Markus 3,7-35

Die Gottesherrschaft

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Jesus zog sich mit seinen Jüngern an den See zurück. Viele Menschen aus Galiläa aber folgten ihm. Auch aus Judäa, aus Jerusalem und Idumäa, aus dem Gebiet jenseits des Jordan und aus der Gegend von Tyrus und Sidon kamen Scharen von Menschen zu ihm, als sie von all dem hörten, was er tat. Da sagte er zu seinen Jüngern, sie sollten ein Boot für ihn bereithalten, damit er von der Menge nicht erdrückt werde. Denn er heilte viele, sodass alle, die ein Leiden hatten, sich an ihn herandrängten, um ihn zu berühren. Wenn die von unreinen Geistern Besessenen ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und schrien: Du bist der Sohn Gottes! Er aber verbot ihnen streng, bekannt zu machen, wer er sei. (Mk 3,7-12)

Nachdem sich die Kluft zwischen den religiösen Führern und Jesu Anspruch als unüberbrückbar erwiesen hat, zieht Jesus sich zurück und beginnt, das neue Volk Gottes aufzubauen. Er geht mit seinen Jüngern an den See, aber bevor er die Zwölf erwählt, kümmert er sich um die Menschen, die von überall her zu ihm strömen. Dann aber steigen sie ins Boot und lassen die Menge zurück. Mit seinen Jüngern allein steigt er auf einen Berg, um wie Gott einst durch Mose das neue Gottesvolk zu errichten.

Jesus stieg auf einen Berg und rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm. Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben. Die Zwölf, die er einsetzte, waren: Petrus - diesen Beinamen gab er dem Simon -, Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, der Bruder des Jakobus - ihnen gab er den Beinamen Boanerges, das heißt Donnersöhne -, dazu Andreas, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Thomas, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Thaddäus, Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn dann verraten hat. (Mk 3,13-19)

Mit Jesus kommt das Reich Gottes auf Erden. Erkennbar wird dies an der Errichtung eines neuen Zwölf-Stämme-Verbandes durch die Einsetzung der Zwölf Apostel und die Herrschaft über die Dämonen. Die zwölf bekommen Anteil an Jesu Vollmacht, zu predigen und die Dämonen auszutreiben. Durch das neue Volk Gottes werden alte verwandtschaftliche Bindungen obsolet. Selbst die eigenen Angehörigen können Jesus nicht verstehen. Am Ende des Kapitels wird Jesus dann auch darauf hinweisen, wer seine wahren Verwandten sind.

Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass er und die Jünger nicht einmal mehr essen konnten. Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen. (Mk 3,20-21)

Von Jerusalem aber kommen Schriftgelehrte, die mit einem scharfen Vorwurf Jesus gegenübertreten:

Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, sagten: Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus. (Mk 2,22)

Jesus aber belehrt sie in einer langen Rede über die wahren Absichten des Satans und seinen eigenen Kampf gegen ihn.

Da rief er sie zu sich und belehrte sie in Form von Gleichnissen: Wie kann der Satan den Satan austreiben? Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben. Wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben. Und wenn sich der Satan gegen sich selbst erhebt und mit sich selbst im Streit liegt, kann er keinen Bestand haben, sondern es ist um ihn geschehen. Es kann aber auch keiner in das Haus eines starken Mannes einbrechen und ihm den Hausrat rauben, wenn er den Mann nicht vorher fesselt; erst dann kann er sein Haus plündern. Amen, das sage ich euch: Alle Vergehen und Lästerungen werden den Menschen vergeben werden, so viel sie auch lästern mögen; wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften. Sie hatten nämlich gesagt: Er ist von einem unreinen Geist besessen. (Mk 3,23-30)

Jesus macht deutlich, dass der Vorwurf seiner Gegner, dass er den Teufel mit Beelzebul austreibt, widersinnig ist. Dann läge das Reich des Satans ja mit sich selbst im Streit und seine Herrschaft wäre damit beendet und man müsste ihn gar nicht mehr bekämpfen. Schon der gesunde Menschenverstand wird den Zuhörern Jesu deutlich gemacht haben, dass dies bei all der Arglist, mit der der Satan agiert, sicher nicht der Fall ist. Wer aber in das Haus eines Mächtigen - und ein solcher ist der Satan auch in den Augen der Gegner Jesu - einbrechen will, muss erst diesen Mächtigen binden, sonst wird der Eindringling keinen Erfolg haben, sondern selbst überwältigt werden.
Durch den Sturz des Satans aus dem Himmel hat Gott sich als der Mächtige schlechthin erwiesen. Im Himmel ist nun eindeutig entschieden, dass Gottes Macht unbezwingbar ist. Diese Tatsache hat auch Auswirkungen auf die Erde. Zwar treibt der Satan hier weiterhin sein Unwesen - er wird teilweise sogar als Herrscher der Welt tituliert - aber letztendlich ist seine Herrschaft auf Erden am Schwinden. Durch die Ausbreitung des Reiches Gottes wird der Satan mit seinen Dämonen immer mehr von der Erde vertrieben. Seine Herrschaft ist gebrochen und er führt nur noch Rückzugsgefechte.
Dennoch greifen Jesus und seine Jünger mit den Dämonenaustreibungen einen Mächtigen an, der sich nicht leicht bezwingen lässt. Dass der Satan hier auf Erden bezwungen werden kann, ist nur möglich, weil er im Himmel von Gott bereits besiegt ist. Dieser Sieg Gottes wird nun auf Erden umgesetzt. Mit jedem Dämon, der ausgetrieben wird, nimmt der Machtbereich des Satans ab. Die Kraft aber, den Satan zu bezwingen, kommt vom Heiligen Geist, der in Jesus wirkt. Diesen Geist dämonisch zu nennen ist die größte Sünde, die der Mensch begehen kann. Der Lästerer wider den Heiligen Geist stellt sich selbst in den Bereich der Dämonen und damit in die Gottferne.

Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben vor dem Haus stehen und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir. Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter. (Mk 3,31-35)

Jesus macht deutlich, wer zur neuen Familie im Reich Gottes gehört. Hier sind nicht mehr die Bande der leiblichen Familie entscheidend. Vielmehr gehört jeder, der den Willen Gottes tut, zur neuen Familie der Kinder Gottes.
Wir wundern uns, dass hier auch die Mutter Jesu, Maria, von ihrem Sohn so schroff zurechtgewiesen wird. Die fromme Überlieferung hält dem entgegen, dass ja gerade sie es ist, die in vorbildlicher Weise ganz den Willen Gottes erfüllt und daher so noch einmal auf ganz neue Weise zur Mutter Jesu wird. In der Apostelgeschichte hören wir vom Herrenbruder Jakobus, der eine herausragende Funktion in der Urgemeinde von Jerusalem hatte. Leibliche Familie und neue Familie der Kinder Gottes schließen sich also nicht aus, müssen aber immer neu auf ihre Kompatibilität geprüft werden.