Philipperbrief 1,12-26

Schicksal des Apostels

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Ihr sollt wissen, Brüder, dass alles, was mir zugestoßen ist, die Verbreitung des Evangeliums gefördert hat. Denn im ganzen Prätorium und bei allen Übrigen ist offenbar geworden, dass ich um Christi willen im Gefängnis bin. Und die meisten der Brüder sind durch meine Gefangenschaft zuversichtlich geworden im Glauben an den Herrn und wagen umso kühner, das Wort Gottes furchtlos zu sagen.
Einige verkündigen Christus zwar aus Neid und Streitsucht, andere aber in guter Absicht. Die einen predigen Christus aus Liebe, weil sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums bestimmt bin, die andern aus Ehrgeiz, nicht in redlicher Gesinnung; sie möchten die Last meiner Ketten noch schwerer machen. (Phil 1,12-17)

Paulus richtet nun den Blick auf sich und seine Gefangenschaft. Die Gefangenschaft des Apostels ist kein Grund dafür, an der Tragfähigkeit des Glaubens zu zweifeln. Auch seine Gefangenschaft dient zur Verbreitung des Evangeliums. Wie Paulus sich als Gefangener verhält erweckt Eindruck, auch bei denen, die ihr gefangen halten. Die ganze Frühzeit des Christentums durchzieht dieses Zeugnis der um ihres Glaubens Willen verurteilten. Wir kennen die Märtyrer, die den Glauben durch ihr Blut bezeugt haben. Immer wieder haben ihre Peiniger darüber gestaunt, wie standhaft und mutig sie alle Qualen erduldet haben und dabei noch voll Freude waren, dass sie für Christus leiden durften.
Ein Martyrium ist nur echt, wenn es aus Liebe geschieht. Die christlichen Märtyrer haben für ihre Peiniger gebetet. Sie haben geduldig die Qualen ertragen und gezeigt, dass Gott in Jesus Christus alles Leid der Welt überwunden hat. Welch ein Unterschied ist dies zu den heutigen Menschen, die sich Märtyrer nennen, wenn sie sich in die Luft sprengen und unzählige Menschen mit in den Tod reißen. Diese Menschen sind Zeugen von Hass und Gewalt und sie lassen sich regieren von dunklen Mächten, die dem Menschen feind sind.
Wahres Martyrium ist nicht Zeichen von Dunkelheit, sondern von Licht. Gottes Licht scheint in die tiefsten Verliese, wo immer Menschen um seines Namens Willen leiden müssen. Und dieses Licht leuchtet in die Finsternis von Hass und Gewalt und nicht selten bricht es die Dunkelheit des Hasses und lässt Licht werden, wo Finsternis regiert. Herr, gib uns auch heute den Mut zu diesem Zeugnis!
Paulus spricht hier aber auch davon, dass nicht alle das Evangelium mit redlicher Gesinnung verkünden. Zu allen Zeiten wurde der Glaube auch dazu missbraucht, menschliches Machtstreben zu rechtfertigen. Die Kirche leidet schwer an der Last, die ihr falsche Verkündiger aufgebürdet haben. Paulus aber bleibt zuversichtlich:

Aber was liegt daran? Auf jede Weise, ob in unlauterer oder lauterer Absicht, wird Christus verkündigt und darüber freue ich mich. Aber ich werde mich auch in Zukunft freuen. Denn ich weiß: Das wird zu meiner Rettung führen durch euer Gebet und durch die Hilfe des Geistes Jesu Christi. Darauf warte und hoffe ich, dass ich in keiner Hinsicht beschämt werde, dass vielmehr Christus in aller Öffentlichkeit - wie immer, so auch jetzt - durch meinen Leib verherrlicht wird, ob ich lebe oder sterbe. (Phil 1,18-20)

Wir sehen hier, welch tiefes persönliches Anliegen für Paulus die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi ist. Diese Verkündigung ist für Paulus Anlass zur Freude. Diese Freude durchzieht den Philipperbrief und scheint immer wieder durch. Egal was geschieht, wichtig ist für Paulus, dass in allem Christus verherrlicht wird. Als Lebensmotto finden wir dies ausformuliert im Ersten Petrusbrief 4,11: "Auf dass in allem Gott verherrlicht werde." (1Petr 4,11) und im Wahlspruch des Benediktinerordens: "Ut in Omnibus Glorificetur Deus", abgekürzt U.I.O.G.D.
Die Gedanken des Paulus gehen weiter. Er ist sich dessen bewusst, dass seine Gefangenschaft durchaus zum Tod führen kann:

Denn für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn. Wenn ich aber weiterleben soll, so bedeutet das für mich fruchtbare Arbeit. Was soll ich wählen? Ich weiß es nicht. Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein - um wie viel besser wäre das! Aber euretwegen ist es notwendiger, dass ich am Leben bleibe. Im Vertrauen darauf weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen ausharren werde, um euch im Glauben zu fördern und zu erfreuen, damit ihr euch in Christus Jesus umso mehr meiner rühmen könnt, wenn ich wieder zu euch komme. (Phil 1,21-26)

Für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn - ein Satz, den wir uns als Christen stets vor Augen halten müssen. Nicht das Leben ist das höchste Gut. Uns ist in Christus neues Leben geschenkt und darum ist dieses Leben ganz auf ihn hin. Christus ist unser Leben. Tod bedeutet, nicht mehr in Christus zu sein, von ihm für immer getrennt zu sein. In den Tod können wir uns nur selbst begeben, wenn wir uns von Christus trennen. Menschliches Sterben aber, wenn es in Christus geschieht, bedeutet nicht das Ende des Lebens. Das Leben in Christus geht weiter, durch das Sterben hindurch in alle Ewigkeit.
Paulus sehnt sich nach diesem ewigen Sein in Christus, um der Gläubigen willen ist er aber gerne bereit, noch länger hier auf Erden zu bleiben. Wie gerne möchte er die Gemeinden weiterhin stärken, ja sie einmal auch wiedersehen (vgl. auch Phil 2,24). Aber egal wie seine Verhandlung ausgeht, Entlassung oder Tod, beide Wege sind sinnvoll, beide bedeuten Gewinn. Paulus im Gefängnis - vielleicht am Ende seines Lebens - und doch in einer Win-Win-Situation, wie wir heute so schön sagen. Mit Christus können wir nur gewinnen. Ist das nicht ein Trost in all den Sorgen, die wir uns um unser Leben machen?