Matthäus 15,1-31

Rein und Unrein

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Da kamen von Jerusalem Pharisäer und Schriftgelehrte zu Jesus und sagten: Warum missachten deine Jünger die Überlieferung der Alten? Denn sie waschen sich nicht die Hände vor dem Essen. (Mt 15,1-2)

Zwischen Jesus und einigen Pharisäern und Schriftgelehrten entfacht sich eine heftige Diskussion. Sie stellen Jesus wegen einer Kleinigkeit zur Rede, weil er nicht dafür sorgt, dass sich seine Jünger, wie es die Tradition vorschreibt, vor dem Essen auf rituelle Weise die Hände waschen. Jesus aber führt ihnen ihre Heuchelei vor Augen. Während sie sich nach außen hin an nebensächliche Riten halten und meinen, sich so ihre rituelle Reinheit zu bewahren, zeigt Jesus, dass sie sich durch ihr heuchlerisches Tun in die größte Unreinheit begeben. Nicht was durch den Mund in den Menschen hineinkommt macht ihn unrein, sondern was - im übertragenen Sinn - aus seinem Mund herauskommt, nämlich böse Worte und Taten.

Er entgegnete ihnen: Warum missachtet denn ihr Gottes Gebot um eurer Überlieferung willen? Gott hat gesagt: Ehre Vater und Mutter!, und: Wer Vater oder Mutter verflucht, soll mit dem Tod bestraft werden. Ihr aber lehrt: Wer zu Vater oder Mutter sagt: Was ich dir schulde, erkläre ich zur Opfergabe!, der braucht seinen Vater oder seine Mutter nicht mehr zu ehren. Damit habt ihr Gottes Wort um eurer Überlieferung willen außer Kraft gesetzt.
Ihr Heuchler! Der Prophet Jesaja hatte Recht, als er über euch sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.
Und er rief die Leute zu sich und sagte: Hört und begreift: Nicht das, was durch den Mund in den Menschen hineinkommt, macht ihn unrein, sondern was aus dem Mund des Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.
Da kamen die Jünger zu ihm und sagten: Weißt du, dass die Pharisäer über deine Worte empört sind? Er antwortete ihnen: Jede Pflanze, die nicht mein himmlischer Vater gepflanzt hat, wird ausgerissen werden. Lasst sie, es sind blinde Blindenführer. Und wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen.
Da sagte Petrus zu ihm: Erkläre uns jenes rätselhafte Wort! Er antwortete: Seid auch ihr noch immer ohne Einsicht? Begreift ihr nicht, dass alles, was durch den Mund (in den Menschen) hineinkommt, in den Magen gelangt und dann wieder ausgeschieden wird? Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen, und das macht den Menschen unrein. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen. Das ist es, was den Menschen unrein macht; aber mit ungewaschenen Händen essen macht ihn nicht unrein. (Mt 15,3-20)

Zwischen Jesus und einigen Pharisäern und Schriftgelehrten entfacht sich eine heftige Diskussion. Sie stellen Jesus wegen einer Kleinigkeit zur Rede, weil er nicht dafür sorgt, dass sich seine Jünger, wie es die Tradition vorschreibt, vor dem Essen auf rituelle Weise die Hände waschen. Jesus aber führt ihnen ihre Heuchelei vor Augen. Während sie sich nach außen hin an nebensächliche Riten halten und meinen, sich so ihre rituelle Reinheit zu bewahren, zeigt Jesus, dass sie sich durch ihr heuchlerisches Tun in die größte Unreinheit begeben. Nicht was durch den Mund in den Menschen hineinkommt macht ihn unrein, sondern was - im übertragenen Sinn - aus seinem Mund herauskommt, nämlich böse Worte und Taten.

Von dort zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie (von ihrer Sorge), denn sie schreit hinter uns her. Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.
Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir! Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen. Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen. (Mt 15,21-27)

Diese Perikope ist für mich schon immer befremdlich. Es schildert die Begegnung Jesu mit einer heidnischen Frau, genau gesagt einer Kanaanäerin. Sie bittet Jesus um die Heilung ihrer Tochter, doch Jesus weist sie ab. "Nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel bin ich gesandt." Doch als sie ihn inständig und demütig anfleht "Herr, hilf mir!" lässt sich Jesus doch dazu überreden, ihre Tochter zu heilen.
Zwei Aspekte möchte ich in diesem Evangelium beleuchten, der eine ist das Verhältnis Jesu zu den Heiden und der andere ist, wie Gott sich doch immer wieder umstimmen lässt, wenn es um das Heil des Menschen geht.
Das Volk Israel lebte inmitten einer heidnischen Umwelt. Durch die Befolgung der Gebote Gottes, die es beim Bundesschluss am Sinai erhalten hat, unterscheidet es sich von allen anderen Völkern. Israel war sich seines Erwählt-Seins bewusst. Nur Israel verehrte den wahren und einzigen Gott, gegenüber dem die Götter der anderen Völker nichts waren. Es war nicht so wie bei anderen Völkern, die zwar fremde Götter gelten ließen, deren eigene Götter sich aber durch ihren Sieg als überlegen und mächtiger auswiesen, nein, die anderen Götter waren für Israel nicht nur schwach, sondern es gab sie überhaupt nicht.
Immer wieder hat Israel darum gekämpft, die Vermischung mit dem Götzendienst der anderen Völker zu bekämpfen, doch die fremden Kulte mit ihren oft berauschenden Riten übten zu allen Zeiten ihre Anziehungskraft auf die Bewohner Israels aus. Die Fremdvölker stellten also nicht nur eine politische, sondern auch eine religiöse Gefahr dar. In Israel war man daher immer bemüht, deren Einfluss zurückzudrängen.
Israel selbst war nicht missionarisch. Der Glaube Israels wurde durch Geburt und nicht durch Bekehrung weitergegeben. Nur in begrenztem Maße war es Nichtjuden möglich, Juden zu werden. Dennoch klingt bei den Propheten immer wieder an, dass der Glaube Israels eine Bedeutung hat, die über das Volk Israel hinausgeht. Irgendwann einmal werden alle Völker zum Tempel des Gottes Israels pilgern und nach den Geboten des Gottes Israels leben. "Mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt." So heißt es beim Propheten Jesaja (56,7). Die anderen Völker sollten durch Israel das Heil erlangen. Wenn jeder Israelit sich ganz an die Gebote Gottes hält und vor allem auch den Sabbat genau beachtet, dann wird der Messias kommen und sein Friedensreich von Israel aus über die ganze Erde errichten.
Jesus ist dieser Messias. Wenn Israel sich durch ihn zu Gott bekehrt, wird dies das Heil der ganzen Welt bedeuten. Daher will Jesus zuerst Israel den Weg des Glaubens zeigen, damit das erwählte Volk seiner Erwählung gemäß lebt. Doch Israel erkennt den Messias nicht. Da Israel den Messias verwirft, geht Gott einen anderen Weg. Alle Menschen sollen nun von dem einen, einzigen und wahren Gott erfahren, sich bekehren und so das Heil erlangen.
Nun können wir verstehen, warum Jesus sich zunächst so abweisend der Frau gegenüber verhält. Doch obwohl Jesus es grundsätzlich ablehnt, Wunder und Heilungen auch an Heiden zu wirken, macht er doch Ausnahmen. Jesus kann die Bitte der heidnischen Frau, die ihn so innig anfleht, nicht zurückweisen. Für Gott gibt es nämlich einen höheren Grundsatz, der da lautet, dass alle Menschen das Heil erlangen sollen. "Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen."
So wie Jesus die heidnische Frau erhört, so wird er auch jeden von uns erhören, der ihn inständig bittet. In diesem Vertrauen dürfen wir uns immer an Jesus wenden. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, Gott will unser Heil. Aber er kann uns das Heil nicht ohne unseren Willen schenken. Bitten wir Gott inständig darum.

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Heilige Schrift
Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt. (Mt 15,28)

Dieser letzte Satz des Abschnitts hat mich stutzig gemacht. Man liest vielleicht zunächst einmal leicht drüber hinweg, aber wenn man bei ihm tiefer verweilt, ermisst man die ganze Dimension, die in diesem Satz steckt.
Wir kennen das ja eher anderes herum. Im Vater Unser beten wir: Dein Wille geschehe. Die ganze christliche Frömmigkeit baut auf dem Gedanken, dass wir unseren Willen dem Willen Gottes unterordnen. Der Eigenwille wird in der monastischen Tradition als eines der größten Hindernisse auf dem Weg der Spiritualität gesehen.
Wir erfahren es ja im Alltag immer wieder, wenn wir im Leben etwas erreichen wollen, brauchen wir einen starken Willen. Wer wirklich weiß, was er will, wird Erfolg haben. Es kommt darauf an, dem Ziel, das man erreichen will, durch alle Hindernisse und Ablenkungen hindurch treu zu bleiben. Und es wird viele Hindernisse geben. Immer werden andere versuchen, einem etwas einzureden und das, was man will, auszureden.
Schauen wir auf die Frau im heutigen Evangelium. Nach den geltenden Maßstäben hatte sie nicht das Recht dazu, von Jesus Hilfe zu bekommen, weil sie keine Israelitin war. Auch Jesus begegnet ihr zunächst abweisend. Sie hätte nach der ersten Ablehnung nach Hause gehen können. Ist halt so, kann man nichts machen. Es gibt Gesetze und Regeln, gegen die man nicht ankommt. ...
Doch sie bleibt hartnäckig. Sie weiß, dass ihr Wunsch es wert ist, erfüllt zu werden. Ja ich denke man kann sagen, dass sie sogar schon sicher weiß, dass Jesus sie erhören wird. So bleibt sie hartnäckig und Jesus erfüllt ihren Wunsch.
Ich denke, worauf es im Leben ankommt, ist es, feste Ziele und eine starke Zuversicht zu haben. Nicht irgendetwas, von dem wir selbst nicht wirklich überzeugt sind, nicht irgendetwas, das andere uns aufschwatzen wollen. Nein, vielmehr das Wissen um ein Ziel, das tief aus unserem Inneren kommt, und für das wir bereit sind, unser ganzes Sehnen und unsere ganze Kraft zu geben. Von dem wir überzeugt sind, dass es wirklich gut und richtig ist.
Wenn wir ein solches Ziel haben, dann wird in uns auch der Glaube wachsen, dass wir dieses Ziel erreichen werden und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann das geschieht, was wir wollen.
Ich habe als Bild zum heutigen Evangelium den Löwen ausgewählt, weil er für mich diese Stärke symbolisiert, die hinter unserem Wünschen und Sehnen stecken muss. Es ist an uns, jeden Tag neu diese Kraft in uns wach zu rufen, uns nicht hängen zu lassen, täglich neu diesen Schrei der Kraft herauszubrüllen. Wenn es am Anfang vielleicht auch nur das Piepsen eines kleinen Spatzen ist, wenn wir uns täglich sagen, dass diese Kraft in uns steckt, dann werden wir sie eines Tages wirklich spüren.
Es ist gut, Menschen zu haben, die uns immer wieder auf diese Kraft, die in uns steckt, aufmerksam machen. Doch wir dürfen nicht nur auf andere vertrauen, sondern müssen lernen, selbst zu uns zu stehen, uns treu zu sein. Und wir dürfen vertrauen, dass Gott, der uns ja diese Stärke gegeben hat, uns dabei hilft, sie zu entfalten.

Jesus zog weiter und kam an den See von Galiläa. Er stieg auf einen Berg und setzte sich. Da kamen viele Menschen und brachten Lahme, Krüppel, Blinde, Stumme und viele andere Kranke zu ihm; sie legten sie vor ihn hin, und er heilte sie. Als die Menschen sahen, dass Stumme plötzlich redeten, Krüppel gesund wurden, Lahme gehen und Blinde sehen konnten, waren sie erstaunt und priesen den Gott Israels. (Mt 15,29-31)

Wieder kommen viele Menschen zu Jesus, um bei ihm Heil und Leben zu finden. In Jesus Christus wird die Barmherzigkeit Gottes erfahrbar. So erfüllt sich die Verheißung an Abraham und das Volk Israel, Licht und Segen für die Welt zu sein. Nicht durch die unsinnigen Reinheitsvorschriften, die Pharisäer und Schriftgelehrte akribisch einhalten, wird die Thora erfüllt und Gottes Weisheit in der Welt deutlich, sondern durch die Barmherzigkeit, die Jesus allen Menschen schenkt, die zu ihm kommen. Jesus ist jedoch nur zu Israel gesandt. Erst an die Apostel ergeht der Auftrag zur weltweiten Mission. Dennoch wird in Jesu Auftreten das Licht der Lehre Gottes offenbar. Die Menschen erkennen und preisen in ihm den Gott Israels. Nach Jesu Tod wird das Licht des Gottes Israels in die ganze Welt getragen.