Markus 10,17-31

Reichtum u. Nachfolge

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Heilige Schrift
Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie. (Mk 10,17a)

Da kommt einer mitten auf dem Weg auf Jesus zu. Er spricht Jesus an und Jesus bleibt stehen, um mit ihm zu reden. Was ist das für einer? Markus definiert ihn nicht näher. In der Parallele bei Matthäus ist von einem jungen Mann die Rede, weshalb man dieser Stelle oft die Überschrift "Jesus und der reiche Jüngling" gibt.
Es ist einer wie du und ich, einer, der sich redlich müht, ein gutes Leben zu führen, der sein Einkommen und seinen Platz in der Gesellschaft hat. Einer der "normalen" Bürger. Kein Außenseiter, auf diese geht Jesus meist aus eigner Initiative heraus zu, um ihnen zu zeigen, dass auch sie dazugehören. Auch keiner von denen, die Jesus skeptisch gegenüberstehen, denn er fällt vor Jesus nieder und zeigt somit seine Hochachtung vor ihm.
Sicher hat er schon vor einiger Zeit von Jesus gehört, war vielleicht sogar begeistert von dem, was man sich über Jesus erzählte. Sicher war er auf der Suche, auf der Suche nach dem Weg zum ewigen Leben, denn diese Frage beschäftigt ihn und auf diese wünscht er sich von Jesus eine Antwort:

Er fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!
Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. (Mk 10,17b-20)

Zunächst geht Jesus auf das Wort "guter Meister" ein. Niemand ist gut, außer Gott, dem Einen. Ein Meister und Lehrer kann zwar ein guter Mensch sein, aber nie gut an sich. Das Gutsein kommt letztendlich allein Gott zu. Gott ist der vollkommen Gute, das höchste und wahre Gut. Es genügt nicht, zu Jesus zu kommen, weil er ein guter Mensch oder Lehrer ist, sondern weil er Gott ist.
Um ein gutes Leben zu führen, genügt die Orientierung an den Geboten, du sollst nicht töten, nicht die Ehe brechen, nicht stehlen, nicht falsch aussagen, keinen Raub begehen, Vater und Mutter ehren. Diese Gebote gehören zum moralischen Fundament vieler Gesellschaften und auch in unserer Zeit ist es den meisten Menschen einsichtig, sich daran zu halten, damit menschliches Zusammenleben gelingen kann. So verwundert es nicht, dass der junge Mann, wie sicher viele von uns auch, sagen kann, dass er sein Leben lang nach diesen Geboten gelebt hat.
Was muss ich tun ... Was wäre er nicht bereit, alles auf sich zu nehmen, um das ewige Leben zu gewinnen. Vielleicht würde er mit Begeisterung irgendwelche fernöstlichen Meditationstechniken lernen, wäre bereit, eine feste Anzahl von Gebeten täglich zu verrichten oder was auch immer es an religiös motivierten Höchstleistungen gibt.
Versuchen wir, mitzufühlen, was nun geschieht. Im Gespräch zwischen Jesus und dem jungen Mann entwickelt sich eine gewisse Dynamik:

Da sah ihn Jesus an, umarmte ihn und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! (Mk 10,21)

Jesus schenkt dem Mann eine intime persönliche Begegnung, die ihn dazu ermutigen soll, den entscheidenden Schritt seines Lebens zu tun. Liebevoll, aus ganzem Herzen, sagt Jesus diese Worte. Jesus will wirklich, dass der Mensch das bekommt, wonach er verlangt: das ewige Leben. Jesus sagt zu ihm:
"Schau her, du hast jetzt die einmalige Chance deines Lebens, du kannst alles bekommen, wonach du dich sehnst. Ich warte hier auf dich, geh und verschenke schnell deinen ganzen Besitz und dann komm wieder hierher und dann lass uns gemeinsam weitergehen. Dein Reichtum wird so zu einem Schatz im Himmel - und im Himmel wirst du das ewige Leben haben und dann wird dieser Schatz dort schon auf dich warten. Wenn du deinen Reichtum hier verschenkst, kannst du ihn für die Ewigkeit retten.
Dann folge mir. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Das ewige Leben hast du dann, wenn du mir folgst. Hast du mich nicht guter Meister genannt? Es gibt nur einen, dem es gebührt "der Gute" genannt zu werden, das ist Gott. Ja, ich bin "der Gute", ich bin Gottes Sohn und mein Vater im Himmel wird die in sein ewiges Reich holen, die hier auf Erden mir nachgefolgt sind."
Um ein gutes Leben zu führen, genügt die Orientierung an den Geboten, du sollst nicht töten, nicht die Ehe brechen, nicht stehlen, nicht falsch aussagen, keinen Raub begehen, Vater und Mutter ehren. Diese Gebote gehören zum moralischen Fundament vieler Gesellschaften und auch in unserer Zeit ist es den meisten Menschen einsichtig, sich daran zu halten, damit menschliches Zusammenleben gelingen kann. So verwundert es nicht, dass der reiche Mann, wie sicher viele von uns auch, sagen kann, dass er sein Leben lang nach diesen Geboten gelebt hat.
Sicher reicht es für ein gutes Leben aus, sich an diese Gebote zu halten. Doch Jesus möchte noch mehr. Er blickt den jungen Mann an, er blickt ihn an mit dem Blick der Liebe, mit dem Gott seine Welt betrachtet. Jesus will ihm die Möglichkeit geben, noch enger mit ihm verbunden zu sein. Der junge Mann soll alles aufgeben, was ihn an diese Welt bindet und dann Jesus ganz nachfolgen. Hier ist es der Reichtum, der diesen Menschen fesselt, wir können uns aber auch viele andere Dinge vorstellen, die uns wichtig sind und die aufzugeben uns schwer fällt, ja sogar gänzlich unmöglich scheint.
Es ist eine einmalige Chance, die Jesus hier anbietet. Was wird der Mann daraus machen?

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Heilige Schrift
Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. (Mk 10,22)

Jesus macht ein Angebot aus Liebe, gibt die Verheißung, dass der tiefste Wunsch des Herzens in Erfüllung geht, aber der Preis dafür scheint dem Mann zu hoch. "Alles verschenken, was ich so mühsam erworben habe? Alles aufgeben, worum ich so lange gekämpft habe? Und dann mit dieser seltsamen Truppe aus armen Fischern und was sonst noch für Gesindel umherziehen? Das soll der Weg zum ewigen Leben sein?"
Der Mann geht traurig weg. Was muss ich tun, hatte er gefragt. Was hätte er nicht alles getan für das ewige Leben, alles, nur das nicht, was Jesus da von ihm verlangt. Der Weg mit Jesus ist ein Geschenk. Es ist leicht zu erlangen, aber für manche ist es gerade deshalb schwer.

In gewissem Sinne kennen solche Menschen die Kirche und den Katholizismus besser als manche Katholiken ... Aber sie treten der Kirche nicht bei. Sie stehen hungernd an der Türe zum Gastmahl - und sie erkennen sicher, dass sie eingeladen sind -, während ärmere, dümmere, weniger begabte und weniger gebildete, oft auch weniger tugendhafte Menschen als sie eintreten und sich an die herrlichen Tafeln setzen." (Thomas Merton)

Auf der Miniatur sehen wir, wie der Mann vor Jesus mit seinen Goldklumpen spielt, wie er stolz präsentiert, was er alles hat, wie er zeigt, zu was er es gebracht hat. Ja, er befolgt die Gebote, ja, er führt ein erfolgreiches Leben. Vielleicht wollte er von Jesus nur hören: Das ist supertoll, wie du das machst, weiter so und dann kommst du in den Himmel.
Jesus weist den Weg, und dieser Weg ist oft ein anderer als der, den Menschen sich ausdenken. Wir sehen auf dem Bild, wie Jesus auf den Mann vor ihm hindeutet. Jesus schaut nicht auf das, was der Mann ihm darbietet. Er schaut ihm ins Gesicht. Du bist gemeint, es geht um dich, nicht um das, was du zu bieten hast. Du ganz allein bist gemeint. Lass das alles, es ist nur unnötiger Ballast. Bring es auf die "Himmelsbank", schenk das Geld den Armen, dort erzielt es den größten Gewinn, nämlich den, der dir im Himmel gutgeschrieben wird. Dann komm, so wie du bist.
Auch einer der Jünger neben Jesus weist eindringlich mit der Hand den Weg. Vielleicht will er sagen: Schau her, wir haben es auch so gemacht, wir haben auch alles hergegeben und ziehen jetzt mit Jesus umher. Komm, schließ dich uns an. Es stimmt, was Jesus sagt. Er ist unser Meister, der uns das Leben lehrt.
Doch all das kann den Mann nicht umstimmen. Er hängt an seinem Vermögen. Nein, dieses Leben mit Jesus, das wär nichts für ihn. Das macht ihn traurig. Wird ihn sein Reichtum über diesen Schmerz hinwegtrösten können?

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Heilige Schrift
Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!
Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen!
Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.
Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden?
Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.
Da sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.
Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben. Viele Erste werden Letzte sein und die Letzten Erste. (Mk 10,23-31)

Und wieder sieht Jesus Menschen an, diesmal seine Jünger, zweimal wird dies eigens erwähnt. Es zeigt, wie wichtig das ist, was Jesus nun sagt. Es ist schwer, in das Reich Gottes zu kommen. Wenn wir uns die radikale Forderung Jesu nach Aufgabe des gesamten Besitzes ansehen wird uns klar, was das bedeutet. Wer kann das schon? Und was würde aus unserer Gesellschaft, wenn alle so leben würden? Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass viele Menschen einfach als gute Christen in der Gesellschaft leben und das ist sicher schwer genug, zumal in der heutigen Zeit. Aber doch sollte man die Möglichkeit der radikalen Nachfolge nicht außer Acht lassen. Tröstlich ist die Antwort Jesu auf die erschrockene Frage der Jünger: "Wer kann dann noch gerettet werden." Jesus sieht sie wieder an und sagt: "Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott, denn für Gott ist alles möglich."
Tröstlich auch, dass die Jünger, die eigentlich schon alles zurückgelassen haben, um Jesus nachzufolgen, es auch noch nicht kapiert haben. Sofort stellt Petrus ihr Verdienst heraus. "Wir haben deinetwegen alles verlassen!" Bei Matthäus steht dann noch: "Und was bekommen wir dafür?" Letztendlich auch hier wieder das typisch menschliche Denken: Ich habe mich angestrengt, also erwarte ich auch einen angemessenen Lohn dafür.
Im Vergleich zu dem reichen Mann ist es vielleicht nicht viel, was die Jünger Jesu hergegeben haben, auf das sie verzichten mussten, ein Schifferboot, Netze, sicher, das ist auch sehr wertvoll, aber sie kannten nicht den großen Reichtum, das vornehme Leben. Sie mussten hart arbeiten für ihren Lebensunterhalt. Vielleicht fällt es ihnen daher schwer zu verstehen, warum der reiche Mann nicht auf seinen Besitz verzichten wollte.
Jesus sagt ihnen: Ja, es ist schwer für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen. Der Mensch gewöhnt sich schnell an ein bequemes Leben, der Reichtum übt eine magische Anziehung auf den Menschen aus und fesselt ihn. So fällt es den Reichen viel schwerer, dem Ruf Jesu zu folgen, als manch einfachen Menschen. Doch wenn wir ehrlich sind, braucht es nicht einmal den großen Reichtum, um daran zu hängen, wie schwer fällt es, schon seine kleine, einfache Welt aufzugeben. Wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen!
Es folgt das bekannte Gleichnis vom Kamel und vom Nadelöhr. Ganz gleich, was damit genau gemeint ist, ob Jesus beim Nadelöhr an eine enge Pforte in der Stadtmauer denkt, die diesen Namen getragen haben soll, wie manche Ausleger meinen oder was auch immer. Das Bild ist klar. Das Kamel ist ein großes Vieh und es ist ein Wunder, wenn dieses durch ein kleines Loch hindurch gehen könnte. Aber eher geht so ein großes Kamel durch ein ganz kleines Loch, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt - aus eigener Kraft wohlgemerkt.
Wir erinnern uns: "Was muss ich tun ..." hat der Mann Jesus gefragt. Unmöglich, du schaffst es nicht alleine - aber Gott kann das Herz anrühren, kann die Dollarzeichen aus den Augen löschen und den Blick wieder frei machen, so dass du die Welt wieder wahrnimmst, wie sie wirklich ist, und erkennst, worum du sich eigentlich kümmern solltest.
Ich finde, so schließt die Geschichte mit einem Bild der Hoffnung. Vielleicht ist dem reichen Mann der liebevolle Blick Jesu nicht mehr aus dem Sinn gegangen und er hat dann irgendwann doch noch auf seinen Reichtum verzichtet.
Für Gott ist alles möglich.

Herr, lass uns dich lieben und dir nachfolgen, weil wir erkannt haben, dass du allein der wahrhaft Gute bist, der uns ewiges Leben schenken kann.