Lukas 17,1-10

Glaubenskraft

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Heilige Schrift
Er sagte zu seinen Jüngern: Es ist unvermeidlich, dass Verführungen kommen. Aber wehe dem, der sie verschuldet. Es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen, als dass er einen von diesen Kleinen zum Bösen verführt. Seht euch vor!
Wenn dein Bruder sündigt, weise ihn zurecht; und wenn er sich ändert, vergib ihm. Und wenn er sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will mich ändern!, so sollst du ihm vergeben. (Lk 17,1-4)

Lukas fügt hier verschiedene Worte Jesu über das Zusammenleben der Jünger ein. Zunächst geht es um die Verführung. Es ist schlimm, wenn Menschen selbst der Versuchung erliegen, weit schlimmer aber ist es, wenn sie andere mit ins Verderben ziehen. Wer sündigt, der darf auf Gottes Barmherzigkeit hoffen. Wer aber darüber hinaus noch einen anderen mit hineinzieht, macht sich nicht nur vor Gott, sondern auch gegenüber seinem Mitmenschen schuldig. Das Bildwort vom Mühlstein, mit dem man besser einen solchen Menschen im Meer versenken würde, macht deutlich, wie ernst es Jesus mit dieser Mahnung meint.
Wer aber in Sünde fällt, ohne andere mit hinein zu ziehen und seine Sünde bereut, dem erweist Gott seine Barmherzigkeit und auch wir sollen Barmherzig sein. Jeder, der sündigt und es bereut und um Vergebung bittet hat diese immer wieder verdient, ohne Maß und Begrenzung.

Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen. (Lk 17,5-6)

Jesus hat in den vorangegangenen Ermahnungen viel von den Jüngern verlangt. Sie sollen auf jeden Reichtum verzichten, immer wieder bereit sein, zu vergeben, und vor allem niemals einen anderen zum Bösen verführen. Wer kann so leben? Sind wir nicht alle schwache Menschen? Wir können nur dann so leben, wie Jesus es will, wenn er unserem Bemühen mit seiner Hilfe beisteht, wenn er unseren Glauben stärkt.
Wir kennen das Gefühl, von etwas überzeugt zu sein. Wenn wir etwas wirklich wollen, gelingt es uns, mit dem Glauben daran Berge zu versetzen, das heißt, wir können etwas vollbringen, das wir uns unter normalen Umständen nicht zutrauen würden. Wir merken, dass wir oft wie gelähmt sind, und eben nicht diese Kraft des Glaubens in uns spüren. Hier müssen wir wie die Jünger immer wieder Jesus darum bitten, dass er uns den Weg zeigt, auf den wir zu dieser Kraft finden.

Guter Gott,
immer wieder kommt unser Glaube ins Wanken. Wir kämpfen mit unseren Zweifeln oder lassen uns von ihnen unterkriegen. Immer wieder braucht unser Glauben eine Stärkung.
Wir bitten dich: Inspiriere und bewege uns und lass uns dich an unserer Seite spüren. Sei du die Quelle unserer Kraft und Stärke. Amen.

Vielleicht entdecken wir selbst oft nicht diese Kraft in uns, weil sie so klein und unscheinbar in uns ist, wie ein Senfkorn. An mehreren Stellen spricht Jesus von dieser faszinierenden Kraft des Senfkorns, das aus einem winzigen Samen zu einem großen Baum heranwachsen kann. Wir alle haben die Kraft des Senfkorns in uns. Wir sind nur einfache, kleine Menschen. Aber jeder Mensch kann etwas großes Vollbringen. Jeder kann entdecken, was seine Aufgabe in der Welt ist und diese im Glauben an Gottes Kraft vollbringen.

Der Herr erwähnt hier das Senfkorn, weil es sehr klein ist, aber mehr Kraft in sich hat als die übrigen Saatkörner. ... Störe dich nicht daran, dass selbst die Apostel keine Bäume versetzt haben, denn der Herr hat wörtlich nicht gesagt: "Ihr werdet versetzen", sondern: "ihr würdet es können". Die Apostel wollten es nicht tun, da es nicht nötig war; und sie haben Größeres vollbracht. (Johannes Chrysostomus)

Zugleich mahnt uns Jesus aber auch, bescheiden zu bleiben. Schauen wir auf die Jünger. Die mussten viel von Jesus lernen, waren schwach im Glauben. Aber nach Pfingsten sind sie hinausgezogen in die Welt und haben selbst Großes vollbracht. Nur wer tief im Glauben verwurzelt ist, vermag es, im Erfolg nicht überheblich zu werden. Auch wir müssen stets daran denken, dass wir dann, wenn wir es geschafft haben, ein Werk aus der Kraft des Glaubens zu vollbringen, nicht uns die Kraft dafür zuschreiben, sondern dem danken, den wir um diese Kraft gebeten haben und der sie uns gegeben hat, Jesus Christus.

Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. (Lk 17,7-10)

Ein Wort des heiligen Franz von Assisi kann uns helfen zu verstehen, was Jesus mit diesem Gleichnis seinen Jüngern sagen will. Auf die Frage, was die wahre Freude sei, antwortet Franziskus einem der Brüder:

"Schreibe", sagt er, "was die wahre Freude ist.
Es kommt ein Bote und sagt, dass alle Magister von Paris zum Orden gekommen sind. Schreibe: das ist nicht die wahre Freude.
Ebenso, alle Prälaten jenseits der Alpen, die Erzbischöfe und Bischöfe; ebenso der König von Frankreich und der König von England. Schreibe: Das ist nicht die wahre Freude.
Ebenso, dass meine Brüder zu den Ungläubigen gegangen sind und sie alle zum Glauben bekehrt haben; ebenso, dass ich von Gott solch große Gnade erhalten habe, dass ich Kranke heile und viele Wunder wirke. Ich sage dir, dass in all dem nicht die wahre Freude ist.
Was aber ist die wahre Freude?
Ich kehre von Perugia zurück, und in tiefer Nacht komme ich hierher, und es ist Winterszeit, schmutzig und so kalt, dass die kalten Wassertropfen am Saum des Habits gefrieren und immer an die Schienbeine schlagen, und das Blut aus diesen Wunden fließt.
Und völlig in Schmutz und Kälte und Eis komme ich zur Pforte, und nachdem ich lange geklopft und gerufen habe, kommt der Bruder und fragt: 'Wer ist da?'
Ich antworte: 'Bruder Franziskus.' Und er sagt: 'Geh fort! Es ist nicht die schickliche Zeit auszugehen. Du kommst nicht herein.' Und auf weiteres Drängen antwortet er: 'Geh weg! Du bist der nämliche einfältige und ungebildete Mensch. Du kommst auf keinen Fall zu uns. Wir sind so viele und von solcher Art, dass wir dich nicht brauchen.'
Und ich stehe wiederum an der Pforte und sage: 'Um der Liebe Gottes willen, nehmt mich auf in dieser Nacht.' Und jener antwortet: 'Das werde ich nicht tun. Geh zur Niederlassung der Kreuzträger und bitte dort.'
Ich sage dir: Wenn ich Geduld habe und nicht erregt werde, dass darin die wahre Freude ist und die wahre Tugend und das Heil der Seele."

In einem Gebet des hl. Franziskus heißt es:

Höchster, glorreicher Gott,
erleuchte die Finsternis meines Herzens
und schenke mir rechten Glauben,
gefestigte Hoffnung, vollendete Liebe
und tiefgründende Demut.
Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen,
damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle,
den du mir in Wahrheit gegeben hast. Amen.