Nach dem Sabbat in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche ... (Mt 28,1a)
Matthäus formuliert bei näherem Hinsehen den Zeitpunkt, an dem die Frauen zum Grab kommen, zweideutig. Im lateinischen Text steht: "Sero autem post sabbatum, cum illucesceret in primam sabbati". Wörtlich übersetzt heißt das (nach Hubert Frankemölle, Das Matthäusevangelium): "Spät am Sabbat, in der Dämmerung zum ersten (Nach-)Sabbattag". Was die Einheitsübersetzung also kommentarlos mit Morgendämmerung übersetzt, könnte auch das Aufleuchten der ersten Sterne und damit den Anbruch der Nacht bedeuten.
Aus biblisch-jüdischer Sicht, die auch im Sieben-Tage-Werk der Schöpfung deutlich wird ("es wurde Abend und es wurde Morgen"), beginnt der Tag mit dem Abend, sobald es dunkel wird und die ersten Sterne aufleuchten. Wir dagegen sehen eher mit dem ersten Sonnenlicht des Morgens den neuen Tag anbrechen. Doch wir müssen uns bewusst machen, dass die Menschen zur Zeit Jesu anders gedacht haben als wir.
Wenn es also heißt, dass Jesus am dritten Tag auferstanden ist, so ist dieser Zeitraum bereits am Abend des Tages nach seiner Kreuzigung erreicht, denn ein Tag zählt ganz, sobald nur ein kleiner Teil von ihm in den Berechnungszeitraum fällt. Es bleibt aber trotzdem fraglich, was Matthäus uns genau mit seiner Formulierung sagen möchte, denn nach dem Zeugnis aller anderen Evangelisten erfolgte die Auferstehung am Morgen. Mit dem Wissen um den Anbruch des Tages am Abend können wir aber getrost, wie vielerorts üblich, die Osternacht am (Vor-)Abend des Ostertages feiern.
... kamen Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. (Mt 28,1b)
Bei Matthäus sind es nur zwei Frauen, die kommen, um nach dem Grab Jesu zu sehen. Bei Markus und Lukas sind sie zu dritt, neben Maria aus Magdala ist auch eine andere Maria (die Mutter des Jakobus) dabei und Salome (Markus) bzw. Johanna (Lukas). Bei Johannes kommt nur Maria Magdalena zum Grab. Auch haben die Frauen nur bei Markus und Lukas wohlriechende Öle bei sich. Matthäus folgt hier also mehr einer Vorlage, die auch Johannes verwendet haben könnte. Das wird auch in der späteren Erscheinung Jesu vor den Frauen deutlich. Diese Begegnung erweitert Johannes zu der bekannten Episode der Erscheinung Jesu vor Maria aus Magdala.
Der gemeinsame Bezug zu Johannes könnte auch der Grund für die ungewöhnliche Zeitangabe am Anfang des Verses sein. Johannes setzt die Hinrichtung Jesu bekanntlich einen Tag früher an als die Synoptiker, also nicht am Paschafest selbst, sondern am Vortag des Festes. Diese Fragen sind jedoch sehr komplex und wahrscheinlich mit den uns zur Verfügung stehenden Quellen nicht eindeutig zu lösen.
Maria aus Magdala und die andere Maria waren bereits bei der Beisetzung Jesu zugegen und haben beobachtet, wie Josef von Arimathäa das Grab mit einem Stein verschlossen hat. Dann kamen die von den Hohenpriestern bei Pilatus angeforderten Wachen. Als Maria von Magdala und die andere Maria am dritten Tag wieder zum Grab kommen, ist der Stein immer noch dort. Das Grab ist also äußerlich unversehrt. Es ist gänzlich ausgeschlossen, dass in der Zwischenzeit irgendjemand heimlich den Leichnam Jesu hätte stehlen können. Wahrscheinlich kursierten bereits damals Gerüchte, dass die Sache mit der Auferstehung ein gut ausgedachter Betrug der Jesusanhänger gewesen sein könnte. Doch es gibt Beweise, Augenzeugen. Die Auferstehung Jesu ist somit eine historisch belegbare Tatsache.
Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee. (Mt 28,2-3)