Lukas 16,1-18

Der kluge Verwalter

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Heilige Schrift
Jesus sagte zu den Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen. Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Du kannst nicht länger mein Verwalter sein.
Da überlegte der Verwalter: Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Was soll ich jetzt tun? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich. Doch - ich weiß, was ich tun muss, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin. Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem andern, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin, und schreib "fünfzig". Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, und schreib "achtzig". (Lk 16,1-7)

Im vorausgegangenen 15. Kapitel des Lukas-Evangeliums hat Jesus uns drei Gleichnisse vorgestellt, in denen es um Menschen ging, denen etwas von ihrem Besitz oder Familienbande verloren gegangen sind. Die Anhänglichkeit und Liebe, die Menschen zu ihrem Besitz oder zu Familienmitgliedern haben, können zu einem Bild für die Liebe Gottes zu den Menschen werden. Auch für Jesus gilt der Grundsatz, dass wir mit unserem Besitz verantwortungsvoll umgehen sollen. Wenn einer hundert Schafe hat und ihm eines davon verloren geht, wird er das Verlorene unermüdlich suchen und nicht sagen, es kümmere ihn nicht, es blieben ja noch 99. Und wer Geld verloren hat, wird auch das suchen. Jesus will also nicht, dass wir mit unseren Gütern achtlos umgehen, sondern dass wir, wenn es um des größeren Gutes der Nachfolge Christi willen nötig ist, bereit sind, darauf zu verzichten.
Die Frage nach dem rechten Umgang mit dem Besitz scheint Lukas und die frühen Gemeinden sehr beschäftigt zu haben. Es sind nur wenige zu einem radikalen Leben als besitzlose Wanderapostel berufen, wie Jesus es mit seinen Jüngern gelebt hat. Für den Großteil der Gläubigen gilt, was Lukas in 16,9-13 schreibt: Macht euch Freunde mit dem Reichtum, den ihr besitzt, geht verantwortungsvoll mit eurem Besitz um, damit ihr lernt, auch mit dem größeren Gut, das Gott gibt, verantwortungsvoll umzugehen, aber passt auf: haltet auch die nötige Distanz zum Besitz, damit er für euch nicht zum Götzen wird, der euch von Gott trennt.

Am Gleichnis vom klugen Verwalter wurde viel herumgedeutelt, denn es passt nicht so recht ins Bild vom braven Christenmenschen, wie Jesus hier einen doch ganz offen als ungerecht bezeichneten Verwalter lobt. Doch wenn wir uns die scharfe Kritik an Reichtum und Geld, die für das Lukasevangelium typisch ist, vor Augen halten, so sollte uns auch dieses Gleichnis nicht mehr so sehr verwundern.
Jesus sagt einige Absätze vorher das eindeutige Wort: "Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet" (Lk 14,33). Es steht dem Christen nicht an, Reichtümer zusammen zu häufen, denn letztlich beruht jeder außergewöhnliche Reichtum auf irgendeiner Form der Ungerechtigkeit. Es sind die kleinen Leute, die schuften und von deren Arbeit "die Großen" leben.
Auch der Reichtum des Mannes im Gleichnis, der wohl als Großgrundbesitzer anzusehen ist, beruht darauf, dass ihm die Pächter seines Landes festgesetzte Abgaben liefern. Diese sind fix und richten sich nicht nach den tatsächlichen Erträgen des Landes. Sie mögen in einem guten Erntejahr leicht zu entrichten sein, aber allzu oft fallen die Ernten geringer aus und dann bleiben die Pächter im Rückstand und verschulden sich bei ihrem Herrn. So werden aus ehemals freien Bauern im Laufe der Zeit Abhängige des Großgrundbesitzers.
Der Verwalter im Gleichnis hatte die Aufgabe, die Abgaben der Pächter einzutreiben. Er musste hart sein und durfte kein Mitleid mit den Pächtern haben, wenn er im Auftrag seines Herrn einer Bauernfamilie den letzten Sack Getreide pfänden musste und diese Menschen somit der Armut und dem Hunger auslieferte. Er hatte die Macht, im Auftrag seines Herrn so zu handeln und sicher auch die Möglichkeit, nebenbei in die eigene Tasche zu wirtschaften und so vom Vermögen seines Herrn etwas für sich selbst abzuzweigen.
Schließlich fällt der Verwalter selbst bei seinem Herrn in Ungnade. Es droht ihm so zu gehen, wie den Menschen, denen er den letzten Sack Getreide gepfändet hat. Er weiß selbst genau, wie ein solches Leben aussehen würde und setzt alles daran, dass er nicht auf diese Stufe der Armut herunterfällt. Dabei ist er sehr einfallsreich. Er nutzt die letzten Tage, bevor ihm sein Herr das Verwalteramt entzieht, um noch einige Dinge zu regeln. Er setzt die geschuldeten Abgaben der Pächter um ein nicht unerhebliches Maß herab. Vielleicht war dies auch der Teil, den er sich selbst abgezweigt hatte. Jedenfalls kann er für dieses Tun mit der Gunst der Schuldner rechnen, die ihn in ihr Haus aufnehmen werden und dafür sorgen, dass er nicht am Hungertuch zu nagen braucht.

Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es mit euch zu Ende geht. (Lk 16,8-9)
Durch Freigebigkeit gegenüber den Armen nämlich sollen wir uns die Gunst der Engel und der übrigen Heiligen erwerben. Der Verwalter erfährt auch keinen Tadel. Wir ersehen daraus, dass wir selbst nicht Herren, sondern nur Verwalter fremden Eigentums sind. Hat nun jener auch gefehlt, wird er gleichwohl gelobt, weil er sich aus der Barmherzigkeit des Herrn Kapital für die Zukunft geschlagen hat. Sinnig aber sprach der Herr vom "ungerechten" Mammon, denn die Habsucht versucht unser Herz durch die mannigfachen Lockungen des Reichtums zu verleiten, auf dass wir willentliche Sklaven des Reichtums werden. (Ambrosius)

Nun aber setzt Jesus bei seiner Erklärung zu diesem Gleichnis noch einmal zu scharfer Kritik des Reichtums an. Lesen sie die Verse 10-12 einmal ganz genau. Stellen sie sich dabei vor, wie die Menschen, die mit Geld zu tun haben, sich für etwas Großes halten. Gerade heute dreht sich ja alles ums Geld. Banken, Aktien, wer hier ins Geschäft einsteigt, meint eine der wichtigsten Aufgaben zu übernehmen, die es auf der Welt gibt.

Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen unrecht tut, der tut es auch bei den großen. (Lk 16,10)

Aber was sind die großen, wichtigen und was sind die kleinen, unwichtigen Dinge? Der folgende Vers sagt es uns:

Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer wahres Eigentum geben? (Lk 16,11-12)

Der Umgang mit Geld gehört zu den kleinen und unwichtigen Dingen, die allerhöchstens dazu taugen, etwas über die wichtigen Dinge zu lernen, wie es uns der Verwalter im Gleichnis gezeigt hat. Das wichtige im Leben ist, Freunde zu finden, anderen Gutes tun, nicht hier große, aber vergängliche Villen zu errichten, sondern so zu leben, dass man in die ewigen Wohnungen im Himmel Aufnahme findet.
So gesehen leben wir heute in einer "verkehrten Welt". Wir investieren einen Großteil unserer Lebenszeit darin, für die Wirtschaft zu arbeiten, aber das Familienleben, die Erziehung der Kinder, die Sorge um die alten Menschen, ja auch Geselligkeit und Gemeinschaftsleben treten in den Hintergrund, weil dafür immer weniger Zeit bleibt. Wir kümmern uns mit aller Kraft um die kleinen Dinge, die großen aber stellen wir hinten an. Daran krankt unsere Gesellschaft. Wir sind gefangen in diesen Zwängen und es fällt dem Einzelnen schwer, daraus auszubrechen, denn wer weniger verdient, gerät ins soziale Abseits und gesellschaftliche Aus.

Wer Reichtümern dient, ist der Knecht seiner Reichtümer und wie ein Sklave bewacht er sie, Wer dagegen das Joch der Knechtschaft abgestreift hat, der verteilt wie ein Herr. (Beda Venerabilis)

Diese Unfreiheit, von der Beda Venerabilis spricht, kennzeichnet heute unsere Gesellschaft. Alles dreht sich um das Geld. Wer selbst im Dienst des Reichtums gefangen ist, wird auch andere in die Unfreiheit führen, indem er sie ausbeutet und abhängig macht. Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die andere in die Freiheit führen, die mutig genug sind, den Kreislauf der Unfreiheit zu durchbrechen, auch wenn sie selbst dadurch Nachteile zu erwarten haben. Nur wer frei ist von der Macht des Geldes, der kann auch "gerecht" mit Geld umgehen. Vielleicht ist es diese Freiheit, zu der der Verwalter im Evangelium gefunden hat und um dieser Freiheit willen stellt Jesus ihn uns als Vorbild dar.

Am Ende des Gleichnisses steht die Warnung Jesu:

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Heilige Schrift
Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon. (Lk 16,13)

Wenn Christus die beiden Herren gegenüberstellt, Gott und Mammon, so bedeutet das nicht, dass er sie gleichwertig sieht. Nur Gott ist Herr. Es gibt keinen Herren außer ihm. Der Mammon wird Herr genannt, weil er den Menschen beherrscht. Gottes Herrschaft aber öffnet dem Menschen den Weg zu wahrer Freiheit und einen erfüllten Leben.

Siehst du, wie ganz allmählich der Herr die Zuhörer von den irdischen Dingen abzieht, indem er zum wiederholten Mal auf die Verachtung des Besitzes zu sprechen kommt, und so die Tyrannei der Habsucht bricht? ... Wenn er aber sagt: "Kein Sklave kann zwei Herren dienen", so sind unter den zweien hier solche zu verstehen, von denen der eine das Gegenteil des anderen befiehlt. Denn wäre dies nicht der Fall, so wären es auch nicht zwei. Jesus aber will zeigen, dass die Bekehrung zum Besseren ganz leicht ist. Damit du nämlich nicht sagst: Ich bin ein für allemal zum Sklaven des Mammon geworden, ich bin von der Geldgier beherrscht, so zeigt er, dass eine Umkehr möglich ist, und dass man, wie vom ersten zum zweiten, so auch vom zweiten zum ersten kommen kann. ... Die Liebe zum Geld nimmt den Verstand ein wie eine Festung, sendet von da aus täglich ihre Befehle aus, die jeglicher Ungerechtigkeit voll sind, und es gibt keinen, der ihr den Gehorsam versagen würde. Grüble also nicht über nutzlose Ausflüchte nach. Gott hat einmal sein Urteil gefällt und gesagt, es sei nicht möglich, zugleich dem einen und dem anderen zu dienen. Behaupte also nicht du, es sei möglich. ... "Herr" aber nennt Christus hier den Mammon, nicht ob dessen besonderer Natur, sondern wegen der erbarmungswürdigen Lage derer, die sich unter sein Joch gebeugt haben. ... Es ist in der Tat ein unaussprechliches Unheil, das diese trifft, Streit, Verwünschungen, Händel, Elend, Blindheit der Seele. Das Schlimmste von allem aber ist, dass ein solcher der höchsten Gnaden verlustig geht, nämlich der Dienstschaft Gott. So hat also der Herr auf jede Weise gezeigt, wie die Verachtung des Geldes so nützlich ist gerade zur Bewahrung des Geldes, sowie zum Glück der Seele, zur Erlangung wahrer Lebensweisheit und zur Sicherung der Frömmigkeit. (Johannes Chrysostomus)
Das alles hörten auch die Pharisäer, die sehr am Geld hingen, und sie lachten über ihn. Da sagte er zu ihnen: Ihr redet den Leuten ein, dass ihr gerecht seid; aber Gott kennt euer Herz. Denn was die Menschen für großartig halten, das ist in den Augen Gottes ein Gräuel. (Lk 16,14-15)

Die Reaktion der Pharisäer auf Jesu entschiedene Kritik des Reichtums zeigt, dass sie wie viele Reiche zu allen Zeiten den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Ihr Spott darüber kann aber auch bedeuten, dass sie sich im Innersten sehr wohl angesprochen fühlen, aber nicht bereit sind, Jesu Kritik anzunehmen und sich durch den Spott von ihr befreien.
Die folgenden drei Verse setzen Jesu deutliche Mahnung fort, wenngleich unter anderem Aspekt. Zwischen den beiden großen Texten zum Reichtum wirken sie etwas fehl am Platz. Jesus spricht von Johannes dem Täufer, dem Gesetz und den Propheten. Jesus hebt das Gesetz nicht auf, sondern bringt es erst richtig zur Geltung. Wir erinnern uns an Jesu „Ich aber sage euch“-Worte in der Bergpredigt. Zu dieser Grundintention des Gesetzes gehört auch die Unauflöslichkeit der Ehe.

Bis zu Johannes hatte man nur das Gesetz und die Propheten. Seitdem wird das Evangelium vom Reich Gottes verkündet und alle drängen sich danach, hineinzukommen. Aber eher werden Himmel und Erde vergehen, als dass auch nur der kleinste Buchstabe im Gesetz wegfällt. Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; auch wer eine Frau heiratet, die von ihrem Mann aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch. (Lk 16,16-18)