Und er ruft die Zwölf zu sich und begann, sie auszusenden zwei und zwei. Und er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister. (Mk 6,7)
Trotz der Ablehnung in seiner Heimat Nazaret macht Jesus weiter. Nun ist die Zeit gekommen, dass er auch die Zwölf enger in die Verkündigung einbindet. Er sendet sie zu jeweils zweien aus und gibt ihnen Anteil an seiner Vollmacht. Zudem gibt er ihnen einige nützliche "Tipps", wie sie sich unterwegs zu verhalten haben.
Jesus ist es, der seine Jünger ruft und sendet. Be-rufung ist ein persönlicher Vorgang, der sich zwischen Jesus Christus und dem Einzelnen ereignet. Der Ruf Jesu zur Umkehr und zum neuen Leben im Reich Gottes ergeht an alle Menschen. Alle können Mitbürger im Reich Gottes sein, die Aufnahme in den engeren Kreis um Jesus setzt aber eine explizite Berufung voraus.
Bereits im Neuen Testament begegnen wir der Vielschichtigkeit der Bürgerschaft im Reich Gottes. Da sind die Zwölf, die Jesus zu seinen engsten Begleitern beruft. Es gibt da aber auch noch andere, die Jesus nachfolgen auf seinem Weg, es wird einmal von der Sendung der 72 berichtet, auch der geheilte Bartimäus folgt Jesus. Dann gibt es aber auch noch andere, die nicht das Wanderleben Jesu teilen und doch zu seinen Jüngern gehören. Das bekannteste Beispiel dafür sind Maria, Marta und Lazarus, die Jesus mehrmals in ihrem Haus empfangen haben. Sie haben vor Ort ein Leben nach Jesu Wort gelebt und die umherziehenden Jünger aufgenommen. Auch später gab es Wanderapostel, aber auch Jünger Jesu, deren Häuser zum Zentrum der Gemeindebildung wurden.
Bis heute ist es so, dass viele dazu gerufen sind, an ihrem Platz in der Welt ein christliches Leben zu führen, und nur wenige in die radikale Nachfolge Jesu berufen sind, die mit einem radikalen Schnitt im Leben, einem Ausstieg aus der Welt und einer totalen Hingabe an die Vorsehung Gottes verbunden ist. Charles de Foucauld schreibt dazu an seinen Freund Louis Massignon:
Arbeiten sie, beten sie, halten sie die Schwierigkeiten aus, tun sie Menschen Gutes, mit denen sie unmittelbar zu tun haben! Die Liebe Gottes lernt man, indem man die Menschen liebt. Der Weg zur Gottesliebe geht über die konkrete Nächstenliebe.
Ich habe keine Ahnung, wozu sie Gott im Besonderen beruft. Ich weiß aber sehr gut, wozu er alle Christen beruft, Frauen und Männer, Priester und Laien, Ehelose und Verheiratete: Apostel zu sein.
Apostel durch ihr Beispiel, durch Güte, durch wohltuenden Umgang, durch Zuneigung, die wieder Zuneigung weckt und zu Gott führt. Apostel, sei es wie Paulus, sei es wie Priszilla und Aquila. - Allen alles werden.
Jesus sendet die Jünger zu zweit aus. Verkündigung geschieht in Gemeinschaft. Einer allein kann oft nur wenig ausrichten. So galt auch im Judentum erst das Zeugnis von zwei Menschen als wahr. Sie bekräftigen so die Wahrheit der Botschaft Jesu. Wenn man zu zweit ist, kann man einander helfen, wenn einer in Gefahr gerät. Auch das war bei einem ungesicherten Wanderleben, bei dem man nicht damit rechnen konnte, stets auf freundlich gesinnte Menschen zu treffen, notwendig.
Doch auch für das geistliche Leben ist ein Begleiter wichtig. Unverzichtbar sind das gemeinsame Gebet, der Austausch über die Erfahrungen und der Beistand des anderen, wenn einer Zweifeln oder Anfechtungen ausgesetzt ist. Jesus sagt auch: "Was zwei von euch gemeinsam erbitten, werden sie erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." So wird deutlich, dass die Jünger nicht in ihrem eigenen Namen kommen, sondern dass Jesus bei ihnen ist und durch sie wirkt.
Es ist Jesus, der heilt, nicht ich; es ist Jesus, der Worte der Wahrheit spricht, nicht ich; es ist Jesus, der Herr ist, nicht ich. Das kommt sehr klar und sichtbar zum Ausdruck, wenn wir die erlösende Macht Gottes gemeinsam verkünden. Ja, sooft wir gemeinsam Dienst an den Menschen tun, können sie leichter erkennen, dass wir nicht in unserem eigenen Namen kommen, sondern im Namen Jesu des Herrn, der uns gesandt hat.
(Henri Nouwen)