Lukas 20,27-44

Auferstehung, Messias

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Heilige Schrift
Von den Sadduzäern, die bestreiten, dass es eine Auferstehung gibt, kamen einige zu Jesus und fragten ihn: (Lk 20,27)

Einleitend macht Lukas klar, worum es im Folgenden geht. Die Sadduzäer sind uns bekannt als eine der beiden bedeutenden Gruppierungen unter der religiösen Führungsschicht der Juden. Ihr Glaubensbild unterscheidet sich jedoch in mehreren Punkten von dem der Pharisäer. Zu den Unterschieden gehört auch der Glaube an die Auferstehung. Wenn wir die Glaubensgeschichte der Juden betrachten, so fällt auf, dass der Glaube an die Auferstehung erst sehr spät, nur wenige Jahrhunderte vor dem Auftreten Jesu, Eingang in den jüdischen Glauben gefunden hat. Auch zur Zeit Jesu hatte sich dieser Glaube noch nicht allgemein durchgesetzt.
Die Sadduzäer halten an der traditionellen Form des jüdischen Glaubens, der keine Auferstehung kennt, fest. Sie kommen also nicht als Suchende zu Jesus, sondern haben eine feste Überzeugung, der Jesus mit seiner Lehre widerspricht. Sie wollen öffentlich zeigen, dass hier die Argumente ganz auf ihrer Seite liegen und Jesus irrt.

Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder die Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen verschaffen. (Lk 20,28)

Die gemeinsame Diskussionsgrundlage zwischen Jesus und den Sadduzäern ist das Gesetz des Mose. In ihm zeigt sich Gottes Wille und seine Weisung für ein gerechtes Leben. Die Sadduzäer wollen dieses Gesetz streng befolgen und auch Jesus bestreitet seine Gültigkeit nicht. Dennoch bestehen erhebliche Diskrepanzen in der Frage, wie das Gesetz des Mose auszulegen ist.
Die Vorschrift, um die es hier geht, steht in Dtn 25,5. Wenn ein Mann kinderlos stirbt, soll seine Frau sich keinen fremden Mann nehmen, sondern der Bruder des Verstorbenen soll sie heiraten, wobei der erste Sohn aus dieser Ehe als der Nachkomme des Verstorbenen gilt.
Diese Vorschrift erscheint aus heutiger Sicht unverständlich. Sie passt in eine Stammesgesellschaft mit patriarchalischer und polygamer Familienstruktur. Um die Familie zu erhalten, war es für jeden Mann wichtig, einen männlichen Nachkommen zu haben. Ohne diesen zu sterben, galt als Schande.
In der Zeit der Entstehung dieses Gesetzes gab es noch keinen Glauben an eine Auferstehung. Worauf ein Mensch hoffen konnte, war allein, durch den Fortbestand seiner Familie bei seinen Nachkommen im Gedächtnis zu bleiben. Somit galt für den, der keine Nachkommen hatte, dass dessen Gedächtnis unter den Menschen ausgelöscht war. Ein solches Denken macht deutlich, wie wichtig es für einen Mann war, Nachkommen - und hier vor allem männliche Nachkommen - zu haben.
Das genannte Gesetz der Schwagerehe stellte eine Möglichkeit dar, wie ein kinderlos verstorbener Mann doch noch zu einem Stammhalter kommen konnte. Wenn einer seiner Brüder dazu bereit war, die Witwe zu heiraten, konnte er in dieser Ehe für seinen verstorbenen Bruder einen Stammhalter zeugen.
Es ist offen, in wie weit dieses Gesetz zur Zeit Jesu praktiziert wurde. Dass die Sadduzäer mit Hilfe dieses Gesetzes argumentieren, zeigt aber auch, dass sie sich gerade auf die traditionelle Auslegung des Gesetzes des Mose konzentrierten. Wie nun scheint dieses Gesetz dem Glauben an eine Auferstehung der Toten zu widersprechen?

Nun lebten einmal sieben Brüder. Der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos. Da nahm sie der zweite, danach der dritte und ebenso die anderen bis zum siebten; sie alle hinterließen keine Kinder, als sie starben. Schließlich starb auch die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt. (Lk 20,29-33)

Der Fall ist klar: Das Gesetz des Mose muss auch für diesen doch sehr theoretisch erscheinenden Fall Gültigkeit haben. Sieben ist die Zahl der Fülle und die sieben Brüder weisen auf eine unbegrenzte Zahl an möglichen Heiraten nach dem Gesetz der Schwagerehe hin. Indem keiner von den Brüdern mit der Frau einen Sohn zeugt, bleibt auch der mögliche Ausweg verschlossen, dass der, der einen Sohn gezeugt hätte, als der rechtmäßige Mann gelten könne. Alle Brüder sind quasi gleichwertig mit dieser einen Frau verheiratet gewesen.
Nach Meinung der Sadduzäer bestünde aber, wenn es eine Auferstehung gäbe, in der jenseitigen Welt das Problem, welchem der Männer nun diese Frau zugesellt werden soll. Unmöglich, dass alle sieben wieder leben und zugleich diese eine Frau als Ehefrau haben. Wie löst Jesus das Problem?

Da sagte Jesus zu ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten. Die aber, die gewürdigt werden, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht, noch lassen sie sich heiraten. Denn sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und als Kinder der Auferstehung zu Kindern Gottes geworden sind. (Lk 20,34-36)

Jesus macht deutlich, dass die jenseitige Welt ganz anders ist, als die diesseitige. Hier gibt es Heirat und Tod, dort wird es keinen Tod mehr geben. Die Auferstandenen sind ganz zu Kindern Gottes geworden, den Engeln gleich, und werden auch nicht mehr heiraten.
Näher betrachtet baut Jesus in seiner Argumentation eine weitere Spitze gegenüber den Sadduzäern ein, denn wie sie nicht an eine Auferstehung glauben, so glauben sie auch nicht an Engel. Vielleicht haben sich einige von den Sadduzäern schon gefreut und wollten Jesus siegesbewusst erwidern, dass er sich nun ganz in seiner falschen Lehre verfangen habe, indem er neben der Auferstehung auch noch eine Welt der Engel postuliert, deren Existenz aus den Büchern des Mose heraus nicht belegt werden kann. Doch im nächsten Satz bringt Jesus ein Argument, das das siegesbewusste Lächeln der Sadduzäer sofort wieder im Keim erstickt:

Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn leben sie alle. (Lk 20,37-38)

Jesus findet einen Hinweis auf die Auferstehung der Toten schon im Gesetz des Mose, auf das sich die Sadduzäer ja so fest berufen. Wenn Mose am Dornbusch Gott den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt, wird darin nicht deutlich gezeigt, dass diese drei Stammväter des Volkes Israel vor Gott leben? Sonst wäre dieser Gott ja ein Gott der Toten, und eine solche Aussage wäre sicher auch nicht im Sinne der Sadduzäer. Wenn aber Abraham, Isaak und Jakob vor Gott leben, was spricht dann dagegen, dass ein solches Leben bei Gott allen Toten möglich ist?
Jesus hat mit seinen Worten deutlich gemacht, dass die Sadduzäer mit ihrer strengen Auslegung des Gesetzes des Mose Gott letztendlich nicht gerecht werden. Sie wollen Gott einschließen in die engen Grenzen ihres Denkens. Gott aber ist größer als der Mensch zu denken fähig ist. Diese Größe Gottes, der ganz anders ist, als wir Menschen uns ihn vorstellen können, wird auch an vielen Stellen in den Büchern Mose deutlich. Gerade die Stelle von Mose am Dornbusch hat zu allen Zeiten Menschen den Schauer und das Erschrecken spüren lassen, dass dieser Gott so anders ist, und doch auch wieder so nahe bei uns Menschen.
Jesus will den Blick der Menschen für die Größe Gottes öffnen. Doch wer wie die Sadduzäer fest in seinem engen Denkschema gefangen ist, wird es schwer haben, zu dieser Weite zu finden. Da ist es leichter, diesen Unruhestifter aus dem Weg zu räumen und damit auch Gott in dem engen Schema des eigenen Denkens eingeschlossen zu halten. Doch Gott lässt sich nicht eingrenzen. Er wird die Mauer des Todes durchbrechen und in der Auferstehung Jesu wird deutlich werden, wozu ein Gott des Lebens fähig ist.

Da sagten einige Schriftgelehrte: Meister, du hast gut geantwortet. Und man wagte nicht mehr, ihn etwas zu fragen. (Lk 20,39-40)

Herr, Gott des Lebens! Lehre uns deine Größe und Weite und lass uns stets offen sein für das Wunderbare, das du uns schenkst.

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Heilige Schrift
Da fragte er sie. (Lk 20,41a)

Jesus hat mit den Sadduzäern und Schriftgelehrten in Jerusalem mehrere Streitgespräche geführt und diese schließlich zum Schweigen gebracht, weil sie sich eingestehen mussten, dass er die besseren Argumente hat. Er hat gezeigt, dass ihre Lehrmeinungen auch im Hinblick auf das Wort der Schrift, auf das sie sich ja berufen, einer kritischen Prüfung nicht standhalten können. Jedoch hat das ihre Einstellung nicht verändert, sondern sie vielmehr in ihrem Vorhaben bestärkt, dass Jesus aus dem Weg geräumt werden muss, weil er für das Volk gefährlich ist. Da seine Gesprächspartner nicht mehr mit ihm reden wollen, ergreift Jesus selbst mit einer Frage die Initiative, um noch ein weiteres gravierendes Missverständnis auszuräumen. Es geht darum, wie der rechtmäßige Messias zu erkennen ist.

Wie kann man behaupten, der Christus (Gesalbte/Messias) sei der Sohn Davids? (Lk 20,41b)

Christus ist die griechische Übersetzung für "Messias", was zu Deutsch "der Gesalbte" heißt. Gesalbte waren die Könige Israels, beginnend mit Saul bis hin zu König Zidkija. Das Haus Saul wurde aber von Gott verworfen und mit König David eine neue Dynastie eingesetzt, die bis zum babylonischen Exil Bestand hatte. Erst Nebukadnezzar führte mit der Gefangennahme Zidkijas und der Hinrichtung von dessen Söhnen das Ende des Hauses David herbei.
Bis dahin waren alle Könige Gesalbte und diese Salbung machte sie zu besonderen Mittlern zwischen Gott und den Menschen. Auch wenn viele von ihnen dieser besonderen Rolle nicht gerecht wurden, trug der König doch stets vor Gott die Verantwortung für sein Volk. Alle Könige wurden an dem Idealbild gemessen, nach dem die Heilige Schrift den König David beschrieben hat. An ihn ist auch die Verheißung des Propheten Natan ergangen:

Dein Haus und dein Königtum werden vor dir auf ewig bestehen bleiben; dein Thron wird auf ewig Bestand haben. (Sam 7,16)

Das bedeutet, dass es dem Haus David nie an einem Nachkommen fehlen wird. Nun aber war das davidische Königtum im babylonischen Exil untergegangen. Also musste dieses Wort der Schrift noch eine tiefere Bedeutung haben. Für viele gläubige Juden nach dem babylonischen Exil bis heute erwuchs daraus die Erwartung, dass Gott seinem Volk einen neuen Gesalbten senden wird, der das davidische Königtum erneuern und das Volk zu neuem Ruhm führen wird.
Es gab in den einzelnen jüdischen Gruppierungen ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie das Kommen dieses Messias erfolgen würde. Sein Erscheinen wurde immer mehr mit dem Anbruch der Endzeit in Verbindung gebracht. Er sollte vom Ölberg her nach Jerusalem einziehen und dabei die Toten zu neuem Leben führen, weshalb der Ölberg bis heute der bevorzugte Begräbnisort vieler gläubiger Juden ist.
Jesus zog vom Ölberg her nach Jerusalem ein und vielen Menschen erschien Jesus als der Messias, der sein Volk retten wird. Die "Hosanna"-Rufe bei seinem Einzug in Jerusalem machen das deutlich. Doch viele haben sich den Messias anders vorgestellt. Er sollte kämpferischer sein, sein Volk von der Besatzungsmacht der Römer befreien, vor allem sollte er dem Tempelkult und den religiösen Führern der Juden mehr verbunden sein. Einen solchen Messias wie Jesus konnten sie nicht akzeptieren.
Vielleicht lag das auch daran, dass viele lieber einen "menschlichen" Messias gehabt hätten, der wie viele Könige der alten Zeit sich auf die Seite der Mächtigen stellt und ihren Einfluss gegenüber der einfachen Bevölkerung noch vergrößert. Einen Messias, der sich der einfachen Menschen annimmt und dessen Gefolge aus Fischern und Handwerkern aus der Provinz Galiläa besteht, den wollte man in Jerusalem nicht.
Wo ist denn das Königliche an Jesus? Die religiösen Führer waren blind dafür. Die Evangelisten aber möchten uns die Augen dafür öffnen. Jesus stammt durch seinen Adoptivvater Josef aus dem Haus Davids, er erfüllt die Verheißungen, die in der Heiligen Schrift über den Messias gemacht werden und sein Weg ans Kreuz ist eine verborgene Krönungszeremonie.
Jesus, der Gesalbte, der Christus, der Messias, ist eben nicht deshalb Messias, weil er den Erwartungen der Mächtigen entspricht und wie ein weltlicher Herrscher mit seinen Stärken und Schwächen auftritt, sondern weil er mehr ist als ein König. Er ist nicht Sohn und Nachfolger Davids, sondern steht über David, ist dessen "Herr", weil er der Sohn Gottes und Gott ist. Dies macht Jesus mit einem Zitat aus dem Königspsalm 110 deutlich:

Denn David selbst sagt im Buch der Psalmen: Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten, bis ich dir deine Feinde als Schemel unter die Füße lege! David nennt ihn also Herr. Wie kann er dann sein Sohn sein? (Lk 20,42-44)

Der Messias ist anders, als ihr euch das vorstellt, das will Jesus den religiösen Führern deutlich machen. Doch auch wir müssen unsere Gottesbilder immer wieder überprüfen. Gestehen wir Gott zu, dass er anders ist? Dass er nicht dazu missbraucht werden will, den Einfluss der Mächtigen zu stärken? Dass er sich wirklich der Armen und Unterdrückten annimmt und sie nicht nur ruhig stellt durch Almosen, sondern dass er sie wirklich in die Freiheit und Unabhängigkeit führen will?
Hüten wir uns davor, Gottes Wort in die engen Schubladen unserer Kleinkrämerei zu packen. Geben wir ihm seine Sprengkraft wieder, mit der Jesus die Fesseln des Todes zerbrochen hat. Nur so können auch wir das neue Leben erfahren, das Jesus der ganzen Welt gebracht hat. Er allein ist König, er allein ist Herr, ihm allein wollen wie dienen und ihn allein anbeten.

Jesus, du Herr meines Lebens, sei du allein mein Herr.