Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein. (Jes 42,6)
Gott identifiziert sich mit seinem Knecht. Der Knecht tut das, was er Gott tun sieht. In ihrem Handeln sind der Gottesknecht und Gott nicht zu unterscheiden. Dies erinnert mich an die Worte Jesu im Johannesevangelium, die sicher die treffendste Auslegung zu dieser Stelle sind:
Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn. Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er tut, und noch größere Werke wird er ihm zeigen, sodass ihr staunen werdet. (Joh 5,19-20)
Und an anderer Stelle sagt Jesus:
Ich und der Vater sind eins. (Joh 10,30)
Jesus ist der Gottesknecht in vollkommener Weise. Als Gottes Sohn ist er eins mit dem Vater im Heiligen Geist. Bei ihm ist die Verbindung mit Gott im Heiligen Geist, die allen Glaubenden verheißen ist, nicht etwas, das zu seinem Wesen hinzutritt, sondern ist untrennbar mit ihm verbunden. Jesus tut unmittelbar das, was er den Vater tun sieht.
Für uns Menschen ist das schwieriger. Zwar ist uns der Heilige Geist geschenkt, aber wir müssen immer wieder lernen, seine Stimme von den vielen Stimmen zu unterscheiden. Wir lassen uns ablenken, verführen, tun das, was unserem eigenen Vorteil dient und übersehen allzu leicht den Willen Gottes.
Wo aber Menschen sich von Gottes Geist leiten lassen, da wird konkret, wozu der Gottesknecht gesandt ist:
Blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien. (Jes 42,7)
Das ist das Recht, für das der Gottesknecht eintritt, dass die Blinden wieder sehen, dass niemand unschuldig gefangen gehalten wird und dass jene, die im Dunkel sitzen, befreit werden. Dunkel, das ist das Exil, in dem Israel zur Zeit des Propheten leben musste. Dunkel, das sind ungerechte Lebensbedingungen, Menschen, die unter Krieg und Terror zu leiden haben, Menschen, die auf der Flucht sind, Menschen, die für einen Hungerlohn schuften müssen, Menschen, die in Armut und Not leben. Wir brauchen nur die Augen öffnen und sehen dieses Dunkel. Manche von uns kennen es auch aus eigenem Erleben. Wie befreiend ist da das Licht und wie nötig sind Menschen, die wahre Lichtbringer sind.
Ich bin Jahwe, das ist mein Name; ich überlasse die Ehre, die mir gebührt, keinem andern, meinen Ruhm nicht den Götzen. Seht, das Frühere ist eingetroffen, Neues kündige ich an. Noch ehe es zum Vorschein kommt, mache ich es euch bekannt. (Jes 42,8-9)
In den letzten Versen des Liedes bekräftigt Gott, dass er die Macht hat, das, was er verheißt, auch zum Vorschein zu bringen. Die Worte des Propheten bleiben keine schönen Worte, sondern werden konkret. Man kann sich auf sie verlassen. Gott verschafft seinem Recht zum Durchbruch, damals wie heute. Zur Zeit des Propheten bedeutete das, dass die Zeit des Exils in Babylon zu Ende ist, und Israel wieder in sein Land zurückkehren darf.
Und heute? Jedem von uns kommen sicher spontan viele Beispiele in den Sinn, wo Menschen darauf warten, dass der Gottesknecht dem Recht Gottes zum Durchbruch verhilft. Dies kann der Schrei ganzer Völker nach Gerechtigkeit und Frieden sein, aber auch der Schrei eines Einzelnen vor unserer Tür. Beten wir, dass Gottes Recht konkret wird. Seien wir voll Hoffnung und Zuversicht, dass Gottes Gerechtigkeit siegt und werden wir selbst zu Boten von Gottes Gerechtigkeit.