Wir bitten euch, Brüder: Erkennt die unter euch an, die sich solche Mühe geben, euch im Namen des Herrn zu leiten und zum Rechten anzuhalten. Achtet sie hoch und liebt sie wegen ihres Wirkens! Haltet Frieden untereinander! (1Thess 5,12-13)
Ordnung ist ein Grundcharakteristikum einer christlichen Gemeinde. Das macht Paulus in seinen Briefen immer wieder deutlich. Dazu gehört die hierarchische Struktur der Gemeinde. Es gibt in jeder Gemeinde Menschen mit Leitungsfunktion, denen Respekt gebührt und Autorität zukommt. Die Gemeinde soll nicht in verschiedene Gruppen zerfallen, die sich um verschiedene Anführer scharen. Es soll Frieden herrschen und die Gemeindeleiter müssen sich auch der Verantwortung bewusst sein, die ihnen zukommt.
Wir ermahnen euch, Brüder: Weist die zurecht, die ein unordentliches Leben führen, ermutigt die Ängstlichen, nehmt euch der Schwachen an, seid geduldig mit allen! (1Thess 5,14)
In der Gemeinde sollen die zurechtgewiesen werden, die ein Leben führen, das nicht dem Glauben an Jesus Christus entspricht. Es ist keine christliche Grundhaltung, alles für erlaubt anzusehen. Es gibt gewisse Regeln, an die man sich zu halten hat. Wer dagegen verstößt, soll darauf angesprochen werden. Oft kann eine dezente Ermahnung tiefergehende Zerwürfnisse verhindern. Den Anfängen wehren und die zurückholen, die Gefahr laufen, den rechten Weg zu verlassen.
Diese Ermahnung soll in Liebe geschehen, nicht in Form eines Überwachungsstaates. Dabei soll auch auf die Schwäche der einzelnen Rücksicht genommen werden. Es darf nicht von jedem das gleiche verlangt werden. Es gibt ein Mindestmaß, das für alle gültig ist. Wer dazu berufen ist, darf auch mehr für den Glauben tun, aber er soll sich nicht über andere erheben, die nicht zu solchen Höhenflügen fähig sind. Eine Gemeinde mit den verschiedenen Berufungen, in Liebe geeint und mit dem gegenseitigen Bestreben, einander Gutes zu tun, das ist das Bild, das Paulus hier zeichnet.
Vor allem bedarf es der Geduld, die die Saat wachsen lässt, die nicht den Weizen zusammen mit dem Unkraut ausreißt, die darauf vertraut, dass Menschen sich bessern, das sie wachsen und aus Fehlern lernen, wenn sie die richtige Führung bekommen.
Geduld mit allen? Also auch mit den Unfügsamen? Ja sicher und zwar ganz besonders. Denn die Geduld ist in der Hand der Lehrer das allervorzüglichste Heilmittel, dem kein anderes an Kraft gleichkommt, das auf den, der gehorchen soll, am allermeisten Eindruck macht. Die Geduld ist imstande, auch den verruchtesten und frechsten Menschen so umzustimmen, dass er lenksam und für edlere Regungen wieder empfänglich wird. (Johannes Chrysostomus)
Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergilt, sondern bemüht euch immer, einander und allen Gutes zu tun. (1Thess 5,15)
Stets bereit sein, Gutes zu tun, sich nicht von der Spirale des Hasses mitreißen lassen, sondern sie mit einer bewusst guten Handlung entkräften. Den Blick dafür haben, wie wir aus festen Handlungsmustern ausbrechen können. Wie das geht, hat uns Jesus gezeigt. Wenn er mit seinen Gegner zusammentraf, hat er sich nie auf deren Ebenen hinunterziehen lassen, hat nicht deren Argumente mit anderen zu entkräften versucht, woraus nur eine endlose Diskussion entstanden wäre. Jesus hat immer etwas Unerwartetes getan, das der jeweiligen Situation eine ganz unerwartete Wendung gegeben hat. Andere überraschen und so neues Licht in dunkle Zusammenhänge bringen. Dazu gehört sicher auch die eigene positive Lebenseinstellung, das Vertrauen darauf, dass Gott alles zum Guten führen wird, wenn wir bereit sind, das unsere dazuzutun und die Freude, die aus dem Glauben kommt.
Freut euch zu jeder Zeit! (1Thess 5,16)
Die Freude soll eine Grundeinstellung jedes Christen sein. Wir sind erlöst und dürfen sicher sein, dass Gott uns in jeder Situation nahe ist. Im festen Vertrauen auf Gottes liebevolle und helfende Zuwendung bräuchten wir uns eigentlich nicht mehr zu fürchten, sondern könnten jeder Situation siegessicher und freudig ins Auge sehen. Gott selbst ist Mensch geworden und hat die Mühen menschlichen Lebens auf sich genommen. Wir können sicher sein, dass er unsere Sorgen und Nöte kennt.
Betet ohne Unterlass! (1Thess 5,17)
Dieser Satz hat in der christlichen Spiritualität eine enorme Wirkung entfaltet. Immer wieder haben Menschen darüber nachgedacht, wie es denn möglich ist, immerfort und ohne Unterlass zu beten. Beda Venerabilis sagt über das immerwährende Beten:
Es ist aber zu sagen, dass derjenige immer betet und nicht nachlässt, der nicht aufhört, das Stundengebet zu verrichten. Oder: Alles, was der Gerechte gottgemäß tut und sagt, ist zum Gebet zu rechnen. (Beda Venerabilis)
Hier haben wir zwei Erklärungen, wie immerwährendes Gebet möglich ist. Die eine besteht darin, den Begriff des Gebetes auszuweiten. Gebet, das sind nicht nur die Zeiten, in denen wir bewusst bestimmte Gebete verrichten, sondern Gebet ist auch all unser Tun und Reden, das aus unserem Glauben und damit auch aus dem Gebet hervorgeht. Indem wir Gutes tun, teilen wir die Früchte des Gebetes in unserem Alltag in der Welt aus. Wenn wir den Glauben verinnerlicht haben, werden wir bei all unserem Tun an Gott denken und darum bemüht sein, so zu handeln, wie er es von uns will. So durchwirkt der Gedanke an Gott als Gebet unser ganzes Leben, abwechselnd zwischen intensiven Gebetszeiten und Zeiten, in denen wir aus der Sammlung des Gebets in die Welt gehen.
Immerwährendes Gebet, das kann auch ein Gebet sein, dass den Tag strukturiert. Das Stundengebet, von dem Beda spricht, durchzieht den Tag, vom Morgenlob bis zum Nachtgebet. Leider hat sich das Stundengebet bei uns größtenteils auf Mönche und Kleriker reduziert, wobei es von seinem Ursprung her eigentlich das Gebet der ganzen Gemeinde war. Viele Menschen pflegen aber eine einfache Form des Stundengebets, indem sie treu ihr Morgen- und Abendgebet verrichten und auch der Rosenkranz ist ja eine Form des Stundengebets für alle, von dem wir im Laufe des Tages immer wieder ein Gesätz beten können.
Wenn wir vom immerwährenden Gebet sprechen, so ist dieser Begriff aber gerade in der Ostkirche einer besonderen Art des Gebetes vorbehalten, nämlich dem Herzens- oder Jesus-Gebet. Die "Aufrichtige Erzählung eines russischen Pilgers" beschreibt sehr eindrücklich, wie dieses Gebet erlernt werden kann, wie aus dem zunächst mündlichen Aufsagen der Gebetsworte: "Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner!" ein Gebet des Herzens wird, wenn dieses Gebet durch die ständige Wiederholung in das Herz gewandert ist und nun wie von selbst sich den ganzen Tag über fortsetzt.
Wer sich für dieses Gebet interessiert, den verweise ich auf oben genanntes Buch oder andere Fachliteratur. Ich möchte dazu nur kurz noch einige Worte von Johannes Chrysostomus anführen:
Ohne Unterlass sollst du dem Namen Jesu anhaften, so dass dein Herz den Herrn austrinke und der Herr dein Herz, damit zwei werden in einem. Trennt euer Herz nicht von Gott, sondern verharrt in ihm, und bewahrt es überall mit dem Gedanken an den Herrn Jesus Christus, bis endlich der Name des Herrn im Innersten des Herzens Wurzeln geschlagen hat und es nichts anderes mehr denkt, als dass Christus in allem verherrlicht werde. (Johannes Chrysostomus)
Es dürfte klar sein, dass man einem solchen Menschen diese innige Verbindung mit Jesus in all seinem Tun und Reden anmerkt. Auch dies wird in der Erzählung des russischen Pilgers beschrieben, wie vom Beter ein Segen ausgeht für die Menschen, denen er begegnet.
Immerwährendes Beten, das heißt in allen Situationen des Alltags an Gott denken, alles Tun mit einem Gebet zu beginnen oder zu beschließen. So machen wir uns bewusst, dass wir alles mit Gott tun wollen, nach seinem Willen und zu seiner Ehre. Wir machen uns aber auch bewusst, dass die Kraft für unser gutes Tun letztendlich ein Geschenk der Gnade Gottes ist.
Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört. (1Thess 5,18)
Durch das Gebet sind wir mit Gott verbunden. Wer betet, ist bereit, auf Gottes Stimme zu hören und seiner Weisung zu folgen. Alles Gute kommt letztlich von Gott. So dürfen wir bei all unseren Bitten den Dank nicht vergessen. Und auch, wenn wir viele unserer Wünsche unerfüllt sehen, so sollten wir doch nicht die Augen verschließen für all das Gute, das Gott uns schon geschenkt hat und immer wieder schenkt.
Gott allezeit danken, das ist gut und weise. Ist dir etwas Schlimmes zugestoßen? Sobald du nur willst, hat es aufgehört, ein Übel zu sein. (Johannes Chrysostomus)
Wenn wir Widerwärtigkeiten annehmen können, verlieren sie ihre Macht über uns, sie verwandeln sich und wir finden neue Perspektiven. Alles vor Gott hinhalten, in seine Hände legen, uns selbst in seine Hände legen. "Herr, wie du es willst." Und er will das Gute für uns, auch wenn wir selbst seine Wege nicht immer verstehen können.