag.
Gott ist der Gott des Lebens, der den Menschen Leben in Fülle schenken will. Die Zehn Gebote wollen das Leben mehren. Sie wollen erreichen, dass jeder Mensch die Freiheit hat, sein Leben zu entfalten und dass der Mensch das Lebensrecht des anderen respektiert.
Menschen können die Freiheit und Lebensqualität anderer Menschen einschränken und das nicht nur, indem sie andere körperlich verletzen oder töten. Das macht Jesus in der Bergpredigt deutlich:
Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein.

Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. (Mt 5,21f)

Auch mit Worten und Taten können Menschen andere verletzen und die inneren Wunden schmerzen oft mehr und länger als die äußeren. Wer nie Lob und immer nur Kritik zu hören bekommt, der wird krank. Wenn Menschen schlecht über andere reden oder bewusst Falsches über sie in Umlauf bringen, dann können sie deren Leben zerstören.
Es ist nicht egal, was wir zu anderen sagen und wie wir über andere reden. Ein kleines Lob kann einen Menschen aufbauen, ein freundliches Wort ihn glücklich machen. Versuchen wir es, auch wenn uns die Worte manchmal schwer über die Lippen kommen.
In der Kultur des Alten Testamentes galt das Wort viel. Rechtsentscheide wurden auf die Aussage von Zeugen hin entschieden. Wer bewusst falsch über einen anderen aussagt, kann ihn so an den Rand der Gesellschaft drängen. Auch heute geschieht es, dass bewusst falsche Gerüchte über andere in Umlauf gebracht werden. Menschen sind sich wegen etwas, das sie einander nicht verzeihen können, für den Rest des Lebens spinne feind.
Hier gilt es für uns als Christen, der Wahrheit eine Stimme zu verleihen, auch wenn wir damit selbst Kritik und Anfeindungen zu ertragen haben. Wo es an uns ist, sollen wir auf Versöhnung hinwirken, dass Menschen einander verzeihen und so das Leben wieder blühen kann, wo es unter Hass und Streit zu ersticken drohte.

Stiehl nicht. ...
Begehre nicht das Haus deines Genossen, ... seinen Ochsen, seinen Esel, noch allirgend, was deines Genossen ist.

Achtung vor dem Lebensraum des anderen Menschen bedeutet, dass wir seinen Besitz respektieren. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir anderen nichts stehlen. Aber Besitz fängt schon früher an. Es muss einem Menschen auch möglich sein, etwas zu erwerben. Auch die Arbeitskraft gehört zum Besitz eines Menschen. Wenn einer diese Arbeitskraft anderen zur Verfügung stellt, hat er das Recht auf einen gerechten Lohn. Es ist Raub, wenn Menschen unter Wert beschäftigt werden und andere sich ihren Lohn einstecken.
Wer anderen den gerechten Lohn vorenthält, macht sie zu Arbeitssklaven. Neben der Arbeit sollte auch genügend Zeit sein, dass ein Mensch sich geistig entfalten kann und dass er Zeit hat für Familie und Privatleben. Ungerechte Arbeitsverhältnisse rauben einem Menschen nicht nur den gerechten Lohn, sondern auch wertvolle Zeit seines Lebens. Um wirklich Leben zu können, braucht ein Mensch eine Lebensgrundlage und genügend Lebensraum. Dies zu ermöglichen und zu schützen ist eine Forderung der Zehn Gebote.
Es ist die Gier, die Menschen dazu antreibt, andere auszubeuten. Man möchte selbst immer mehr haben und nimmt dabei auf nichts und niemanden Rücksicht. Wer die Macht hat, meint diese uneingeschränkt für seine eigenen Zwecke einsetzen zu dürfen.

Man darf die Zehn Gebote nicht als Regeln sehen, die uns einschränken, sondern als eine Wegweisung, die uns hinführt zu immer größerer Liebe und zu einem Mehr an Leben und man darf auch die beiden Teile der Zehn Gebote nicht zu stark voneinander trennen. Gott ist ein Gott des Lebens und er will die Freiheit und das Leben des Menschen ermöglichen und schützen. Daher bildet das Anerkennen Gottes als Herrn des Lebens die Grundlage für ein Leben des Menschen in Freiheit, wie es die Gebote des zweiten Teils unter den Menschen sichern sollen. Andererseits kann aber auch keiner "als wackerer Bekenner des Glaubens an den einen, wahren Gott und Eiferer für reinen Gottesdienst auf die erste Tafel schwören und die zweite mit Füßen treten!" (Fridolin Stier)
Auch heute bejahen viele Menschen den Wert der Gebote, die sich auf das Miteinander der Menschen beziehen. Für sie kommt es vor allem darauf an, ein guter Mensch zu sein, und das zeige sich doch daran, wie wir uns anderen gegenüber verhalten. Aber können wir die Gebote der zweiten Tafel in rechter Weise leben, wenn wir die der ersten Tafel missachten?
Die Eltern zu ehren ist eines der wichtigsten Gebote. Die Familie war und ist die Keimzelle unserer Gesellschaft. Wie können die Kinder in rechter Weise ihre Eltern ehren? Wie steht es in der Zeit von Renten- und Sozialversicherung um die Sorge um unsere alten Menschen?
Morden, Stehlen, Falschaussage gelten auch nach heutigem Recht als strafwürdige Delikte. Doch fängt nicht das Fehlverhalten schon viel früher an? Wenn wir anderen nicht verzeihen können, töten wir die Beziehung zu ihnen in unserem Herzen. Profitgier nimmt anderen das weg, was ihnen eigentlich zustehen würde. Schon ein scheinbar harmloser Spott kann das Ansehen eines Menschen schädigen.
Wie steht es mit dem Ehebruch? Dem Begehren nach der Frau eines anderen? An welchem Tag liefert uns das Fernsehen keine Bilder davon, dass so etwas heutzutage eigentlich "ganz normal" ist? Wie beeinflusst das unser Denken?
Wie steht es heute um das Begehren nach dem Hab und Gut anderer Menschen? Dreht sich nicht alles um das Geld? Statussymbole sind wichtig, die Menschen wollen zeigen, was sie haben. Wer nicht mitmacht, wird schnell zum Außenseiter. Fragen wir uns auch einmal, um welchen Preis viele Billigprodukte in unseren Läden produziert werden und wo wir auf Kosten der Armen leben, auch wenn sie weit weg sind.
Wie aber sieht es nun aber dem ersten Teil der Zehn Gebote aus, die fordern, Gott an erste Stelle zu setzen und ihn zum Herrn meines Lebens zu machen? Warum verlangt Gott so eifersüchtig danach, dass das Volk neben ihm keine anderen Götter haben soll, sich kein Gottesbild machen darf und den Namen Gottes ehren soll?
Gott will, dass wir ihm allein vertrauen und uns nicht an Mächte binden, die uns von ihm trennen. Nur in der Gotteskindschaft bleibt der Mensch frei. Auch heute gibt es Menschen, die sich in Gottesbilder begeben, die abhängig machen, die Ideologien folgen und gefangen sind von Süchten. Woran hänge ich mein Herz?
Gott will das Gute für den Menschen. Gott hat etwas für sein Volk getan. Er hat es aus der Sklaverei in Ägypten befreit, das ist das entscheidende Ereignis in der Geschichte Israels. Für uns können wir heute sagen, dass Gott uns durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes das Leben neu gebracht hat.
Gott ist für uns da, das besagt sein Name. Gott will, dass ich glücklich werde. Kann ich mir vorstellen, mein Glück auf dem Weg mit Gott zu finden?