1Könige 17,1-24

Elija in Sarepta

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Heilige Schrift
Der Prophet Elija aus Tischbe. (1Kön 17,1a)

Der Prophet Elija wurde um das Jahr 910 v.Chr. in Tischbe in Gilead, einer Stadt im Ostjordanland, geboren. Sein Name, der in der Langform auch Elijahu heißt, bedeutet "Mein Gott ist Jahwe". Seinem Heimatort nach wird er auch oft der Tischbiter genannt. Sein Wirken fällt in die Zeit der Könige Ahab (873-853) und Ahas (853-852), die im Nordreich Israel regierten. Beide wandten sich vom Gott Israels ab und förderten, vor allem unter dem Einfluss von Ahabs Frau Isebel, den unter den Nachbarvölkern verbreiteten Kult des Baal. Durch die Anziehungskraft, die dieser Kult auf das Volk ausübte, war der Glaube an den einen Gott Israels bedroht. Elija bietet dem König die Stirn und tritt ein für den Glauben an den Gott Israels.
Über die Jugendzeit des Elija und seine Berufung zum Propheten berichtet uns die Hl. Schrift nichts. Eine christliche Schrift aus dem 11. Jahrhundert liefert uns eine legendarische Notiz zur Geburt des Propheten:

Dieser aber, der heilige Mann Gottes, gehörte zum Stamme Aarons und war in Arabien geboren. Im Augenblick seiner Geburt, da er begann hervorzukommen in das Licht, schaute sein Vater weißgekleidete Männer, die ihn in feurige Windeln wickelten und ihm eine Feuerflamme zu essen gaben. Als er dieses den Priestern erzählte, antworteten sie ihm: 'Das Kind wird groß werden für Gott, wird immer von Licht erfüllt sein, und er wird Israel richten mit dem Schwert und dem Feuer.' Und sie nannten ihn den Tischbiter, da Tischbe die Stadt war, die bei der Teilung den Priestern zugefallen war. Dort also lebte er und übte die Tugend von Kindheit an und ließ seine Seele durch die brennende Gnade des Geistes einer Flamme ähnlich werden. Niemand konnte bestreiten, dass dieser Mann so machtvoll wurde wie eine Flamme, ein Schwert, das Feuer und das Wasser und all die anderen Wundertaten; für sich konnte er sie erlangen, und anderen konnte er sie senden nach seinem Wohlgefallen.

Auch wenn diese Worte reine Legende sind, zeigen sie doch, was Elija auszeichnet: er war wie eine Flamme, er brannte vor Eifer für seinen Gott. Dieser Eifer kommt schon in den ersten Worten zum Ausdruck, die uns die Hl. Schrift über Elija berichtet. Ganz unvermittelt heißt es da:

Der Prophet Elija aus Tischbe in Gilead sprach zu Ahab: So wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, in dessen Dienst ich stehe: in diesen Jahren sollen weder Tau noch Regen fallen, es sei denn auf mein Wort hin.
Danach erging das Wort des Herrn an Elija: Geh weg von hier, wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Kerit östlich des Jordan! Aus dem Bach sollst du trinken und den Raben habe ich befohlen, dass sie dich dort ernähren.
Elija ging weg und tat, was der Herr befohlen hatte; er begab sich zum Bach Kerit östlich des Jordan und ließ sich dort nieder. Die Raben brachten ihm Brot und Fleisch am Morgen und ebenso Brot und Fleisch am Abend und er trank aus dem Bach. Nach einiger Zeit aber vertrocknete der Bach; denn es fiel kein Regen im Land. (1Kön 17,1-7)

Elija aber bekam dem Auftrag, sich am Bach Kerit östlich des Jordan zu verbergen. Er trankt vom Wasser des Bachs und wurde durch einen Raben zweimal am Tag mit Brot und Fleisch versorgt, eine recht üppige Ernährung. Doch bald sind auch hier die Folgen der Dürre zu spüren, der Bach vertrocknet und Elija erhält ging auf Gottes Wort hin nach Sarepta, einer kleinen Stadt am Mittelmeer, die zu Sidon gehört, das im Norden an Israel angrenzt und nicht mehr zum Herrschaftsbereich des Königs Ahab gehört. Elija verlässt den vertrauten Boden des Landes Israel, um im Heidenland zu leben. Nun ist er ein Ausländer, ein Fremder, den niemand kennt.

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Heilige Schrift
Danach erging das Wort des Herrn an Elija: Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleib dort! Ich habe dort einer Witwe befohlen, dich zu versorgen. (1Kön 17,8-9)

Elija bekommt von Gott den Auftrag, nach Sarepta zu gehen. In der fremden Stadt sorgt Gott für seinen Propheten. Elija kommt in Sarepta an und auch die Witwe ist dort. Sie hat keinen Namen, ein Mensch unter vielen. Sie sammelt Feuerholz zum Kochen, eine mühsame Angelegenheit in einem kargen Land, in dem es nur wenige Bäume gibt. Mühsam ist das Leben der Witwe. Sie ist scheinbar am Ende, ebenso wie Elija, der aus seiner Heimat fliehen musste. Sie hat nichts mehr zu Hause außer einer Handvoll Mehl und einigen Tropfen Öl, das gerade noch reicht für ein letztes karges Mahl. Sie wird mit sich selbst beschäftigt gewesen sein, mit ihren eigenen Sorgen, als da plötzlich der Fremde vor ihr stand:

Er machte sich auf und ging nach Sarepta. Als er an das Stadttor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. Er bat sie: Bring mir in einem Gefäß ein wenig Wasser zum Trinken!
Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: Bring mir auch einen Bissen Brot mit!
Doch sie sagte: So wahr der Herr, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr vorrätig als eine Hand voll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich lese hier ein paar Stücke Holz auf und gehe dann heim, um für mich und meinen Sohn etwas zuzubereiten. Das wollen wir noch essen und dann sterben. (1Kön 17,10-12)

Ist das nicht unverschämt? Elija scheint das Gebot der Gastfreundschaft bis aufs letzte auszureizen. Es war der Witwe sicher anzusehen, dass sie arm war und selbst nichts hatte. Warum geht er nicht zu den Reichen, die ihm nur etwas von ihrem Überfluss abzugeben bräuchten? Warum verlangt er von dieser armen Witwe, dass sie mit ihm ihren letzten Bissen teilt?
Die Witwe hat schon abgeschlossen mit sich, mit der Welt, mit dem Leben. Ein letztes Mahl will sie für sich und ihren Sohn zubereiten und dann sterben. Sie sieht keinen Ausweg mehr. Wer soll ihr jetzt noch helfen? Wer weiß wie viele Menschen sie schon um Hilfe gebeten hat - vergeblich. Es ist niemand da, der ihr Elend sieht.
Doch Gott hat ihr Elend gesehen. Er hat schon Hilfe für sie im Sinn. Doch zuvor muss sie eine schwere Entscheidung treffen. Will sie sich in ihr Elend fallen lassen, das letzte Mahl bereiten und alle Hoffnung aufgeben, oder ist sie bereit, ihren letzten Bissen mit dem Fremden zu teilen? Ist sie bereit dafür, dass ihr Leben eine entscheidende Wendung nimmt? Elija sagt ihr:

Elija entgegnete ihr: Fürchte dich nicht! Geh heim und tu, was du gesagt hast. Nur mache zuerst für mich ein kleines Gebäck und bring es zu mir heraus! Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten; denn so spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet.
Sie ging und tat, was Elija gesagt hatte. So hatte sie mit ihm und ihrem Sohn viele Tage zu essen. Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, wie der Herr durch Elija versprochen hatte. (1Kön 17,13-16)

Sie soll das letzte hergeben für den Fremden, und dann für sich und ihren Sohn kochen. Aber was, wenn das letzte Häufchen Mehl und der letzte Tropfen Öl weg sind? Kann man den Worten des Fremden trauen? Was ist das für ein Mann und was ist das für ein Gott? Haben sie nicht in Sidon ihre eigenen Götter? Was haben sie mit dem Gott Israels zu schaffen? Wenn ihre Götter nicht auf sie schauen, warum sollte dann ein fremder Gott für sie sorgen? Ist die Witwe bereit, auf diesen Gott Israels zu vertrauen?
Sie tut, was Elija ihr sagt. Sie wird nicht enttäuscht. Im Teilen erfährt die Witwe einen Reichtum, wie sie ihn bisher nicht kannte. Alle drei - Elija, die Witwe und ihr Sohn haben viele Tage genug zu essen.
Hier könnte die Geschichte von Elija und der Witwe zu Ende sein. Doch ihr Glaube wird noch einmal auf eine harte Probe gestellt. Ihr Sohn wird plötzlich krank, steht kurz vor dem Tod.

Nach einiger Zeit erkrankte der Sohn der Witwe, der das Haus gehörte. Die Krankheit verschlimmerte sich so, dass zuletzt kein Atem mehr in ihm war. Da sagte sie zu Elija: Was habe ich mit dir zu schaffen, Mann Gottes? Du bist nur zu mir gekommen, um an meine Sünde zu erinnern und meinem Sohn den Tod zu bringen. (1Kön 17,17-18)

Wir können die Wut der Frau verstehen. Sie hatte schon abgeschlossen mit dem Leben, dann neue Hoffnung geschöpft und jetzt soll ihr das Kostbarste, das sie besitzt, ihr Kind genommen werden? Dann hätten sie ja gleich beide an Hunger sterben können. Auch Elija versteht Gott nicht.

Er antwortete ihr: Gib mir deinen Sohn! Und er nahm ihn von ihrem Schoß, trug ihn in das Obergemach hinauf, in dem er wohnte, und legte ihn auf sein Bett. Dann rief er zum Herrn und sagte: Herr, mein Gott, willst du denn auch über die Witwe, in deren Haus ich wohne, Unheil bringen und ihren Sohn sterben lassen? Hierauf streckte er sich dreimal über den Knaben hin, rief zum Herrn und flehte: Herr, mein Gott, lass doch das Leben in diesen Knaben zurückkehren!
Der Herr erhörte das Gebet Elijas. Das Leben kehrte in den Knaben zurück und er lebte wieder auf. Elija nahm ihn, brachte ihn vom Obergemach in das Haus hinab und gab ihn seiner Mutter zurück mit den Worten: Sieh, dein Sohn lebt. (1Kön 17,19-20)

Doch Elijas Glaube ist stark. Er weiß sich in jeder Situation von Gott beschützt. Er weiß, dass Gott die Seinen nicht im Stich lässt. Voll Vertrauen betet er flehentlich für den Sohn der Witwe. Und Gott erhört das Gebet Elijas, das Leben kehrt in den Knaben zurück und Elija gibt ihn seiner Mutter wieder. Nun ist auch der Glaube der Witwe gefestigt:

Da sagte die Frau zu Elija: Jetzt weiß ich, dass du ein Mann Gottes bist und dass das Wort des Herrn wirklich in deinem Mund ist. (1Kön 17,24)

Was König Ahab und seine Frau Isebel nicht erkennen, das wird dieser einfachen namenlosen Witwe offenbar. Gott sorgt für sein Volk. Wer dem Gott Israels vertraut, dem wird es an nichts mangeln. Wer aber den nichtigen Götzen vertraut, der richtet sich und das ganze Land zugrunde.
Wer im Vertrauen auf Gottes Fürsorge mit anderen teilt, der wird nicht ärmer, sondern reicher. Gott gibt der armen Witwe die Möglichkeit, durch ihr freigebiges Schenken, mehr von Gott geschenkt zu bekommen, als sie selbst zu Geben in der Lage ist. Wer loslassen kann, der erhält, was er zu verlieren fürchtet, wer schenkt, der bekommt mehr zurück, als er gibt. Je größer der Verlust auf den ersten Blick erscheint, desto größer wird der Gewinn sein. Dazu braucht es das Vertrauen auf Gott, das Wagnis, dort wo es notwendig ist, eine andere Rechnung zu machen, als wir es sonst gewohnt sind. Gott will nicht nur etwas von unserem Überfluss, sondern er will uns ganz, dass er sich uns auch ganz schenken kann.