Matthäus 26,1-75

Das Leiden Jesu

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Heilige Schrift
Als Jesus seine Reden beendet hatte, sagte er zu seinen Jüngern: Ihr wisst, dass in zwei Tagen das Paschafest beginnt; da wird der Menschensohn ausgeliefert und gekreuzigt werden. (Mt 16,1-2)

Jesus hat vor seinen Jüngern eine lange Rede gehalten. In ihr ging es um die Endzeit, die kommende Not, die der Wiederkunft des Menschensohnes voraus gehen wird. Nur wer wachsam ist, wird gerettet. Das macht Jesus an mehreren Gleichnissen deutlich. Am Ende der Rede steht das Gleichnis vom Weltgericht.
Jesus bereitet seine Jünger auf die Zeit vor, in der er nicht mehr bei ihnen sein wird, und diese Zeit steht nahe bevor. Nur noch zwei Tage sind es bis zum Beginn des Paschafestes. An diesem Fest wird der Herr sein Leben hingeben als Opferlamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.

Um die gleiche Zeit versammelten sich die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes im Palast des Hohenpriesters, der Kajaphas hieß, und beschlossen, Jesus mit List in ihre Gewalt zu bringen und ihn zu töten. Sie sagten aber: Ja nicht am Fest, damit kein Aufruhr im Volk entsteht. (Mt 26,3-5)

Während Jesus mit seinen Jüngern im vertrauten Gespräch ist, werden andernorts heimliche Gespräche geführt. Die Hohenpriester und Ältesten halten eine Versammlung ab, in der sie den Tod Jesu beschließen. Jetzt ist Jesus in Jerusalem, jetzt müssen sie zugreifen, bevor er wieder nach Galiläa geht und ihren Machtbereich verlässt. Doch wie sollen sie Jesus verhaften? Ihn einfach während seiner Reden abzuführen, würde einen Aufruhr im Volk auslösen. Das wollen sie verhindern. Die Stimmung in Jerusalem ist sowieso zum Paschafest schon aufgeheizt wegen all der Pilger, die in der Stadt sind. Doch es wird sich eine Lösung finden.

Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen bei Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll kostbarem, wohlriechendem Öl zu ihm und goss es über sein Haar. Die Jünger wurden unwillig, als sie das sahen, und sagten: Wozu diese Verschwendung? Man hätte das Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können. Jesus bemerkte ihren Unwillen und sagte zu ihnen: Warum lasst ihr die Frau nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer. Als sie das Öl über mich goss, hat sie meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat. (Mt 26,6-13)

Von der Versammlung, auf der Jesu Tod beschlossen wird, wechselt der Evangelist die Perspektive wieder hin zu Jesus. Er hat mittlerweile mit seinen Jüngern die Stadt verlassen und ist im nahen Betanien bei Freunden eingekehrt. Der Gastgebet, Simon der Aussätzige, ist uns nicht weiter bekannt. Vielleicht aber war er den Menschen zur Zeit des Matthäus noch vertraut, weshalb er hier mit Namen genannt wird. Sein Beiname "der Aussätzige" rührt möglicherweise daher, dass er durch Jesus vom Aussatz geheilt worden ist und das Andenken daran bewahren und zugleich Zeugnis geben möchte von Jesu Wundertaten.
Wenn wir die Evangelien miteinander vergleichen, so merken wir, dass hier verschiedene Traditionen vorliegen. Matthäus benutzt die Markus-Vorlage, nach der Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen einkehrt, wo ihm eine nicht namentlich genannte Frau salbt. Nach dem Johannesevangelium begibt sich Jesus auch nach Betanien, kehrt dort aber bei seinen Freunden Marta, Maria und Lazarus ein, und es ist Maria, die ihn salbt. Lukas berichtet von der Salbung Jesu nicht im Zusammenhang mit der Passion sondern weit früher, während Jesu wirken in Galiläa. Auch dort geschieht die Salbung im Haus eines Simon, der aber als Pharisäer gekennzeichnet wird.
Wir sehen hier deutlich, wie die einzelnen Evangelisten mündlich überlieferte oder bereits schon schriftlich fixierte Berichte über Jesus verwenden, und in ihre Evangelien einbauen. Die Salbung in Betanien im Rahmen der Passion als Vorausbild der Totensalbung Jesu zu sehen ist sinnvoll. Zugleich könnte der Streit um das vermeintlich sinnlos vergeudete Öl der Anlass dafür gewesen sein, dass Judas Iskariot endgültig entscheidet, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Johannes stellt diese These auf, während bei den anderen Evangelisten alle Jünger ihr Unverständnis über die Verschwendung des Öls äußern.
Sorge für die Armen oder sinnfreies Opfer, was ist wichtiger? Ich denke, diese Frage ist falsch gestellt, ebenso wie manche Kritik am Reichtum der Kirche unangebracht ist. Oft hört man Menschen sagen, die Kirche solle doch mehr den Armen geben, anstatt prächtige Kirchen zu bauen oder wertvolle Kelche und Gewänder für den Gottesdienst anzuschaffen. Ich denke, beides hat seine Bedeutung. Verschwenderischer Reichtum steht der Kirche nicht zu, das stimmt. Aber zur Ehre Gottes ist es angebracht, dass das Gotteshaus und die liturgischen Gewänder auch einen gewissen künstlerischen Wert haben. Hilfe für die Armen und liturgischer Schmuck haben beide eine wesentliche Bedeutung für die Kirche. Das eine geht nicht ohne das andere. Aber dennoch gilt bis heute der Satz des heiligen Diakons Laurentius: "Die Armen sind der wahre Schatz der Kirche."

Darauf ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohenpriestern und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreißig Silberstücke. Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern. (Mt 26,14-16)

Eben haben die Jünger noch über das Geld diskutiert, dass durch die Verwendung des kostbaren Öls für Jesu Salbung scheinbar verloren gegangen ist, nun geht es wieder um Geld, genauer gesagt um Kopfgeld. Hat die Frau Jesu Kopf mit kostbarem Öl gesalbt und so geehrt, will Judas nun im schroffen Gegensatz dazu Kopfgeld dafür, dass er den Hohenpriestern einen günstigen Ort für die Festnahme Jesu verrät. Dreißig Silberstücke, eine nicht unbedeutende Summe. Doch das Geld wird Judas nicht glücklich machen. Das für Jesu Salbung scheinbar verlorene Geld aber wird einen unschätzbaren Wert bekommen.
Nach seinem Deal mit den Hohenpriestern kehrt Judas wieder zu den anderen zurück. Keiner der übrigen Jünger ahnt, was geschehen ist und in den nächsten Stunden geschehen wird. Nur Jesus weiß es. Meine Zeit ist da, so lässt er dem Besitzer des Hauses ausrichten, der für ihn und seine Jünger den Raum für das letzte Abendmahl zur Verfügung stellt.

Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote gingen die Jünger zu Jesus und fragten: Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten? Er antwortete: Geht in die Stadt zu dem und dem und sagt zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist da; bei dir will ich mit meinen Jüngern das Paschamahl feiern. Die Jünger taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte, und bereiteten das Paschamahl vor. (Mt 26,17-19)

Jesus sendet seine Jünger, um bei einem nicht namentlich genannten Bewohner Jerusalems einen Raum für ein Mahl zu organisieren. Der Evangelist spricht vom Paschamahl. Der Vorlage des Markus folgend geht er wie auch Lukas davon aus, dass das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern ein Paschamahl war. Bis heute versammeln sich die Juden, um im Gedenken des Auszuges aus Ägypten dieses Mahl nach einem festen Ritus zu feiern. Dabei wird ungesäuertes Brot gegessen, dazu Bitterkräuter und ein Lamm. Dieses wurde solange der Tempel bestand und wenn das Fest in Jerusalem gefeiert wurde, im Tempel geschlachtet. Während des Mahles wird vom Gastgeber nach einem festen Ritus ein Becher mit Wein herumgereicht und es werden bestimmte Gebete gesprochen und Lieder gesungen. Der Jüngste in der Familie stellt festgelegte Fragen über den Sinn des Festes, die vom Gastgebet beantwortet werden.
Wenn das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern ein Paschamahl am Vorabend des Festes war, wie es uns die Synoptiker überliefern, dann hat das zur Folge, dass Jesus am Tag des Festes gekreuzigt wurde. Johannes überliefert in seinem Evangelium eine andere Chronologie. Demnach wurde Jesus am Tag vor dem Paschafest gekreuzigt, genau zu der Zeit, als im Tempel die Lämmer geschlachtet wurden, die dann am Abend beim Paschamahl gegessen wurden. Jesus hat dieses Mahl demnach nicht mehr erlebt. Das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern ist demnach ein vorgezogenes Paschamahl, das Jesus im Wissen um seinen Tod mit seinen Jüngern gefeiert hat.
Alle Versuche, die Chronologie der Synoptiker mit der des Johannes in Einklang zu bringen, sind letztlich unbefriedigend. Wir müssen uns für eine Darstellung entscheiden. Ein wichtiges Argument gegen die Darstellung der Synoptiker ist die Tatsache, dass mitten am höchsten Festtag der Juden die Kreuzigung Jesu stattgefunden haben soll. Da diese in erster Linie von den Römern durchgeführt wurde, die mit dem Fest nichts zu tun hatten, wäre das nicht unmöglich. Fraglich bleibt aber doch, ob dies im Sinne der religiösen Führer der Juden gewesen wäre, die hauptsächlich diese Hinrichtung initiiert hatten.
Das letzte Abendmahl wird auch nicht präzise nach dem Ablauf des Paschamahles geschildert. Wichtig sind die Worte Jesu über Brot und Wein, die als Einsetzungsworte der Eucharistie verstanden werden. Jesus bringt etwas Neues. Aus dem Paschafest der Juden im Gedenken an den Auszug aus Ägypten wird das Osterfest der Christen als Feier von Jesu Tod und Auferstehen. Die Erlösung, die Jesus gebracht hat, überbietet die Befreiungstat Gottes beim Exodus. Das Geschehen um Jesu Tod und Auferstehung ist aufs engste mit dem jüdischen Paschafest verknüpft. Aber dazu um diese Verbindung herzustellen, ist es nicht nötig, im letzten Abendmahl zwingend ein Paschamahl zu sehen.
So schreibt auch Papst Benedikt XVI.:

Das Wesentliche dieses Abschiedsmahles war nicht das alte Pascha, sondern das Neue, das Jesus in diesem Zusammenhang vollzog. Auch wenn das Zusammensein Jesu mit den Zwölfen kein Paschamahl nach den rituellen Vorschriften des Judentums gewesen war, so wurde in der Rückschau der innere Zusammenhang des Ganzen mit Tod und Auferstehung Jesu sichtbar: Es war Jesu Pascha. Und in diesem Sinn hat er Pascha gefeiert und nicht gefeiert: Die alten Riten konnten nicht begangen werden; als ihre Stunde kam, war Jesus schon gestorben. Aber er hatte sich selbst gegeben und so wirklich gerade Pascha mit ihnen gefeiert. Das Alte war so nicht abgetan, sondern erst zu seinem vollen Sinn gebracht.
Als es Abend wurde, begab er sich mit den zwölf Jüngern zu Tisch. Und während sie aßen, sprach er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern. Da waren sie sehr betroffen und einer nach dem andern fragte ihn: Bin ich es etwa, Herr? Er antwortete: Der, der die Hand mit mir in die Schüssel getaucht hat, wird mich verraten. Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre. Da fragte Judas, der ihn verriet: Bin ich es etwa, Rabbi? Jesus sagte zu ihm: Du sagst es. (Mt 26,20-25)

Deutlich weist Jesus auf seinen bevorstehenden Tod hin und zugleich auch auf den, der ihn verraten und ausliefern wird. Noch immer sind die Jünger ratlos, wen und was Jesus damit meint. Nur Judas weiß es. Sein ganzes Sinnen und Trachten ist bereits darauf hin gerichtet, Jesus so schnell wie möglich an die Juden auszuliefern und seinen Lohn dafür zu kassieren. Das muss geschehen. Aber trotzdem ist es keine gute Tat, die Judas leistet. Er hat sich dafür hergegeben, zum Erfüller des Bösen zu werden. Und er besitzt die Unverfrorenheit, weiterhin im vertrauten Kreis um Jesus zu verweilen. Nur Jesus weiß um die Abgründe, die sich in seinem Jünger auftun. Jesus liebt ihn, auch wenn er weiß, was geschehen wird. Er schließt ihn nicht vom Mahl aus. Judas hat noch die Möglichkeit, umzukehren. Aber er wird seine Chance nicht nutzen und stellt sich so gegen die Liebe seines Herrn.

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Heilige Schrift
Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst; das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch: Von jetzt an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich mit euch von neuem davon trinke im Reich meines Vaters. (Mt 26,26-29)

Nun ist alles gesagt. Jesus hat den Seinen das Gedächtnis seines Leidens und Sterbens hinterlassen. In seinem Tod wird er diese Worte erfüllen und fortan wird in jeder Feier der Eucharistie sein Opfer gegenwärtig gesetzt. Mein Leib, Brot des Lebens, mein Blut, für euch vergossen zur Vergebung der Sünden. Nehmt, esst und trinkt. So legt er sich selbst hinein - in das Zeichen von Brot und Wein. Er legt sich selbst hinein - und verschenkt sich an alle, die ihn empfangen. Der zerschlagene Leib im gebrochenen Brot, nehmt und esst: Das bin ich.
Nehmt und esst, das heißt auch: nehmt mich auf, nehmt mich hinein in euch. Wie Brot, das ihr teilt und esst euch ernährt und dabei in euch verwandelt wird, so nehmt mich auf. Wenn ihr mich aufnimmt habt ihr Gemeinschaft mit mir und ich nehme euch hinein in das, was an mir geschieht; so lasst es auch an euch geschehen: Das Geheimnis vom Leiden und Sterben und Auferstehen.

Aus voller Glaubensüberzeugung wollen wir also am Leib und Blut Christi teilhaben! In der Gestalt des Brotes wird dir der Leib gegeben, und in der Gestalt des Weines wird dir das Blut gereicht, damit du durch den Empfang des Leibes und Blutes Christi ein Leib und ein Blut mit ihm wirst. Durch diesen Empfang werden wir Christusträger; denn sein Fleisch und sein Blut kommt in unsere Glieder. Durch diesen Empfang werden wir der göttlichen Natur teilhaftig. ...
Betrachte daher Brot und Wein nicht wie gewöhnliche Dinge! Denn nach der Aussage des Herrn sind sie Leib und Blut Christi. Wenn dich auch die Sinne hier im Stich lassen: der Glaube möge dir Festigkeit geben! Nicht nach dem Geschmack darfst du hier urteilen, der Glaube muss dir die zweifellose Sicherheit geben, dass du des Leibes und Blutes Christi gewürdigt wurdest. ...
Wer zum Mahle kommt, der wird nicht eingeladen, Brot und Wein zu kosten, sondern die Wirklichkeit des Leibes und Blutes Christi. Kommst du nach vorn, tritt nicht mit ausgetreckten Händen und gespreizten Fingern hinzu, sondern mache die linke Hand zum Thron für die rechte, da diese den König empfangen soll. Forme die Hand zur Höhle, empfange den Leib Christi und antworte: Amen! Vorsichtig heilige nun deine Augen durch die Berührung mit dem heiligen Leib und dann genieße ihn, doch hab acht, dass dir nichts davon auf den Boden fällt! ...
Nach der Kommunion des Leibes Christi tritt auch zum Kelch des Blutes hinzu. Strecke nicht die Hände aus, sondern verneige dich und in der Weise der Anbetung und Verehrung sprich das Amen. Dann empfange das Blut Christi und heilige dich. So lange noch Feuchtigkeit auf deinen Lippen ist, berühre sie mit den Fingern und heilige deine Augen, die Stirn und die übrigen Sinne. Dann warte das Gebet ab und danke Gott, der dich solcher Mysterien gewürdigt hat.
(Aus der Vierten Mystagogischen Katechese des hl. Cyrill von Jerusalem)

Jede Eucharistiefeier endet mit dem Dankgebet und dem Segen. Auch Jesus hat mit seinen Jüngern nach dem Mahl das Dankgebet gesprochen. Der jüdischen Feier entsprechend meint Matthäus damit wahrscheinlich die Lobpsalmen 113-118. Danach geht Jesus mit seinen Jüngern zum Ölberg und weist sie erneut auf die Bedeutung dessen hin, was nun geschehen wird.

Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir Anstoß nehmen und zu Fall kommen; denn in der Schrift steht: Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe der Herde zerstreuen. Aber nach meiner Auferstehung werde ich euch nach Galiläa vorausgehen. Petrus erwiderte ihm: Und wenn alle an dir Anstoß nehmen - ich niemals! Jesus entgegnete ihm: Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Da sagte Petrus zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste - ich werde dich nie verleugnen. Das Gleiche sagten auch alle anderen Jünger. (Mt 26,30-35)

Jesus weiß, dass seine Stunde gekommen ist. Wenn man der Darstellung des Matthäus folgt, ist Judas noch unter den Jüngern. Irgendwann aber wird er sich heimlich davonschleichen, um die Truppe zu holen, die Jesus gefangen nehmen wird. Die anderen Jünger verstehen immer noch nicht, obwohl Jesus deutlich sagt, was ihm bevorsteht. Sie werden von dem. was geschieht, zunächst überrascht sein, überfordert, werden auseinanderlaufen wie eine Herde, der man den Hirten wegnimmt. So war es dann auch. Unterm Kreuz fehlen die Jünger. Erst später wird Jesus sie aus Galiläa zurückrufen, ihre sichere Heimat, wohin sie aus Angst fliehen werden. Auch Petrus, der jetzt noch große Worte macht, wird in erbärmlicher Feigheit Jesus verraten. Doch er wird ebenso wie die anderen Jünger aus seinem Fehler lernen und daraus mit neuem Mut hervorgehen. Nur Judas bleibt verstockt. Jesus aber betet für sie alle.

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Heilige Schrift
Darauf kam Jesus mit den Jüngern zu einem Grundstück, das man Getsemani nennt, und sagte zu ihnen: Setzt euch und wartet hier, während ich dort bete. Und er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich. Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir! Und er ging ein Stück weiter, warf sich zu Boden und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Dann ging er zum zweiten Mal weg und betete: Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille. Als er zurückkam, fand er sie wieder schlafend, denn die Augen waren ihnen zugefallen. Und er ging wieder von ihnen weg und betete zum dritten Mal mit den gleichen Worten. Danach kehrte er zu den Jüngern zurück und sagte zu ihnen: Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus? Die Stunde ist gekommen; jetzt wird der Menschensohn den Sündern ausgeliefert. Steht auf, wir wollen gehen! Seht, der Verräter, der mich ausliefert, ist da. (Mt 26,36-46)

Nach dem Mahl geht Jesus mit seinen Jüngern zum Ölberg, zu einem Grundstück, das Getsemani heißt. Er hat eine Ahnung davon, was geschehen wird. Die ganze Erschütterung Jesu über das ihm bevorstehende Leiden wird nun deutlich. Jesus ist ganz Gott und ganz Mensch, daher schaudert er genau wie wir bei dem Gedanken an Schmerzen und Tod. Doch er nimmt sein Leiden an - um den Willen des Vaters zu erfüllen und um uns das Heil zu schenken.
Jesus ist an der Schwelle seiner Ganzhingabe angekommen, sich Opfer für das Heil der Welt hinzugeben. Er scheint allein, doch er befindet sich ganz in der Gegenwart des Vaters. Wie hätte es auch anders sein können, da sein heimlicher Dialog der Liebe mit dem Vater niemals aufgehört hatte? Und doch hat Jesus Angst davor, was nun geschehen wird. Von dieser Angst bleibt uns nichts verborgen. Aber in seiner äußersten Angst sucht Jesus im Gebet Trost beim Vater. Und Jesus wagt es ein letztes Mal, vor dem Vater der Beunruhigung Ausdruck zu geben, die ihn befällt:
Meine Seele ist zu Tode betrübt. Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. (Mt 26,38-39)
Jesus betet zum Vater, doch seine Jünger schlafen. Jesus bittet sie zu wachen, doch sie schaffen es nicht, mit ihm zu beten. In seiner Not ist Jesus allein, allein mit seinem Vater im Himmel. Dreimal muss Jesus die Jünger wecken und sie darum bitten, mit ihm zu beten. Doch sie schlafen immer wieder ein. Erst als die Soldaten im Garten erscheinen, angeführt von Judas, merken die anderen Jünger, was los ist. Jesus wird verhaftet, die Jünger aber fliehen.
Nun wird Jesus vor Gericht gestellt, zuerst bei den Juden. Doch die Römer haben zu dieser Zeit in Israel das Sagen. Die Juden dürfen niemand zum Tod verurteilen und deshalb bringen sie Jesus zum römischen Statthalter Pontius Pilatus. Eine lange Verhandlung beginnt.
Petrus ist neugierig. Er will sehen, was mit Jesus geschieht. Doch er hat Angst. Als man ihn als einen Jünger Jesu erkennt, streitet er es ab. "Ihr müsst euch irren, ich gehöre nicht zu Jesus." Dreimal verleugnet er so Jesus, dann kräht ein Hahn. Petrus erkennt: Ich habe meinen besten Freund verleugnet. Es tut ihm leid, dass er aus Angst nicht zu Jesus gehalten hat. Er geht weg und weint.
Jesus ist ganz allein vor dem Richter. Ein Jünger hat ihn seinen Feinden ausgeliefert, der andere hat ihn verleugnet, alle anderen Jünger sind geflohen. Wo sind sie alle hin, die sonst zu ihm gehalten haben, all die Menschen die er geheilt, denen er geholfen hat?
Das Urteil lautet: Tod am Kreuz, die härteste Strafe, die die Römer zu bieten haben. So werden Schurken, Staatsfeinde, die schlimmsten Verbrecher bestraft. Wie es ihnen beliebt, dürfen die Soldaten nun ihren Spott mit Jesus treiben. Als er schon nicht mehr kann vor Schmerzen und Wunden muss er auch noch sein Kreuz durch die Stadt bis hinauf zum Hügel Golgota tragen. Sein einziger Trost: Seine Mutter und einige Frauen, die ihm gefolgt sind, haben ihn nicht verlassen sondern stehen an seinem Kreuzweg. Simon von Zyrene muss ihm helfen, das Kreuz zu tragen.

Während er noch redete, kam Judas, einer der Zwölf, mit einer großen Schar von Männern, die mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet waren; sie waren von den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes geschickt worden. Der Verräter hatte mit ihnen ein Zeichen verabredet und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist es; nehmt ihn fest. Sogleich ging er auf Jesus zu und sagte: Sei gegrüßt, Rabbi! Und er küsste ihn. Jesus erwiderte ihm: Freund, dazu bist du gekommen? Da gingen sie auf Jesus zu, ergriffen ihn und nahmen ihn fest. Doch einer von den Begleitern Jesu zog sein Schwert, schlug auf den Diener des Hohenpriesters ein und hieb ihm ein Ohr ab. Da sagte Jesus zu ihm: Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen. Oder glaubst du nicht, mein Vater würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken, wenn ich ihn darum bitte? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, nach der es so geschehen muss? Darauf sagte Jesus zu den Männern: Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen, um mich festzunehmen. Tag für Tag saß ich im Tempel und lehrte und ihr habt mich nicht verhaftet. Das alles aber ist geschehen, damit die Schriften der Propheten in Erfüllung gehen. Da verließen ihn alle Jünger und flohen. (Mt 26,47-56)
Nach der Verhaftung führte man Jesus zum Hohenpriester Kajaphas, bei dem sich die Schriftgelehrten und die Ältesten versammelt hatten. Petrus folgte Jesus von weitem bis zum Hof des hohepriesterlichen Palastes; er ging in den Hof hinein und setzte sich zu den Dienern, um zu sehen, wie alles ausgehen würde. Die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat bemühten sich um falsche Zeugenaussagen gegen Jesus, um ihn zum Tod verurteilen zu können. Sie erreichten aber nichts, obwohl viele falsche Zeugen auftraten. Zuletzt kamen zwei Männer und behaupteten: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen. Da stand der Hohepriester auf und fragte Jesus: Willst du nichts sagen zu dem, was diese Leute gegen dich vorbringen? Jesus aber schwieg. Darauf sagte der Hohepriester zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Messias, der Sohn Gottes? Jesus antwortete: Du hast es gesagt. Doch ich erkläre euch: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Da zerriss der Hohepriester sein Gewand und rief: Er hat Gott gelästert! Wozu brauchen wir noch Zeugen? Jetzt habt ihr die Gotteslästerung selbst gehört. Was ist eure Meinung? Sie antworteten: Er ist schuldig und muss sterben. Dann spuckten sie ihm ins Gesicht und schlugen ihn. Andere ohrfeigten ihn und riefen: Messias, du bist doch ein Prophet! Sag uns: Wer hat dich geschlagen? (Mt 26,57-68)
Petrus aber saß draußen im Hof. Da trat eine Magd zu ihm und sagte: Auch du warst mit diesem Jesus aus Galiläa zusammen. Doch er leugnete es vor allen Leuten und sagte: Ich weiß nicht, wovon du redest. Und als er zum Tor hinausgehen wollte, sah ihn eine andere Magd und sagte zu denen, die dort standen: Der war mit Jesus aus Nazaret zusammen. Wieder leugnete er und schwor: Ich kenne den Menschen nicht. Kurz darauf kamen die Leute, die dort standen, zu Petrus und sagten: Wirklich, auch du gehörst zu ihnen, deine Mundart verrät dich. Da fing er an, sich zu verfluchen und schwor: Ich kenne den Menschen nicht. Gleich darauf krähte ein Hahn, und Petrus erinnerte sich an das, was Jesus gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich. (Mt 26,69-75)